# taz.de -- Frauenfussball im Norden: Der erhoffte Boom
       
       > Sportliches und Standing: Wie ist es bei den Nord-Vereinen um die
       > Frauenmannschaften der Nord-Vereine bestellt?
       
 (IMG) Bild: Pokalfinale 2002: Birgit Prinz (r.) vom 1. FFC Frankfurt foppt die Hamburgerinnen Britta Carlson (l.) und Alexandra Gärtner. Das Spiel endete 0:5 aus Sicht des HSV.
       
       HAMBURG taz | Ambitionierter Aufstieg und jäher Sturz in Hamburg, Hoffnung
       machende Kunde aus Wolfsburg, nachhaltiger Aufbau bei Werder Bremen: In
       Sachen Frauenfußball, gibt es bemerkenswerte Unterschiede zwischen dem
       Hamburger SV, dem VfL Wolfsburg und Werder Bremen.
       
       HSV: Abgang der Stars 
       
       Auch diese WM wird wieder ihre Stars hervorbringen. Kim Kulig könnte einer
       davon sein. Dribbeln gelernt hat sie im Schwabenland, ihren fußballerischen
       Reifeprozess aber durchlebte sie beim HSV. Hier wurde sie zur Führungs- und
       schließlich A-Nationalspielerin.
       
       Kulig ist ein Paradebeispiel für die perspektivische Aufbauarbeit, die der
       HSV schon seit Jahren in der Frauenabteilung leistet. Achim Feifel, Trainer
       der ersten Mannschaft, kümmert sich intensiv um die Nachwuchsförderung und
       erreichte am Ende der vergangenen Saison, wovon kaum jemand zu träumen
       gewagt hatte: den vierten Rang der Frauen-Bundesliga. Bemerkenswert, wenn
       man bedenkt, dass die ersten drei Plätze der Eliteliga seit Jahren fest in
       der Hand von nur drei Vereinen sind.
       
       Wie schnell eine jahrelange Aufbauarbeit aber zunichte gemacht werden kann,
       zeigte sich kurz nach dem Saisonende. Gerade hatte die zweite Mannschaft
       des HSV überlegen die Meisterschaft der zweiten Bundesliga Nord gewonnen,
       da wurde den Frauen mittgeteilt, dass dies ihr letztes Spiel gewesen ist.
       Die Mannschaft wird zurückgezogen. Gleichzeitig verlautete, dass die Stars
       der ersten Mannschaft wie Ana-Maria Crnogorcevic oder Kim Kulig den Verein
       verlassen.
       
       Grund hierfür sind Etat-Kürzungen: Weil die männlichen Profis die
       internationalen Startplätze verpasst haben, wird jeder Cent benötigt - bei
       den Männern. So ist auch zu erklären, dass die 25.000 Euro Geldstrafe, die
       Torhüter Frank Rost nach einem Wutausbruch zahlen musste, nicht der
       Mädchen-Abteilung zukamen, sondern auf Weisung des Vorstands im
       Profibereich der Herren verblieben.
       
       Wölfinnen im Aufwärtstrend 
       
       Die Leistungsunterschiede im Frauenfußball werden während der WM wieder
       besonders auffällig sein. Ganz oben spielen drei oder vier Mannschaften,
       dann kommt lange Zeit nichts.
       
       In der Bundesliga ist das nicht anders. Die beiden Nordklubs spielten in
       den vergangenen Spielzeiten eher im Mittelfeld. Der HSV am oberen Ende, der
       VfL Wolfsburg am unteren.
       
       Das wird sich in der kommenden Saison wohl ändern. Die Wölfinnen dürften
       einen Aufschwung erleben und vielleicht sogar den Anschluss an die Spitze
       schaffen. Dafür sprechen die Neuzugänge: Conny Pohlers, Torschützenkönigin
       der vergangenen Saison, wird die Niedersachsen ebenso verstärken wie die
       Nationalspielerin Lena Goeßling. Ihre DFB-Kolleginnen Martina Müller und
       Verena Faißt sind schon da.
       
       "Wenn wir Sport machen, wollen wir Erfolg haben", sagte Geschäftsführer
       Thomas Röttgermann im Handelsblatt und gab damit schon mal die Marschroute
       für die Saison 2011/ 12 vor. Trainer Ralf Kellermann ist mit einer
       Kampfansage noch vorsichtig und will sich "erst nach den ersten
       Trainingseinheiten Mitte Juli auf ein Saisonziel festlegen". Der VfL, eine
       Tochter von VW, setzt in jedem Fall auf den aufstrebenden Frauenfußball
       nach der WM und hofft, damit auch für das Marketing eine Zielgruppe zu
       erreichen, die der Männerfußball nicht abdeckt.
       
       Ob die Bundesliga nach der WM mehr Zuspruch von der Öffentlichkeit erhält,
       ist unter Fachleuten umstritten. Als einziger Spielort der WM im Norden hat
       Wolfsburg gute Aussichten, vom erhofften Boom zu profitieren. Und wenn in
       der WM-Vorrunde alles nach Plan läuft, können die Fans die künftigen
       Wölfinnen schon mal in der Nationalmannschaft begutachten.
       
       Werder will sich Zeit nehmen 
       
       Als letzter der drei Nordvereine hat in der Saison 2007/ 2008 auch Werder
       Bremen die "Herausforderung Frauenfußball" angenommen. Einen ersten Versuch
       dazu gab es schon in den siebziger Jahren, als die Frauenmannschaft sogar
       um die Meisterschaft mitspielte, jedoch nach kurzer Zeit wieder aufgelöst
       wurde. Danach weigerte sich der Verein über Jahre, wieder eine Mannschaft
       anzumelden.
       
       Begründet wurde die Ablehnung immer wieder mit Platz- und Kabinenmangel.
       Als dieses Problem 30 Jahre später gelöst war, nutzten die Frauen ihre
       Chance gleich in der ersten Saison: mit einem Torverhältnis von 162:0 in
       der Verbandsliga. Der Aufstieg über die Regionalliga in die zweite
       Bundesliga folgte ein Jahr später.
       
       Doch da ist erst mal Schluss. Die vorsorgliche Meldefrist für die erste
       Liga haben die Verantwortlichen im März dieses Jahres verstreichen lassen.
       Werders Frauen schlossen die Saison zwar nur auf dem fünften Platz ab, ein
       Zeichen setzte diese Entscheidung aber trotzdem.
       
       Für den Verein ist es ein Zeichen der Nachhaltigkeit. Man wolle sich keinen
       Kader zusammenkaufen, sondern sich die Zeit nehmen zu wachsen. Für die
       Spielerinnen und manchen Kenner des Frauenfußballs ist es Sparen an der
       falschen Stelle, denn ohne Spielerinnen mit Erstliga-Erfahrung wird sich
       der Verein bei einem Aufstieg in den kommenden Jahren kaum halten können.
       
       In der vergangenen Saison ist auch die zweite Mannschaft in die
       Regionalliga aufgerückt. Mit dem Erfolg wächst der Druck von unten: Lange
       werden sich die Spielerinnen die Zurückhaltung des Vereins nicht mehr
       ansehen - Erstliga-Vereine sind in Hamburg und Wolfsburg schließlich nicht
       weit.
       
       26 Jun 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Anna-Lena Krampe
       
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