# taz.de -- Die Suche nach den EHEC-Schuldigen: Reporterschwarm in Bienenbüttel
       
       > Ein Besuch vor den verschlossenen Toren des "Gärtnerhofs", von dem
       > tödliche Ehec-Sprossen kommen sollen: Es gibt wenig aktuelle Nachrichten,
       > dafür umso mehr Journalisten und ebenso ratlose wie hilfsbereite Anwohner
       > - eine Tagesbilanz.
       
 (IMG) Bild: Ein idyllischer Ort, fernab der agroindustriellen Massenproduktion: der Bio-Hof "Gärtnerhof" in Bienenbüttel bei Lüneburg.
       
       HAMBURG taz | Es ist ein bisschen wie früher, eine Ausfahrt ins Grüne.
       Rechts und links von der Straße liegen Wälder und Wiesen im
       frühsommerlichen Sonnenlicht. Die von den vergangenen Regenschauern noch
       feuchte Landluft trägt den drückenden Duft des Dungs besonders gut.
       
       Die letzten Meter zum "Gärtnerhof" in Bienenbüttel führen durch ein
       Nachbarschaftsidyll. Buntes Holzspielzeug in den liebenswert chaotischen
       Vorgärten deutet auf viele Kinder hin, die Anti-Atom Fähnchen auf
       umweltbewusste Anwohner. Und ausgerechnet in so einem Umfeld soll die
       Ehec-"Killersprosse" herangewachsen sein, wie der Boulevard sie getauft
       hat?
       
       Das kann hier niemand so recht glauben. Weder die Anwohner noch die
       Journalisten, die über die Vorkommnisse vor Ort berichten sollen - wenn es
       denn welche gibt. Dazu haben sie zahlreiche Übertragungswagen herangekarrt.
       Alle Großen sind da: NBC, Bloomberg, Reuters. Dazu Live-Schaltungen ins
       spanische, schwedische, russische, britische und französische Fernsehen.
       Print-Reporter bahnen sich ihren Weg durch Reflektorschirme,
       Kamerakonstruktionen und Radiomikrofone.
       
       Ab und an rollt ein Streifenwagen durch den Kabelsalat der TV-Sender und
       löst geschäftige Unruhe aus. Passiert etwas? Sind alle einsatzbereit? Doch
       es rührt sich nichts hinter dem metallenen Tor des Gärtnerhofs.
       
       "Und, seit wann bist du schon hier?", ist die gängigste Frage an diesem
       Montag auf den Streifzügen um den Hof. Manche ziehen schon seit dem frühen
       Morgen ihre Runden, andere sind sogar bereits seit Sonntagabend da und
       haben eine kurze Nacht in einer Pension im Nachbarort verbracht.
       
       Müde, fast resignierend schleichen sie nun über die holprigen Feldwege am
       eher symbolischen als funktionalen Drahtzaun entlang, um durch die groben
       Maschen vielleicht doch noch einen Blick auf den mutmaßlichen Herd des
       Übels zu erhaschen.
       
       Doch zwei Polizisten passen gut auf. Das Gras geht ihnen bis zum Bauch. Mit
       einer Zigarette im Mundwinkel erinnern sie ein wenig an Sheriffs im Wilden
       Westen. Am Sonntagabend mussten sie bereits besonders ambitionierte
       Journalisten vom Grundstück verjagen, für die der mannshohe Zaun kein
       Hindernis dargestellt hatte. Heute gibt es auch für sie weniger zu tun.
       
       Hinter ihnen erheben sich zwei gläserne Gewächshäuser, die in diesen Tagen
       besser bewacht scheinen als Fort Knox. Hier soll das Saatgut "aus Asien",
       wie alle tuscheln, angebaut und bewässert worden sein. Hier wurden die
       verdächtigen Sprossen abgepackt, von hier aus an Restaurants und Märkte
       geliefert. Und, soviel ist sicher: Besonders viele Menschen, die später an
       Ehec erkrankten, haben sie gegessen.
       
       Ob das im ursächlichen Zusammenhang steht und wie es zu einer
       Verunreinigung gekommen sein könnte, ist weiterhin unklar. Hygienische
       Vorschriften wurden auf dem Bio-Hof strengstens eingehalten, sagt eine
       ehemalige Mitarbeiterin.
       
       Eine Übertragung über Gülle ist kaum vorstellbar, denn "aus dem
       vegetarischen Gedanken, keine Nutztiere zu halten und zu töten, benutzen
       wir keine tierischen Düngemittel wie Gülle, Mist oder Horn, sondern setzen
       auf einen pflanzlichen Bodenaufbau". So nimmt der Gärtnerhof auf seiner
       Internetseite Stellung.
       
       Am Montagabend wurden weitere Proben genommen, doch Ergebnisse stehen noch
       aus. Die ersten 23 Proben waren negativ und auch in den Sprossen, die
       bereits zwei Wochen im Kühlschrank eines an Ehec erkrankten Hamburgers
       gelagert hatten, fanden sich keine Erreger.
       
       Die Hofbesitzer halten sich derweil bedeckt. Vielleicht ist es die Sorge
       vor einem Rufverlust. Und auch das Landwirtschaftsministerium will nicht
       einem erneuten Gurken-Trugschluss erliegen und die Landwirtschaft dadurch
       weiter schädigen.
       
       Doch dafür ist es schon zu spät. Egal wie die Ergebnisse ausfallen, der Ruf
       des Gärtnerhofs bleibt beschädigt, der der Sprosse im Allgemeinen auch.
       Dabei ist eine flächendeckende Desinfizierung des gesamten Geländes längst
       beschlossene Sache.
       
       Gegen Nachmittag ist immer noch nichts passiert. Die Reporter lassen sich
       erschöpft im Schatten der Bäume nieder. Manche packen Klappstühle und
       gekühlte Getränke aus. Andere bestellen Pizza - zum "Ehec-Hof". Alles
       erinnert an einen großen Klassenausflug. Bis auf die Polizeiwagen.
       
       Für die Nachbarskinder ist dieser Montag ein spannender Tag. "Sonst ist in
       Bienenbüttel nie was los. Heute ist alles total aufregend. Das kennt man
       sonst nur aus dem Fernsehen", sagt die elfjährige Gina. "Aber der Mann vom
       Hof tut mir leid. Er muss bestimmt seinen Laden schließen und wegziehen.
       Dabei kann er gar nichts dafür." Auch Nachbarin Hildegund Greve sieht das
       so: "Schlimm, was die jetzt durchmachen hier. Aber ich bin natürlich jetzt
       auch erstmal vorsichtig."
       
       Die Stunden verstreichen, die Luft flimmert und auch kurze Regenschauer
       schaffen kaum Erleichterung. Dafür sorgen ein paar Nachbarskinder, die auf
       ihren Fahrrädern kommen und Eiscreme und Wasser verschenken: "Garantiert
       Ehec-frei!", wirbt ein Junge. "Die armen Reporter", meint eine Frau. "Es
       passiert ja doch nichts heute. Und dann kommen die noch extra aus den USA
       hierher."
       
       Die Anwohner zeigen wesentlich mehr Interesse an den Journalisten als die
       Inhaber des Gärtnerhofs. Zwei Jungen kreisen scheu um eine Ansammlung von
       TV-Moderatoren und knobeln darum, wer nach der nächsten Unterschrift fragen
       muss.
       
       Nach knapp zwei Stunden haben sie schon 40 Autogramme erbeutet und
       zahlreichen Anekdoten gelauscht. Damit gehören sie wohl zu den wenigen
       Gewinnern des Tages, auch wenn sie bald von ihrer Mutter ins Haus gerufen
       werden: "Hier ist schon so viel los. Stört die Journalisten nicht auch noch
       bei der Arbeit!"
       
       Doch viel Arbeit gibt es heute nicht mehr. Eigentlich war es ein schöner
       Tag in Bienenbüttel. Nur für die Besitzer des Gärtnerhofs nicht, die
       unsichtbar bleiben.
       
       7 Jun 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Anna Wattler
       
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