# taz.de -- Der heilige Vater kommt nach Deutschland: Papst, Bratwurst, Papst, Senf
       
       > Es ist lange bekannt, doch jetzt wird es ernst: Der Papst kommt nach
       > Deutschland und will uns alle belallen. Zu Hülf! Wie werden wir den
       > wieder los?
       
 (IMG) Bild: Grade noch in Tagreb, morgen schon... In Berlin wird Papst Benedikt XVI. am 22. September 2011 seinen Gottesdienst im Olympiastadion feiern.
       
       Die Kollegin links von mir plant schon an ihrer Bratwurstbude.
       "Mordsgeschäft", sagt sie. 3 Euro das Stück, das zahlt ein Katholik
       bestimmt, mit Senf, wenn der große Vater da ist und der kleine Hunger
       kommt. Ja, es ist wahr: Im September kommt der deutsche ältere Herr Joseph
       Alois Ratzinger, der von einigen vielen seit Jahren schon als 265. Papst
       verehrt wird, erstmals höchstoffiziell nach Deutschland zurück. Doch,
       Kollegin, darf man gläubige Christen dreist ausnutzen und frech abzocken?
       Muss man sie erdulden? Oder muss man sie vor allem fernhalten?
       
       Die Antwort ist nicht leicht und gleicht einem heiligen Dreiklang, der
       schon zu alttestamentarischen Zeiten von Belang war: Erst ertragen, dann
       beschimpfen. Und zum Schluss: verjagen.
       
       Ertragen, sicherlich, das müssen wir die pointenreiche Suche nach der
       heiligstmöglichen Bühne für Herrn Ratzinger in der deutschen
       Bundeshauptstadt. Denn nachdem ursprünglich das Brandenburger Tor für seine
       Visite im Gespräch war - aber da durfte ja schon Obama nichts sagen - und
       die Messe dann vor dem Schloss Charlottenburg stattfinden sollte, ist auch
       dieses einstmals hoheitliche Areal nun inadäquat geworden.
       
       Der Grund ist einfach: Gerade mal 40.000 Leute hätten Ratzinger dort
       huldigen können. Nachdem selbst Herbert Grönemeyer ("Bochum, ich komm aus
       dir!") zuletzt 55.000 Menschen ins Berliner Olympiastadion lockte und auch
       ein Idiot wie Mario Barth ("Primitiv, aber glücklich") mehr Anhänger
       findet, mussten die deutschen Katholiken nun nachlegen: Die Glaubensfeier
       wird deshalb nun in der Heimarena des zuletzt überzeugenden
       Fußballwiederaufsteigers Hertha BSC Berlin ausgetragen - weil im
       Olympiastadion bis zu 75.000 Menschen den warmen Worten des aus Marktl am
       Inn stammenden Mannes folgen können.
       
       ## Im Olympiastadion gibt es ein Bratwurstmonopol
       
       Das kann die unchristliche Hauptstadtbevölkerung erfreuen, weil es die
       öffentliche Belästigung durch umherschweifende Beweihräucherte schmälert.
       Meine Kollegin muss sich freilich ärgern: Im Olympiastadion gibt es ein
       Bratwurstmonopol.
       
       Doch langsam: Darf die allzu ökonomisch motivierte Erregung meiner Kollegin
       die moralische Würdigung des Events überlagern? Der kühle Kopf sagt: sicher
       nicht.
       
       Und so ist heute tragend zu verweisen auf die Abwehrkämpfe der aufgeklärten
       Gesellschaft, die gegen die Retroinszenierung der katholischen Welt nun
       jüngst wieder begonnen haben. Am eindrücklichsten versachlichte die
       evangelische Presseagentur epd die Wahl des Olympiastadions als Gebetsort
       in einer Meldung am Mittwoch.
       
       Dort wurde angemessen trocken in einem "Infokasten" die angedachte Rolle
       des Olympiastadions in der von den Nazis geplanten "Welthauptstadt
       Germania" eingeordnet: "Das Berliner Olympiastadion wurde im Auftrag Adolf
       Hitlers innerhalb von zwei Jahren für die Olympischen Sommerspiele 1936
       erbaut" - eine nüchtern-protestantische Anspielung auf die nicht immer ganz
       blütenweißen Erzählungen über den 1927 geborenen Herrn Ratzinger und seine
       politische Jugend als Flakhelfer in Bayern. Das sitzt in seiner betonten
       Trockenheit schon nicht schlecht.
       
       Auf etwas bildbetonteren Widerspruch bereiten sich hingegen die rund 30 vor
       allem schwul-lesbischen Gruppen vor, die im Mobilisierungsbündnis "Der
       Papst kommt!" (Fanpage: [1][www.derpapstkommt.de]) gegen die
       "menschenfeindliche Geschlechter- und Sexualpolitik des Papstes"
       anstänkern.
       
       Sie haben sich für den 22. September, während Ratzinger im Deutschen
       Bundestag vor Abgeordneten etwas sagen soll, erfolgreich das Brandenburger
       Tor als Protestschauplatz reserviert und wollen in der Stadt, in der der
       Kirchenhüter (Fanpage: [2][www.papst-in-deutschland.de]) von einem schwulen
       Bürgermeister begrüßt werden wird, stolze 40.000 Demonstranten auf die
       Straße bringen - um dort das Mittelalter aus dem Vatikan mit Dildos und
       Kondomen zu empfangen.
       
       Deutschsein, Schwulsein, Papstsein - all die an sich doch schon
       beantworteten Fragen einer vergessenen Aufklärung, bald haben wir sie
       wieder. Und wer schleppt sie an? Der Papst. Bei dem wollte meine Kollegin
       Bratwurst verkaufen? Ich habe, verdammte Sexualmoral, noch nicht mal einen
       Dildo. Aber der Kollege rechts von mir will jetzt Eier und Tomaten warm
       legen, für September. Und du, Kollegin: Bring wenigstens Senf mit!
       
       15 Jun 2011
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://www.derpapstkommt.de
 (DIR) [2] http://www.papst-in-deutschland.de
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Martin Kaul
       
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