# taz.de -- Missstände in Krankenhäusern: Waschen kann Leben retten
       
       > Jährlich sterben bis zu 15.000 Patienten in Deutschland an
       > Krankenhaus-Infektionen. Einfache Maßnahmen könnten das ändern. Die
       > Politik will handeln.
       
 (IMG) Bild: Manchmal dreckiger als man glaubt: Krankenhäuser in Deutschland.
       
       BERLIN taz | Horst Henz bekommt im September 2006 eine Chemo- und
       Strahlentherapie wegen einer bösartigen Geschwulst im Darm. Die Therapie
       ist erst einmal erfolgreich. Doch irgendwann, im Laufe mehrerer
       Klinikaufenthalte, fängt sich der Patient den gefährlichsten aller
       Krankenhauskeime ein: MRSA, ausgeschrieben: methicillin-resistenter
       Staphylococcus aureus. Sein langsames Sterben beginnt.
       
       Kurz nach seinem 76. Geburtstag im Februar 2009 treten bei Henz schwarze
       Flecken am Körper auf. Seine Frau Ingeborg fragt in der Klinik: "Verfault
       mein Mann?" Henz ist von 85 auf 45 Kilo abgemagert. Zehn Tage später ist er
       tot.
       
       Seit Jahren ist die Keim-Verseuchung in deutschen Kliniken ein großer
       Missstand - aber die Bundesrepublik tut sich schwer, etwas dagegen zu tun.
       Den Schätzungen der Fachleute zufolge erkranken in Deutschland jährlich
       zirka 400.000 bis 600.000 Patienten an Krankenhausinfektionen.
       
       Es wird vermutet, dass daran zwischen 7.500 und 15.000 Patienten pro Jahr
       sterben. Diese Zahl ließe sich, wie in den Niederlanden etwa, gehörig
       verringern, wenn das Klinikpersonal einfachste Hygienemaßnahmen wie
       häufigeres Händewaschen einhalten würde. Nun will die Politik die Sache
       vorantreiben: Am Montag veranstaltete der Gesundheitsausschuss des
       Bundestages in Berlin eine öffentliche Anhörung zum Thema.
       
       ## "Unterm Strich eher Geld sparen"
       
       Unter den Ausschussmitgliedern ist besonders der geladene Experte Alex
       Friedrich vom Universitätsklinikum Groningen sehr gefragt. Der
       Medizinprofessor kann direkte Erfahrungen darüber mitteilen, wie die
       Niederländer die MRSA-Quote in wenigen Jahren immens gedrückt haben. Im
       westlichen Nachbarland ist der MRSA-Keim etwa 15-mal weniger häufig
       nachweisbar als in der Bundesrepublik.
       
       Friedrich zufolge gab es in Nordrhein-Westfalen mit gerade einmal zwei
       Millionen mehr Menschen als in den Niederlanden im gleichen Zeitraum etwa
       40-mal häufiger MRSA-Sepsen - 1.000 statt 25. Das hat auch etwas mit dem
       Personalschlüssel bei den Pflegekräften zu tun: Kämen in seinem Klinikum
       auf einen Patienten eine Pflegekraft, muss hierzulande ein Pfleger oder
       eine Pflegerin rechnerisch über drei Patienten versorgen.
       
       Einig waren sich die rund zwei Dutzend Expertinnen und Experten bei der
       Anhörung, dass eine bessere Krankenhaushygiene zwar sicherlich mehr Geld
       kosten werde - dieses Geld aber recht schnell durch geringe
       Behandlungskosten wieder reinzuholen sei. Bernhard Egger vom Spitzenverband
       der Gesetzlichen Krankenversicherungen sagte, dass man "unterm Strich eher
       Geld sparen wird".
       
       Weitgehende Einigkeit herrschte auch, dass in Deutschland noch allzu häufig
       und zu lange Antibiotika verschrieben würden, wodurch sich immer mehr
       resistente Erreger bildeten. Wie andere Fachleute auch forderte Martin
       Exner von der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene, dass in
       Kliniken ab 600 Betten ein Hygienearzt angestellt werden müsse - andere
       meinten, dies sei ab 400 Betten nötig.
       
       ## Mehr Hygienefachkräfte
       
       Ein Gesetzentwurf der schwarz-gelben Koalition verlangt nun eine
       "verstärkte Durchsetzung krankenhaushygienischer Erfordernisse und
       Kontrollmaßnahmen". Demnach sollen die Bundesländer im
       Infektionsschutzgesetz "zum Erlass der erforderlichen Landesverordnungen"
       verpflichtet werden. Zudem soll beim Robert-Koch-Institut eine neue
       Kommission eingerichtet werden. Sie soll Empfehlungen aussprechen, wie
       Diagnostika und Antiinfektiva bei der Therapie resistenter
       Infektionserreger fachgerecht eingesetzt werden können.
       
       Die SPD-Fraktion fordert in ihrem Antrag von der Bundesregierung, das
       Infektionsschutzgesetz so zu ändern, "dass in allen deutschen Kliniken
       Fachärzte für Hygiene sowie Hygienefachpflegekräfte in ausreichender Zahl
       eingesetzt werden". Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen dringt auf "einen
       rationellen Einsatz von Antibiotika in der medizinischen Behandlung". Und
       noch etwas soll verschärft werden: die Vorgaben für die Verwendung von
       Antibiotika in der Tiermast.
       
       9 May 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Philipp Gessler
       
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