# taz.de -- Neuer Sender ZDF.Kultur: Die Wiederauferstehung der Neunziger
       
       > Das Zweite Deutsche Fernsehen sucht jüngere ZuschauerInnen. Deshalb
       > startet am Sonnabend der digitale Sender ZDF.Kultur - mit popkulturellem
       > Schwerpunkt.
       
 (IMG) Bild: Musiker Tex Drieschner ist der Gastgeber in "TV Noir".
       
       "Ohne Pop wäre auch die zweite Hälfte des vergangenen Jahrhunderts vollends
       unerträglich geworden, ohne Pop, behaupte ich mal, gäbe es heute kaum Luft
       zum Atmen", schreibt der Schriftsteller Andreas Neumeister 2001 in seinem
       Manifest "Pop als Wille und Vorstellung".
       
       Es hat gute zehn Jahre gebraucht, bis es jener Windhauch auf den Mainzer
       Lerchenberg geschafft hat: Am 7. Mai startet mit dem Digitalkanal
       ZDF.Kultur der erste öffentlich-rechtliche Sender mit popkulturellem
       Schwerpunkt und löst den seit seinem Start 1999 vom Zuschauer nahezu
       unbemerkten Theaterkanal ab.
       
       Der "Pop.Hoch.Netz.Digital.Kultursender" - so die Eigenbeschreibung - ist
       ein Novum in der arrivierten deutschen Fernsehlandschaft, auch wenn
       Intendant Markus Schächter erst mal vorsichtig von einem "Geheimtipp"
       spricht. Sein Sender will eine Modernisierung des eigenen Kulturprogramms,
       kombiniert mit einer signifikanten Ausrichtung auf jüngere
       Zuschauerschichten. Letztlich also der Weg, den man mit ZDFneo ohnehin
       schon eingeschlagen hat.
       
       ## Koopertion mit arte und 3Sat
       
       Allerdings dürfte bei einem Anfangsetat von 12,6 Millionen Euro für 2011
       der Handlungsspielraum extrem begrenzt sein. Für 2012 stehen dann immerhin
       18,8 Millionen zur Verfügung. Zwischen 160 und 170 Mitarbeiter arbeiten für
       und am neuen Digitalkanal aus Mainz, wobei die Zahl auch durch umfassende
       Kooperationen mit den Kulturredaktionen von Arte und 3sat zustande kommt.
       
       Die Eigenschaften, die sich ZDF.Kultur dafür auf die Fahne schreibt, sind
       dann auch erwartbar der Generation zwischen 20plus und 40minus angepasst:
       "weniger feuilletonistisch, subjektiv, polarisierend, kreativ und
       spielerisch". Es finden sich mit "Bauerfeind - das Magazin für Popkultur",
       umfangreichen Doku-Slots und dem "Kleinen Fernsehspiel" sowie der neu
       produzierten täglichen Nachrichtensendung "Der Marker" erwartbare Formate.
       
       Im Zentrum des Programms steht aber die (Pop-)Musik als "wesentliches
       Element", inklusiver enger Verschränkung mit dem Internet. Daniel Fiedler,
       einer der beiden führenden Köpfe von ZDF.Kultur, kündigt bis zu "60 Stunden
       Musik pro Woche" an.
       
       ## Netzkult aus Neukölln
       
       Eines der neuen Formate, die Fiedler als programmatisch für seinen Sender
       ansieht, ist "TV Noir". Die auf Schwarzweiß ausgestrahlte Musik-Talk-Show
       war bislang vor allem im Internet zu sehen und auf dem Berliner Bürgerkanal
       Alex. Jeweils zwei Musiker sind in der Sendung, die jeden zweiten und
       dritten Freitagabend im Monat um 23 Uhr ausgestrahlt werden wird, sind bei
       Moderator Tex Drieschner zu Gast, spielen einige Akustiksongs und plaudern
       über ihr Schaffen als Musiker, das Leben und die Kunst an sich. Im Netz
       funktioniert das Format, das im Heimathafen Neukölln in Berlin
       aufgezeichnet wird, bereits hervorragend - über 10.000 Facebook-Freunde
       versprechen eine sichere Stammkundschaft.
       
       Für Fiedler setzt die Sendung neue Maßstäbe, was Musikfernsehen heute sein
       kann: "Die Reduzierung auf das Wesentliche, nämlich die Musik, und die
       Konzentration auf das Künstlerische, das Musikmachen, gehen einher mit
       einer Neuformulierung der klassischen Elemente des Unterhaltungsfernsehens
       wie Talk und Show."
       
       Das Team um Moderator Tex Drieschner behält die redaktionelle und
       künstlerische Freiheit bei der Produktion und ist mit der Zusammenarbeit
       zufrieden. "Klar prallen da mit dem klassischen Medium Fernsehen und
       unserem Stammmedium Internet zwei Welten aufeinander, und das musste sich
       erst einspielen. Aber wir fühlen uns konzeptionell umfassend verstanden."
       
       Neben "TV Noir" tauchen weitere Musikformate auf: "Berlin Live" - samstags
       um 21.15 Uhr - zeigt aktuelle Konzertaufzeichnungen aus dem Berliner Trafo,
       einem alten Heizkraftwerk in Spreenähe. Das Gebäude beeindruckt nicht nur
       durch eine martialische Architektur, sondern verfügt auch über eine extrem
       dichte Konzerthallenakustik. Zu Gast sind dieses Mal die Rockbands Mando
       Diao, Johnossi und Bonaparte.
       
       ## Gutes altes Musikfernsehen
       
       Wolfgang Bergmann, neben Fiedler der zweite Hauptverantwortliche für
       ZDF.Kultur, sieht in der "Berlin Live"-Reihe großes Potenzial: "Es ist
       eigentlich unglaublich, dass bis jetzt noch niemand auf die Idee gekommen
       ist, das so zu machen." Vielleicht, weil Kritiker und Zuschauer das Genre
       Musikfernsehen zumeist für tot halten - spätestens mit dem Wechsel von MTV
       in den Pay-TV-Sektor. Diesem Vorwurf wird sich ZDF.Kultur stellen müssen.
       Denn bei aller Sympathie für das neue Konzept erinnern die Sendungen von
       der Aufmachung über die Moderatorenauswahl bis hin zu den Trailern
       unstrittig an die in den 90iger Jahren sehr innovativen Kanäle MTV und Viva
       Zwei.
       
       Aber im anfangs zitierten Neumeister-Text heißt es am Ende auch: "Das Wort
       Pop setzt auf Wiederholung. Und Klang". Letztlich zeigt ZDF.Kultur, dass
       sich im öffentlich-rechtlichen Fernsehen ein "generativer Wandel in den
       Redaktionen" durchsetzt, sagt Christoph Jacke, Professor für populäre Musik
       und Medien an der Universität Paderborn. Diese Entwicklung anhand von
       ZDF.Kultur zu beobachten sei "hoch spannend".
       
       So wird sich letztlich bei aktuell 57 Prozent digital angeschlossenen
       Haushalten zeigen, ob das ZDF in punkto popkultureller Aktualität Maßstäbe
       setzen kann. Zu wünschen wäre es.
       
       6 May 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jan Scheper
       
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