# taz.de -- Ballack und Löw: Ein Leitwolf wehrt sich
       
       > Der Rosenkrieg zwischen Michael Ballack und Joachim Löw geht weiter.
       > Ex-Kapitän Ballack fühlt sich als Opfer. Aber ist er das wirklich?
       
 (IMG) Bild: Nun ist der Leitwolf traurig und enttäuscht: 2008 steht Michael Ballack (r) neben Bundestrainer Joachim Löw.
       
       Es hat lange gedauert, bis Michael Ballack die Rolle seines Lebens gefunden
       hatte: Kapitän der Nationalelf. Dabei hieß es doch lange Zeit, er sei gar
       kein echter Führungsspieler, fliehe vor Verantwortung. Als Schönling,
       Schnösel, Wohlstandsjüngling und Weichei wurde Ballack beschimpft, auch als
       einer, der keine Titel gewinnen kann.
       
       Die Vorwürfe ließen Ballack keine Ruhe. Der 34-Jährige arbeitete an sich
       und wurde ein Führungsspieler wie er im Buche steht. Der Schönling mutierte
       zum Macho. Aus dem Weichei wurde ein stahlharter Profi. Ballack hat
       regelrecht malocht für diesen Imagewandel. Und dann kommt ein Jogi Löw
       daher und schmeißt ihn mit ein paar warmen Worten aus der
       Nationalmannschaft.
       
       Das ist hart, offensichtlich zu hart für den Chemnitzer, der einst auszog,
       die große Fußballwelt zu erobern. Ballack will sich jetzt nicht mit einem
       Abschiedsspiel gegen Brasilien von der Bühne schieben lassen. Er hängt an
       der Rolle seines Lebens. Das erklärt auch die emotionale Reaktion auf die
       Ausbootung. Ballack greint wie ein kleines Kind, schickt seinen Anwalt vor
       und will partout nicht einsehen, dass seine Zeit abgelaufen ist.
       
       Er fühlt sich missverstanden und belogen, kurzum: als ein Opfer. In diesen
       Tagen wird er Kevin Boateng noch ein paarmal verflucht haben, jenen
       Spieler, der ihm kurz vor der WM mit einem schlimmen Tritt gegen den
       Knöchel den ganzen Schlamassel eingebrockt hat.
       
       ## Ein Mann von gestern
       
       Realistisch gesehen ist Ballack im Nationalteam ein Mann von gestern. Auf
       seiner Position stehen junge Profis, die ihr Geld bei Real Madrid oder
       Bayern München verdienen und die sich obendrein blendend mit Löw verstehen.
       Die Wachablösung ist längst vollzogen. Hochbegabte Kicker haben Ballacks
       Platz im defensiven Mittelfeld übernommen. Führungsspieler alten Schlags
       werden beim DFB eh nicht mehr gebraucht. Jetzt regelt ein kleiner
       Außenverteidiger die Dinge auf dem Platz. Philipp Lahm steht nicht im
       Zentrum des Spiels, er steht am Rande. Lahm ist kein Platzhirsch. Er ist
       ein Verwalter von flachen Hierarchien.
       
       Zu Lahms, Khediras oder Özils Vorzügen gehört auch, dass sie
       Nationalmannschaftsmanager Oliver Bierhoff nicht wutschnaubend als
       "Obertucke" bezeichnen und obendrein Gerüchte streuen lassen, die Führung
       der Nationalelf oder die Spieler selbst tummelten sich gerne mal am anderen
       Ufer. Ballack mit seiner ruppigen und indiskreten Art passt nicht mehr ins
       Gefüge des Teams, das war nach der WM in Südafrika eigentlich klar. Auch
       Jogi Löw muss erkannt haben, dass Ballack nur dann eine Chance auf Rückkehr
       hat, wenn er eine galaktisch gute Bundesligasaison spielt.
       
       Aber Ballack hat keine 20 Tore geschossen oder 15 Vorlagen gegeben, nein,
       seine Leistungen waren allenfalls durchwachsen. Hätte ihn Löw nicht
       trotzdem wegen seiner Verdienste wiedereingliedern müssen? Wohl kaum, aber
       er hätte ihn nicht so lange hinhalten dürfen. Löw hätte den Aufschrei der
       Entrüstung ignorieren und Ballack gleich nach der WM das Unvermeidliche
       mitteilen müssen. Das hätte für klare Verhältnisse gesorgt, jedoch von Löw
       eine charakterliche Verbiegung verlangt, zu der er nicht fähig ist.
       
       Der Bundestrainer hat diesen Konflikt verschleppt. "Man will immer so
       endgültige Aussagen von mir. Warum? Ich habe vor Länderspielen und
       Turnieren Zeit genug, mich zu entscheiden", hat Löw im Oktober des
       vergangenen Jahres gesagt - es ist ein Dokument seines Lavierens. Noch im
       Frühjahr hat er Ballack Mut zugesprochen. Er hat ihm falsche Hoffnungen
       gemacht. Verständlich, dass sich Ballack, der monatelang in einer
       Warteschleife steckte, übervorteilt fühlt.
       
       Aber wenn sein Zorn auf all jene verraucht ist, die ihm Krone und Zepter
       geklaut haben, dann wird ihm vielleicht aufgehen, dass das Angebot des DFB
       so schlecht nicht war: Ballack hätte sein Länderspielkonto auf die runde
       Summe von 100 bringen können und wäre unter dem Jubel der Fans
       verabschiedet worden. Aber wie es jetzt aussieht, hat sich Michael Ballack
       für eine Abschiedstour mit viel Tamtam entschieden, ganz nach dem Motto:
       Wenn ich nicht mehr mitspielen darf im Sandkasten, dann ziehe ich euch
       wenigstens ein Förmchen über die Rübe. Man wird sich gegenseitig wohl noch
       viel Sand in die Augen streuen.
       
       20 Jun 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Markus Völker
       
       ## TAGS
       
 (DIR) WM 2011 – Mixed Zone
       
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