# taz.de -- Der Grüne Spagat: Künast kritisiert SPD und will Grün-Rot
       
       > 100 Tage vor der Wahl lässt die grüne Spitzenkandidatin kein gutes Haar
       > am rot-roten Senat. Und verkündet, dass sie regieren will - mit den
       > Sozialdemokraten. Grün-Schwarz bleibt aber als Drohpotenzial.
       
 (IMG) Bild: "Klaus Wowereit ist ein charmanter Mann. Bei mir muss man halt zwei Mal hingucken, bis man es sieht", sagt Renate Künast.
       
       Eins ist Renate Künast dann doch ganz wichtig. Damit es da keine
       Missverständnisse gibt, eilt sie gleich nach dem Ende der Pressekonferenz
       noch mal zu den vor sich hin rätselnden Journalisten. "Sie haben schon
       verstanden, dass ich nichts ausgeschlossen habe?", fragt die
       Spitzenkandidatin der Grünen. Eine Koalition ihrer Partei mit der CDU
       bleibt also möglich. Theoretisch. Schon als Drohpotenzial. Damit sie sich
       bei Koalitionsverhandlungen mit der SPD nicht über den Tisch ziehen lassen
       müsse, sagt Künast. Denn nichts will sie lieber, als genau das:
       Koalitionsverhandlungen mit der SPD. Das hatte sie zuvor bei der
       Pressekonferenz erklärt: "Ich sehe die beste Basis in einer grün-roten
       Koalition - dafür trete ich ein."
       
       Exakt 100 Tage vor der Abgeordnetenhauswahl hatten die Grünen ins
       Chamäleon-Varieté am Hackeschen Markt eingeladen. Künast nutze den Showsaal
       zunächst für eine böse Abrechnung mit dem rot-roten Senat. Der sei
       "verbraucht und ausgelaugt". Die Koalition habe in zehn Jahren viel
       versprochen, aber nichts getan. Zwar habe sich Berlin in dieser Zeit
       atemberaubend entwickelt, meint die Grüne. Allerdings nicht wegen, sondern
       trotz des rot-roten Senats.
       
       Umgekehrt schob sie in bester Wahlkämpfermanier SPD und Linkspartei alles
       Schlechte in die Schuhe: etwa die "horrende Arbeitslosigkeit", den größten
       Ausgabenanstieg seit den 90er-Jahren, das Fehlen eines Klimaschutzgesetzes
       und die rasant steigenden Mieten. Zwar liegt die Arbeitslosenquote selbst
       in Berlin niedriger als noch bei Amtsantritt der Koalition vor neun Jahren.
       Und Ursache des kräftigen Wiederanstiegs der Landesausgaben ist die
       Weltwirtschaftskrise - die hätte selbst ein vollkommen unfähiger Senat
       nicht allein auslösen können. Aber im Wahlkampf gehört
       Über-das-Ziel-Hinausschießen ja fast schon zum guten Ton. Vor allem, wenn
       die eigenen Chancen gerade wieder sinken.
       
       Die beiden führenden Umfrageinstitute Forsa und infratest dimap hatten die
       Grünen zuletzt wieder 4 bis 5 Prozentpunkte hinter der SPD gesehen. Vor
       ein, zwei Monaten lagen beide noch gleichauf. Laut infratest sind die
       Grünen vor allem im Ostteil Berlins abgerutscht. Die Vermutung, dass sie
       mit ihrem neuen Statement potenziellen Grünen-Wählern die Angst vor einer
       Koalition mit der CDU nehmen wolle, wies Künast zwar zurück, letztlich gehe
       es bei Koalitionen aber immer um Inhalte. Aber da, betonte sie nochmals,
       sehe sie die besten Chancen in einer Koalition mit den Sozialdemokraten.
       
       CDU und SPD reagierten verhalten auf Künasts Worte. CDU-Spitzenkandidat
       Frank Henkel warf ihr ein "nervöses Hin und Her" vor. Es erhöhe ihre
       Chancen nicht, wenn sie "der abgewirtschafteten SPD zur Mehrheit verhelfe".
       SPD-Landeschef Michael Müller hingegen meinte, Künast reagiere offenkundig
       auf innerparteilichen Widerstand gegen Grün-Schwarz. "Ob das nun wirklich
       eine tragfähige Positionierung ist, weiß ich nicht."
       
       Vor allem muss sich zeigen, ob sich Künasts Spagat als tragfähig erweist.
       Um den Amtsinhaber Klaus Wowereit noch zu schlagen, muss sie ihren
       erkorenen künftigen Partner frontal angehen. Eine Position, die Künast gar
       nicht mag. "Spagat ist eine Grundhaltung, aber so kommen Sie nicht fort",
       hatte sie noch am Dienstag bei einer Veranstaltung in der Urania gesagt.
       
       Eins aber dürfte sicher sein. Die Vermutung, dass Künast mit dem halben
       Verzicht auf eine Zusammenarbeit mit der CDU innerlich schon ihren Anspruch
       aufs Rote Rathaus aufgegeben hat, ist falsch. Noch am Dienstag hatte Künast
       gesagt: Je länger sie sich mit Berlin beschäftige, desto mehr Lust habe sie
       bekommen, das Amt tatsächlich auszufüllen.
       
       10 Jun 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Gereon Asmuth
       
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