# taz.de -- VERDORBENES ESSEN: "Eiersalate bei 17,5 Grad"
       
       > In 14 von 18 kontrollierten Netto-Märkten stellte der Bremer
       > Lebensmittelüberwachungsdienst "gravierende Mängel in der Produktkühlung"
       > fest
       
 (IMG) Bild: Keine Leckerei: Verdorbener Netto-Schokopudding.
       
       Der Griff zum Schokosahne-Pudding ist Benni T. ab sofort vergrault. Nachdem
       der 28-jährige Bremer vor ein paar Tagen den Aludeckel der vermeintlichen
       Leckerei geöffnet hatte, prangte ihm grüner Schimmel entgegen. Dieser
       Ekel-Alarm ist kein Einzelfall: Nach Verbraucherbeschwerden über
       verschiedene Netto-Supermärkte in Bremen stellte der
       Lebensmittelüberwachungsdienst in 14 von 18 kontrollierten Bremer
       Netto-Filialen "gravierende Mängel in der Produktkühlung" fest. Die
       Verbraucher hatten sich unter anderem über die Filialen Auf den Häfen und
       in der Gottfried-Meneken-Straße beschwert.
       
       "Von einem verantwortungsbewussten Handeln des Lebensmittelunternehmers
       kann nicht gesprochen werden", stellen die staatlichen Kontrolleure fest -
       und listeten gegenüber der Geschäftsleitung der Netto Marken-Discount GmbH,
       die seit 2005 zu Edeka gehört, konkrete Beispiele auf: Molkereiprodukte
       seien bei bis zu 17,8 Grad, Grillwürste bei 14,3, Garnelen bei 19 Grad und
       Eiersalate bei 17,5 Grad Celsius "statt der in der Regel vorgegebenen 7
       Grad" aufbewahrt und angeboten worden.
       
       Gelee von Sülzen im Glas habe sich verflüssigt und Schokolade "eine cremige
       Konsistenz" aufgewiesen. Dass diese im Sommer 2010 ermittelten Zustände nun
       an die Öffentlichkeit kommen, ist das Verdienst des ZDF: In der jüngsten
       Folge seines Magazins "Frontal 21" berichtete der Sender über die
       Kühlungsprobleme in Bremer Netto-Märkten. Da sich der Beitrag
       schwerpunktmäßig mit den äußerst massiven Mobbing-Vorwürfen von
       Netto-Mitarbeitern gegen ihre Vorgesetzten befasste, konnten die
       Lebensmittel-Probleme allerdings nur knapp umrissen werden.
       
       Im Briefwechsel zwischen Behörde und Netto-Geschäftsleitung, der der taz
       vorliegt, dokumentieren die Kontrolleure besorgniserregende Einzelheiten:
       Zwischen den Messdaten der geeichten Amts-Thermometer und denen der
       Netto-Thermometer wurden zum Teil "gravierende Unterschiede" festgestellt,
       aus der Art der Listenführung zur Temperaturkontrolle ergebe sich zudem oft
       der Verdacht, dass "der Haken ohne eine entsprechende Messung gemacht"
       worden sei. Des Weiteren hätten die aufgesuchten Filialen "in den wenigsten
       Fällen" den Nachweis erbringen können, dass Wareneingangskontrollen
       durchgeführt wurden.
       
       Insbesondere jedoch erboste die Prüfer offenbar die "kritikwürdige
       Umgehensweise mit Anordnungen der Mitarbeiter unserer Behörde": Bei
       Nachkontrollen sei aufgefallen, "dass beanstandete Mängel nur mit minimalem
       Aufwand und dadurch unvollständig beseitigt" worden seien. Trotz der
       Problemgespräche mit Filial- und Bezirksleitern haben man feststellen
       müssen, dass weiterhin "verdorbene Produkte" verkauft worden seien. Die
       Behörde betont: "Eine vertrauensvolle Zusammenarbeit ist daraus nicht
       abzuleiten."
       
       Unterm Strich bewiesen die Kontrolleure dennoch eine bemerkenswerte Geduld:
       Sie wiederholten ihre erstmals am 30. Juli 2010 vorgebrachten Beschwerden
       mehrfach gegenüber der Netto-Zentrale im bayerischen Maxhütte-Haidhof, ohne
       von dort eine auch nur entfernt als zeitnah zu bezeichnende Reaktion zu
       erhalten.
       
       Erst nach mehrmaliger Fristsetzung sah sich die Geschäftsleitung im April
       2011 zu einer inhaltlichen Antwort veranlasst. Dort stellt sie - in
       original Netto-Deutsch - fest: "Unsere täglichen Bemühungen wird das
       Einhalten der Temperatur sein, um den Endverbraucher keine gesundheitlichen
       Gefahren auszusetzen", hieß es wörtlich.
       
       Warum ließ sich die Behörde derart lange auf der Nase herumtanzen? Da die
       Unterbrechungen der Kühlkette während einer sommerlichen Heißphase
       festgestellt worden seien, sagt die Sprecherin des Bremer
       Gesundheitsressorts, habe nach deren Abklingen keine Gefahr im Verzug
       bestanden - und unbeantwortete Briefe könnten nicht mit Bußgeldern belegt
       werden.
       
       In diesem Sommer jedoch würden Netto-Lebensmittel zu den
       Kontrollschwerpunkten zählen.
       
       Für Benni T. ist das ein schwacher Trost. Vergangene Woche kam sein
       Mitbewohner mit einer Packung verschimmelten Toastbrots nach Hause. Es
       stammt, wie schon der Schokopudding, aus der Netto-Filiale an der
       Bismarckstraße/ Ecke St. Jürgen.
       
       Netto-Sprecherin Christina Stylianou verweist gegenüber der taz darauf,
       dass Waren "unverzüglich und ordnungsgemäß aus dem Verkauf genommen"
       würden, "sobald unsere Mitarbeiter defekte Kühlungen feststellen". Die von
       den Lebensmittel-Kontrolleuren monierten Zustände zieht die Sprecherin
       gleichwohl nicht in Zweifel.
       
       Die Bausubstanz der übernommenen Bremer "Plus"-Märkte habe im vergangenen
       heißen Sommer zu "Temperaturunregelmäßigkeiten" geführt. Netto habe
       "unmittelbar reagiert und teilweise Klimaanlagen nachgerüstet
       beziehungsweise neue Kühlmöbel installiert".
       
       19 Jun 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Henning Bleyl
       
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