# taz.de -- Kolumne Geräusche: Wie das Amen in der Kirche
> Wer nicht in die Kirche geht, zu dem kommt die Kirche nach Hause.
Beim Frühstück läuft, wie immer, das Radio. Und wie immer bei mittelhohen
bis hohen christlichen Feiertagen wird aus irgendwelchen Tempeln in Krefeld
oder Erfurt ein Gottesdienst übertragen. Diesmal wars Fronleichnam. Ich
höre da gerne zu, immer wieder.
Obwohl ich beim besten Willen nicht glauben kann - zumindest nicht daran,
dass ein kosmischer jüdischer Zombie, der sein eigener Vater war, mir das
ewige Leben schenkt, wenn ich sein Fleisch verspeise, sein Blut trinke und
ihm auf telepathischem Wege versichere, ihn als meinen Meister zu
akzeptieren, damit er meine Seele von einer teuflischen Macht befreit, die
dort vor Jahrtausenden hineingeraten ist. Weil eine aus der Rippe eines
Mannes geschnitzte Frau von einer sprechenden Schlange dazu überredet
wurde, die Frucht eines Wunderbaumes zu naschen. Umso vergnüglicher finde
ich es, wenn die Anhänger dieses irren Glaubens ihre Feste feiern - und ich
zuhören darf.
Ich mag nämlich dieses verschämte Geräusper und Gehuste im Hintergrund. Es
zeigt an, dass sich da tatsächlich eine Gemeinde eingefunden hat. Menschen
, deren Opel Meriva oder Ford Focus draußen im Nieselregen parken, mit dem
stilisierten Fisch am Heck. Menschen, die zuhause im Regal den
Quackelquatsch der tödlichen Margot Käßmann stehen haben, "Fantasie für den
Frieden", "Zur Geborgenheit finden", "Wurzeln, die uns Flügel schenken" und
wie sie alle heißen, diese wie auf Autopilot lieblos zusammengeflickte
Ratgeberpornografie "mit Herz und Zunge". Und doch mag ich die ungelenke
Inbrunst, mit der diese Leute ihre Lieder schmettern und den Hall, wenn die
Schallwellen durch das Kirchenschiff schwappen. Ich finde, ein wenig
Liturgie wirkt wie ein metaphysischer Brotaufstrich, das tut jedem profanen
Frühstück gut.
Leider kippt meine weihevolle Stimmung spätestens dann, wenn die
ausführende Fachkraft für Übersinnliches zu ihrer Predigt ansetzt. Dann
stimmt einfach der Ton nicht mehr, alles Feierliche weicht dem
Weinerlichen, und dann kommts knüppeldicke, und zwar - sinngemäß - nach dem
immergleichen Strickmuster: "Alle drei Sekunden stirbt auf der Welt ein
Kind an Hunger.
Hungern wir nicht alle nach Liebe, Zuneigung, Nähe? Der HERR aber stillt
unseren Hunger, wenn wir seinen Leib essen und sein Blut trinken", ihm also
seine Story abkaufen. Prompt schäume ich über: "Was für eine bo-den-lose
Unverschämtheit! Der Mann gehört nicht auf die Kanzel, sondern in eine
Zwangsjacke! Unsere drolligen Wohlstandswehwehchen mal eben metaphorisch
mit dem Tod durch VERHUNGERN kurzzuschließen! Wie KANN ein denkender oder
fühlender Mensch diese Scheiße einfach KAUFEN?
Ich verstehs nicht …" - "Ach, das ist wie mit Bob Dylan", sagt ungerührt
meine Liebe, "den verstehst du auch nicht". Da ist was dran. Wer auf den
Sound Gottes abfährt, fühlt sich darin wohl. Alle anderen müssen leider
draußen bleiben. So soll es sein.
Text: "An it aint no use to sit and wonder why, babe/ If you dont know by
now (Bob Dylan.
Musik: Wenn mein "Pinbot"-Flipper von Williams "I can see you" sagt.
23 Jun 2011
## AUTOREN
(DIR) Arno Frank
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