# taz.de -- Kommentar Wahl in der Türkei: Erdogans Platz in der Geschichte
       
       > Erdogan ist Wahlsieger, doch der angestrebte Durchmarsch zu einem
       > Diktator auf Zeit ist gestoppt. Bleibt eine Mission: die Lösung des
       > Konflikts mit den Kurden.
       
 (IMG) Bild: Der mächtigste Ministerpräsident, den die Türkei je hatte: Tayyip Erdogan.
       
       Tayyip Erdogan, der mächtigste Ministerpräsident, den die Türkei je hatte,
       hat es nicht geschafft, bei der Wahl am Sonntag eine verfassungsändernde
       Mehrheit für seine Partei einzufahren. Er hat zwar zum dritten Mal
       hintereinander gewonnen und nahezu jede zweite Wählerstimme für sich
       verbuchen können, doch sein angestrebter Durchmarsch zu einem Diktator auf
       Zeit ist gestoppt.
       
       Der heute 57-jährige Erdogan wollte zur Krönung seiner Laufbahn sich zum
       Präsidenten wählen lassen - vorausgesetzt, er kann das heute eher
       repräsentative Präsidentenamt per Verfassungsänderung zur Machtzentrale
       nach französischem Vorbild umbauen. Daraus wird nun nichts und Erdogan muss
       sich überlegen, was er nun mit seiner Macht anfängt.
       
       Die alten Eliten der kemalistischen Republik hat er geschleift, das Militär
       ist wohl endgültig entmachtet. Sein ursprüngliches Projekt, die Türkei in
       die EU zu führen, ist an der politischen Kurzsichtigkeit von Angela Merkel
       und Nicolas Sarkozy gescheitert. Erdogan ist aber die türkische
       Innenpolitik längst zu eng geworden. Da Europa ihn nicht haben will,
       versucht er es nun im Nahen Osten. Die Türkei soll die Führungsmacht
       zwischen Sarajevo und Kairo werden.
       
       Ob er angesichts der neuen Zusammensetzung des Parlaments noch die nötige
       Leidenschaft für eine neue Verfassung aufbringt, dürfte zweifelhaft sein.
       Es bleibt aber eine Mission, die ihn tatsächlich zu einer Art neuer
       Gründervater einer modernen Türkei machen würde: die Lösung des Konflikts
       mit der kurdischen Minderheit.
       
       Nichts hat der Türkei und den Menschen in der Türkei mehr geschadet als der
       blutige Krieg zwischen der Armee und den kurdischen Nationalisten. Erdogan
       hätte die Macht, diesen Krieg durch einen echten Kompromiss zu beenden.
       Damit hätte er auch einen Platz in der Geschichte.
       
       13 Jun 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jürgen Gottschlich
       
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