# taz.de -- Nordkoreanische Fußballerinnen: „Sie wurden nicht verheizt“
       
       > Die Regisseurin Brigitte Weich hat nordkoreanische Spielerinnen
       > porträtiert. Ein Gespräch über Fußball, Drill, Klischees und
       > Emanzipation.
       
 (IMG) Bild: Die Nordkoreanerinnen nach der Niederlage gegen die US-Girls
       
       taz: Frau Weich, sind Sie ein Fan von Nordkorea? 
       
       Brigitte Weich: Absolut. Ich bin ein Fan des nordkoreanischen
       Frauenfußballs.
       
       Warum? 
       
       Weil ich die nordkoreanischen Spielerinnen lieb gewonnen habe. Durch mein
       Filmprojekt habe ich den Frauenfußball kennen gelernt. Das fing mit dem
       Asien-Cup 2003 an, wo sie gewonnen haben. Das war die Initiation.
       
       Als Insiderin können Sie uns doch bestimmt ein paar Geheimnisse über das
       aktuelle Team verraten, mal abgesehen vom spektakulären Blitzschlagunfall,
       über den Trainer Kim in dieser Woche berichtete? 
       
       Ich kenne ein paar Spielerinnen und Trainer Kim.
       
       Was ist der Trainer für ein Typ? 
       
       Ein netter. Natürlich tragen gerade die Trainer irrsinnig viel
       Verantwortung. Deswegen setzen sie sich manchmal eine Maske auf.
       
       Und sonst? 
       
       In Nordkorea gibt es eine sehr breite und professionelle Förderung des
       Frauenfußballs. Seit Anfang der neunziger Jahre. Da ist er aus dem Stand
       erfunden und stark gefördert worden. Unsere Spielerinnen im Film gehörten
       zu dieser ersten Generation. Das WM-Team, das jetzt antritt, wurde ja schon
       zweimal relauncht. Unsere Protagonistinnen sind Anfang dreißig. Die
       heutigen WM-Spielerinnen sind zehn Jahre jünger.
       
       … und werden als Botschafterinnen im Trainingsanzug in die Welt geschickt. 
       
       Natürlich befördert Sport Nationalgefühle. Man sagt den kommunistischen
       oder diktatorischen Staaten nach, dass sie viel über diese Schiene
       abhandeln, weil es sonst auch nicht viel gibt, wirtschaftlich, künstlerisch
       oder kulturell, womit man angeben könnte. Es geht um Erfolg, Ehre und Ruhm
       für die Nation.
       
       Entsprechend werden die Heldinnen des Frauenfußballs in Nordkorea gefeiert? 
       
       Da gab es eine totale Wandlung. Als unsere Spielerinnen angefangen haben,
       waren viele Eltern dagegen. Das war in der Gesellschaft überhaupt nicht
       hoch angesehen. Die Stadien waren leer. Es hat niemanden interessiert. Das
       hat sich jetzt geändert.
       
       Inwiefern? 
       
       Erstens ist es für eine Frau eine gute Karriere, Fußballerin zu werden. Das
       bringt Ehre und auch materielle Vorteile. Und zweitens hat sich die
       öffentliche Wahrnehmung verändert. Ich habe selber einmal in einem krachend
       vollen Stadion in Nordkorea gesessen. Und wenn die Spielerinnen nach einem
       erfolgreichen Turnier heimkommen, dann ist entsprechend plakatiert. Es gibt
       einen Triumphzug durch die Stadt. Spielerinnen werden auf der Straße nach
       Autogrammen gefragt.
       
       Werden die Spielerinnen politisch instrumentalisiert? 
       
       Das ist unvermeidbar. Alles ist politisch in Nordkorea. Es geht im Sport
       immer um die Nation. Wir sind Weltmeister. Das kennt man ja. In einer
       totalitären Diktatur tritt so eine Propaganda natürlich verstärkt auf.
       
       Sie sprechen immer von „Ihren“ Spielerinnen. 
       
       Sie gehören weder mir noch bin ich überhaupt Nordkoreanerin, aber über die
       Identifikation findet man zu einem Naheverhältnis. Ich freue mich mit
       ihnen. Sie sind sehr herzliche, zugewandte Menschen und fantastische
       Athletinnen. Es gibt natürlich eine große Fremdheit. Ich kann kein
       Koreanisch. In den ersten beiden Jahren lief der Kontakt mehr über die
       Mimik und den Augenkontakt. Aber Nordkorea hat mich im Sturm erobert. Über
       vier Jahre hat das Filmprojekt gedauert und sie waren immer offen und
       willig, an dem Projekt zu partizipieren. Sie haben mir ihr Land gezeigt und
       erklärt.
       
       Das hieß für Sie aber auch, dass Sie sich auf die Bedingungen der
       Nordkoreaner einlassen. 
       
       Ja. Die Bedingungen, unter denen man die Spielerinnen treffen kann, sind
       total reglementiert. Man kann sich dort nicht frei bewegen, alles wird
       beobachtet. Aber wir haben Nordkoreanerinnen sprechen können. Das kann ein
       normaler Tourist zum Beispiel nicht.
       
       In Ihrem Film wird deutlich, dass sich Nordkoreanerinnen mit einer
       Fußballkarriere durchaus emanzipieren können. 
       
       Es gibt in Nordkorea ein sehr konservatives Geschlechterrollenbild. Das
       fand ich erstaunlich, weil ich dachte, im Kommunismus sind alle gleich, was
       sich auch auf Frau und Mann bezieht. Aber es gibt so ein
       Kleinfamilien-Schema. Alle heiraten. Alle kriegen Kinder. Homosexuelle gibt
       es offiziell nicht. Und die Frau ist die sittsame, schöne Blume, wie man
       sie bei uns aus den sechziger Jahren kennt. In diesem Umfeld musste sich
       der Frauenfußball etablieren.
       
       Wurden die Spielerinnen arg gedrillt? 
       
       Für meine Spielerinnen war Fußball immer das Größte. Sie wurden nicht
       verheizt. Ich weiß, es gibt dieses Klischee. Keine von ihnen hat gesagt:
       Endlich muss ich nicht mehr Fußball spielen. Das war ihr Ding, obwohl es in
       der Gesellschaft eigentlich nicht vorgesehen war. Trotz dieser
       Implementierung von oben konnten die Spielerinnen ihren Lebenstraum
       verwirklichen.
       
       Den mussten sie aber aufgeben, als das Team die Qualifikation für die
       Olympischen Spiele in Athen verpasst hatte. Es wurde einfach so aufgelöst.
       Eine Strafmaßnahme. Was bedeutete das für die Spielerinnen? 
       
       Sie mussten in eine andere Rolle schlüpfen. Sie haben ihre Kostümchen
       angezogen, manche die Frisur verändert, deswegen wurden sie aber nicht zu
       einem Mäuschen. Sie sind weiter ihren Weg gegangen. Auch sehr
       selbstbestimmt. Zum Beispiel unsere Verteidigerin im Film heiratet einfach
       nicht. Das ist total ungewöhnlich. Ich glaube, sie ist die einzige
       unverheiratete Nordkoreanerin. Das muss man erst mal durchziehen. Alle
       anderen haben geheiratet und zum Teil auch ihre Karrieren danach im Fußball
       gemacht. Eine ist Trainerin geworden, eine Fifa-Schiedsrichterin. Sie haben
       nicht aufgegeben. Der Fußball hat ihnen die Kraft gegeben, ihr eigenes Ding
       durchzuziehen.
       
       Ist der Blick des Westens auf Nordkorea zu eindimensional, zu klischeehaft? 
       
       Das Bild von den hirngewaschenen Einheitsmenschen in dieser
       Operettendiktatur, die alle nur dem Führer nachrennen, hat mich
       herausgefordert. Ich habe gedacht: Das kann doch nicht sein. Ein Mensch ist
       ein Mensch. Mich hat die menschliche Note interessiert. Und tatsächlich
       habe ich ganz viel gefunden, ganz viel eigene Gestaltungsräume und sehr
       individuelle Gefühle.
       
       Haben Sie den nordkoreanischen Alltag nicht trotzdem als extrem merkwürdig
       empfunden? 
       
       Ja, aber sie kennen dort kein anderes Leben. Wir aus unserer Wohlstandswelt
       kommen dort hin und sagen: Was? Die haben kein Auto, keinen Lift, keine
       Heizung und kein fließendes Wasser? Keine Meinungs- und Pressefreiheit? Man
       muss aber auch sehen, dass sie nicht aus einem demokratischen Wohlstand in
       dieses Regime hineingefallen sind, denn vorher hat es eine unfreundliche
       Kolonialherrschaft gegeben. Sie richten sich ein Leben ein in einem für uns
       unlebbaren Regime.
       
       Und schotten sich ab. Auch bei der WM in Deutschland. Warum tun sie das? 
       
       Da treffen zwei Typen aufeinander, der Westler und der Nordkoreaner, die
       kulturelle Missverständnisse potenzieren. Ich habe es auch erlebt, dass vor
       uns die Türe zugeknallt wurde. Aber danach haben sich doppelt so viele
       Türen wieder geöffnet. Sicher, ein westliches Team würde hier noch eine PK
       mehr geben und da eine Frage mehr beantworten, aber Nordkorea ist anders.
       Sie entziehen sich den Verwertungsmaßstäben der hiesigen Presse, die nach
       den drei Wochen sowieso weiterzieht zum nächsten Event. Ich habe sie nicht
       als schroff und abwesend erlebt, im Gegenteil.
       
       1 Jul 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Markus Völker
       
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