# taz.de -- Die Wahrheit: Facebook, das Laberstromnetz
> Bevor jemand sagt: "Ja, dann meld dich doch ab!", erkläre ich hiermit an
> Eides statt: Klar, mach ich demnächst. Oder auch nicht...
...Wenn man eine Haltung zum Geruckel des Weltenlaufes entwickeln will,
kann man nicht immer abseits stehn, sondern muss sich mitunter auch mit
wackeligen Knien mitten hinein begeben. Sogar in die sogenannten "sozialen"
Netzwerke.
Da ich zu alt für Studi-, Schüler-, KiTa- und Krabbelgruppen-VZ bin, begann
für mich alles mit MySpace. Das gehört zwar dem reaktionären
Superkapitalisten Rupert Murdoch - einer Art australischem Axel Springer,
nur leider in lebendig -, hatte aber für mich einen großen Vorteil
gegenüber den Mitbewerbern, nämlich einen Inhalt.
Bei MySpace ging es eine Zeit lang hauptsächlich um Musik. Man konnte sich
von einer Bandseite auf die nächste klicken, skurrile
Indie-Folk-Garagenbeat-Bands aus Minnesota oder Wattenscheid entdecken und
so auf angenehme Weise Zeit verplempern. Dass nebenbei auch Menschen darum
baten, meine "Freunde" zu werden, war okay. Meistens war ich mit denen
schon im echten Leben befreundet, oder es waren interessierte Fremde, die
mal was von mir gelesen hatten. Auch so was freut den zur Vereinzelung
neigenden Autor mitunter.
Irgendwann stellte ich aber erstens fest, dass die meisten MySpace-Seiten
vollkommen unleserlich geworden waren, weil sich da jeder sein eigenes
Layout "designen" konnte beziehungsweise eben nicht konnte: Bei manchen
Seiten hatte man Angst, schlagartig zu erblinden ob der irren
Farbgestaltung, die man sonst nur auf Leggins aus dem "kik"-Sortiment
findet. Und zweitens: Plötzlich war niemand mehr bei MySpace, alle waren
bei Facebook.
Was meine echten Freunde und die anderen Menschen angeht, mit denen ich
mich dort höflich und sparsam austausche, verhält sich Facebook für mich
wie sein Vorgänger. Unspektakulär. Um Musik geht es leider kaum, was schade
ist. Schlimm aber ist der nie abreißende Laberstrom mancher Netzwerker. Was
treibt jemanden dazu, stündlich zu posten, wo er ist oder mit wem er sich
trifft? Am gruseligsten sind die in Büros arbeitenden Menschen, die
Facebook im Hintergrund laufen lassen, während sie schludrig ihrer
eigentlichen Arbeit nachgehen. Da kann man nur hoffen, dass es sich dabei
um "Trendforscher" oder Kulturjournalisten handelt und nicht um
Sicherheitsbeauftragte der Deutschen Bahn. Wenn dann aber im dritten
Fenster noch ein Nachrichtenportal geöffnet ist, wirds unterirdisch: Da
werden dann aus der Hüfte politische Kommentare in der Welt geschossen,
gegen die sogar Mario Barths Analysen der Geschlechterbeziehungen
philosophisches Niveau erreichen.
Ebenso unverständlich, aber im Vergleich harmlos, ist das Phänomen der
frisch verliebten Pärchen, die über ihre Facebook-Pinnwand miteinander
turteln. Filmen sich solche Leute auch beim Römpömpeln und laden das dann
bei YouPorn hoch? Was nur konsequent und vermutlich sogar unterhaltsamer
wäre. Taten sagen ja oft mehr als Worte.
25 May 2011
## AUTOREN
(DIR) Hartmut El Kurdi
## ARTIKEL ZUM THEMA