# taz.de -- Zeitungskrise in Rumänien: Permanenter Ausnahmezustand
       
       > Massenentlassungen, Mogulisierung, gegängelte Redaktionen – die
       > Pressefreiheit Rumäniens in Gefahr. Nicht durch den Staat, sondern durch
       > autoritäre Medienbesitzer.
       
 (IMG) Bild: Seltener Hoffnungsträger: das junge Magazin "Decât o revista".
       
       Die Nachrichten aus Rumänien sind mehr als Besorgnis erregend: 6.000
       Journalisten wurden seit Beginn der Wirtschaftskrise entlassen, über 60
       Zeitungen haben ihr Erscheinen eingestellt, die Auflagen der noch nicht
       eingegangenen, überregionalen Zeitungen sind dramatisch gesunken.
       
       Diese verheerende Bilanz einer sich im Umbruch befindlichen
       Presselandschaft veröffentlichte Anfang Mai die rumänische Organisation
       ActivWatch in Jahresbericht zur Lage der Pressefreiheit in Rumänien.
       
       Die Untersuchungsergebnisse sind katastrophal: Die Unabhängigkeit der
       Presse in Rumänien sei gefährdet, so die Schlussfolgerung. Nicht durch
       Gesetzgebung, die die Meinungsfreiheit einschränkt, sondern durch die
       Kontrolle des Markts durch wirtschaftliche und politische
       Interessengruppen. In diesem Zusammenhang ist von einer zunehmenden
       "Mogulisierung" der Presse die Rede, einer strikten Kontrolle der Medien
       durch ihre Besitzer.
       
       In den letzten zwei, drei Jahren wurden mehrere überregionale Zeitungen aus
       wirtschaftlichen Gründen einstellt. Die Zeitungen [1][Cotidianul] und
       [2][Gândul] erscheinen nur noch online und müssen durch den Verzicht auf
       den Großteil ihrer Mitarbeiter auch einen alarmierenden Qualitätseinbruch
       hinnehmen.
       
       Westliche Pressekonzerne, die in den neunziger Jahren versuchten, in
       Rumänien Fuß zu fassen, ziehen sich zurück. Eine der größeren
       überregionalen Tageszeitungen, [3][Evenimentul zilei], hängt zwar noch am
       Tropf des Schweizer Ringier-Konzerns, kündigte aber kürzlich redaktionelle
       Umstrukturierungen an. Mitarbeiter befürchten eine Entlassungswelle.
       
       ## Gefährliche Boulevardisierung
       
       Eine Folge dieses unaufhaltsamen Niedergangs der journalistischen
       Unabhängigkeit ist eine zunehmende Boulevardisierung der Medien. Zeitungen
       und Fernsehsender ähneln immer mehr einer publizistisch fragwürdig
       aufbereiteten Telenovela, bestehend aus einer Flut von hysterischen
       Berichten über tödliche Unfälle, Verbrechen und Katastrophen. Die
       rumänische Presse, schrieb kürzlich der Schriftsteller und Hochschullehrer
       Liviu Antonesei, vermittle den Eindruck als befände sich das Land in einem
       permanenten Ausnahmezustand.
       
       In ihrer inhaltlichen Ausrichtung sind die Blätter durchweg den
       wirtschaftlichen und politischen Interessen ihrer Besitzer untergeordnet.
       Einmischung in redaktionelle Angelegenheiten, Gängelung und Erpressung von
       aufmüpfigen Journalisten gehört auch zum Alltag all jener, die im
       Pressekonzern des Politikers und Medienmoguls Dan Voiculescu arbeiten.
       
       Voiculescu diktiert seinen redaktionellen Mitarbeitern bei der Zeitung
       Jurnalul National und seinen Fernsehsendern, was und wie sie zu berichten
       haben, gegen wen Pressekampagnen geführt werden sollen und welche Themen
       tabu sind.
       
       Einige Journalisten suchen inmitten dieser allgemeinen Untergangsstimmung
       voller Zuversicht nach Alternativen. Eine nennt sich [4][Decât o revista] –
       frei übersetzt: "Nur eine Zeitschrift". Das Magazin, das vor einem Jahr von
       jungen Journalisten gegründet wurde, soll eine Marktlücke schließen – all
       die Themen aufgreifen, die in anderen rumänischen Medien nicht zur Sprache
       kommen.
       
       Inzwischen ist die siebte Ausgabe erschienen, so Herausgeber Cristian
       Lupsa. Doch Decât o revista ist auf Werbung ihrer Sponsoren angewiesen.
       Bislang hat es keinerlei Einflussnahme auf den Inhalt der Zeitschrift
       gegeben, versichert Lupsa. Ob sich sein Magazin jedoch auch in Zukunft
       gegen den dominierenden Boulevardjournalismus durchsetzen kann, ist
       fraglich.
       
       1 Jun 2011
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://www.cotidianul.ro/
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 (DIR) [4] http://www.decatorevista.ro/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) William Totok
       
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 (DIR) taz.lab 2011 „Die Revolution haben wir uns anders vorgestellt“
       
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