# taz.de -- Spanier demonstrieren in Berlin: Mit Mülltüten für bessere Perspektiven
       
       > Rund 500 Spanier demonstrieren am Brandenburger Tor gegen Filz, gegen
       > Arbeitslosigkeit und ein bisschen auch gegen die eigene Lethargie
       
 (IMG) Bild: "Nieder mit dem Kaputtalismus": Die Spanier bei m Sit in am Brandenburger Tor
       
       Sie sitzen im Kreis. Rund 500, meist junge und ausnahmslos Spanisch
       sprechende Menschen sitzen auf dem Pflaster des Pariser Platzes. Mittendrin
       steht ein kleines Pappschild: "Speak Corner", steht darauf. "Wir sind nicht
       gegen das System, das System ist gegen uns", ruft eine junge Frau. Dann
       reicht sie das winzige Megafon an den nächsten Redner weiter. Mal wird
       gesungen, mal geklatscht. Ein weißer Sack mit Euro- und Dollarzeichen
       darauf macht die Runde. "Democracia 2.0", "Revolution" und "Wir sind das
       Volk" steht auf den vielsprachigen Transparenten.
       
       In Spanien geht vor allem die Jugend auf die Straße. Seit gut einer Woche
       campieren Demonstranten auf dem zentralen Platz Puerta del Sol in Madrid.
       Sie fordern "echte Demokratie". Protestieren gegen Parteifilz, die Macht
       der Banken und hohe Arbeitslosigkeit. 45 Prozent der jungen Spanier haben
       keinen Job. Nun hat die Bewegung auch die Spanier in Berlin erreicht.
       
       "Dienstagabend haben wir mit ein paar Leuten im Görlitzer Park gesessen und
       überlegt, was man hier machen kann", erzählt Javier, der als Übersetzer in
       Berlin arbeitet. Am Donnerstag gab es die erste Demo. Über [1][Facebook]
       und Twitter wurden 250 Menschen zur spanischen Botschaft am Tiergarten
       mobilisiert. Sie bildeten ganz basisdemokratisch erst mal drei Komissionen:
       eine für weitere Aktionen, eine für Kontakte nach Spanien; eine für die
       Öffentlichkeitsarbeit hier in Berlin. Javier gehört jetzt zur Pressegruppe.
       
       Zum Brandenburger Tor sind am Samstag vor allem Spanier gekommen, die schon
       länger in Berlin leben. "Queremos trabajar no emigrar" steht auf einem der
       vielen Pappschilder, die in der Menge hochgehalten werden: "Wir wollen
       arbeiten, nicht auswandern." Doch das sei die Realität, erzählt Elisabetha.
       Sie ist Umwelttechnikerin, hat fünf Jahre Berufserfahrung. Aber seit 2006
       habe es in ihrer WG in Barcelona nur ein Thema gegeben, sagt die
       35-Jährige: "la crisis". Selbst Praktika bekomme man nur noch mit
       Beziehungen, manchmal müsse man dafür sogar zahlen. Nun versucht sich
       Elisabetha in Berlin - als Praktikantin.
       
       Alex, ein studierter, aber entlassener Minen-Ingenieur aus Galizien, ist in
       Berlin, um Deutsch zu lernen. Den Kurs bezahlt er von seinem
       Arbeitslosengeld. Das sei eigentlich illegal, sagt der 31-Jährige. Aber zu
       Hause sehe er keinerlei Perspektive. Juan Carlos, ein 23-Jähriger aus Jaen,
       studiert seit einem Jahr Wirtschaft in Berlin. Er plädiert für radikalen
       Systemwechsel. Wie genau der aussehen soll, weiß er wie viele hier auch
       nicht. Aber eines ist sicher: Nach Spanien zurück will er vorerst nicht.
       
       "Die Leute hier brauchen erst mal das Gemeinschaftserlebnis", sagt Natalia.
       Deshalb sei auch sie hier, sagt die 25-Jährige aus Valencia. Die jungen
       Spanier seien nicht ganz schuldlos an der Misere, meint sie selbstkritisch.
       "Denn niemand hatte bisher was dagegen gesagt." Natalia arbeitet in Berlin
       in einem Hostel. Das sei kein Traumjob, aber immer noch besser als in
       Spanien. Dort würden die meisten bis Anfang 30 bei ihren Eltern wohnen,
       weil die Mieten unbezahlbar seien, erzählt sie. In Berlin sei es auch nicht
       einfach, Arbeit zu finden. Aber immerhin seien die Lebenshaltungskosten
       sehr niedrig.
       
       Einer Papptafel ist zu entnehmen, dass sich mindestens ein Spanier mit der
       hiesigen Demoszene auskennt. "Ganz Madrid hasst die Polizei", hat er
       draufgeschrieben. Es ist die Abwandlung des neuen Lieblingsslogans linker
       Berlin-Demonstranten.
       
       Der Polizei am Brandenburger Tor ist das egal. Gerade mal zwei Beamte in
       blauen Uniformen sind vor Ort. Sie haben nichts auszusetzen. Im Gegenteil.
       Dass Demonstranten zum Schluss auch noch den Platz aufräumen, sei ja sonst
       nicht so üblich, sagt einer der Beamtem. Dann streifen sie noch ein wenig
       über den sich langsam leerenden Platz. Die Spanier wollen weitermachen. Ihr
       nächstes Treffen ist für Montag, 19 Uhr, geplant. Im Lustgarten. Auch weil
       dort gern die Touristen vorbeikommen.
       
       22 May 2011
       
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