# taz.de -- Stuttgart 21 auf italienisch: Exportschlager Bahnprotest
       
       > Tunnel oder kein Tunnel? In der Nähe von Turin wollen wütende
       > Demonstranten ein Bauvorhaben der Bahn verhindern. Doch die EU macht
       > Druck auf Italiens Regierung.
       
 (IMG) Bild: Kamera… und Action! Proteste in Chiomonte am Montag.
       
       Proteste, Straßenkämpfe, Barrikaden: Tausende Bürger protestieren gegen
       2.000 Polizisten, die mit Gewalt eine Bahnhofsbaustelle verteidigen. Es
       kommt zu Kämpfen. Die Polizei setzt Tränengas ein. Die Demonstranten
       antworten mit Steinen, Knallkörpern, Stühlen – oder werfen jeden beliebigen
       anderen Gegenstand, den sie finden können. Die Polizei durchbricht die
       Barrikaden, die Gegner werden zersprengt. 25 Beamte und fünf Aktivisten
       werden verletzt.
       
       Diese Szene spielt nicht etwa in Stuttgart oder in Deutschland, sondern
       Italien. Genauer gesagt: in Chiomonte, einem kleinen Dorf in der Nähe von
       Turin. Doch der Adressat der Proteste ist in Chiomonte und Stuttgart der
       gleiche: Bürger wenden sich wütend gegen ein neues Bahnprojekt vor ihrer
       Haustür.
       
       Die Pläne, in Chiomonte einen Tunnel für die Hochgeschwindigkeitszüge (TAV)
       zwischen Turin und Lyon zu bauen, stammen noch aus den Neunzigern. Er ist
       Teil des europäischen Projekts "Ten-T 6", das den Bahnkorridor von Lissabon
       nach Kiew schließen sollte. Dafür soll in Chiomonte ein 7,5 Kilometer
       langer Tunnel gebaut werden – ein Verbindungsstück zu dem großen Tunnel,
       der 54 Kilometer weit durch die Alpen führt.
       
       ## Verheerende Umweltbelastung
       
       Seit Jahren gibt es heftige Widerstände dagegen. Die Protestbewegung "No
       TAV", die sich bereits 2003 formierte, kritisiert – ganz wie bei Stuttgart
       21 – die hohen Gesamtkosten und die verheerende Umweltbelastung.
       
       Schwere Auseinandersetzungen um die Trasse hatte es bereits in der
       Vergangenheit gegeben: Am 16. November 2005 marschierten 70.000 Gegner in
       einem Protestzug gegen das Projekt von Bussoleno nach Susa. 2006 versuchten
       sie, im Vorfeld der Olympischen Winterspiele in Turin, den Weg der
       Olympischen Fackel zu blockieren.
       
       Bislang haben die Gegner den Baustart verhindern können. Doch nun macht die
       Europäische Union Druck: Sie fordert, dass die Arbeiten an dem Tunnel bis
       Ende Juni beginnen – sonst werden Italien die EU-Finanzmittel in Höhe von
       671 Millionen Euro gestrichen, die Brüssel Rom und Paris für den Bau des
       Verbindungsstücks zur Verfügung gestellt hat. Darum bekräftigte Italiens
       Innenminister Roberto Maroni am Sonntag: "Diese Baustelle wird bis zum
       Donnerstag eröffnet, die Arbeiten gehen dann los".
       
       Doch obwohl ihre jüngsten Proteste niedergeschlagen wurden, gibt sich der
       Bewegungsführer Alberto Perino kämpferisch: "Wir haben einen Kampf
       verloren, nicht den Krieg."
       
       28 Jun 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Riccardo Valsecchi
       
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