# taz.de -- Kolumne Die B-Note: Sonne unterm Schirm
> Die Politiker wollen regieren, nicht posieren – und gehen bei der
> Frauenfußball-WM auf Distanz. Dafür schmeißt sich der Sport an die
> Politik ran.
(IMG) Bild: Fußball ist unser Leben: Merkel & Co. beim Eröffnungsspiel der Frauen-WM
Die Politik sucht den Glanz der großen Sportereignisse, keine Gelegenheit
wird ausgelassen, um sich im Licht der Sieger zu sonnen. Das ist doch so,
oder? War mal. Es ist Frauenfußballweltmeisterschaft, und Merkel & Co.
gehen auf Distanz, machen sich rar, wo es nur geht. Beim Eröffnungsspiel
war die Ehrentribüne voll, okay, da war nichts zu machen, das ließ sich nun
mal nicht vermeiden. Ansonsten: Politprominenz – Fehlanzeige. Stattdessen
ist Seriosität angesagt. Out dagegen: Kabinenfotos mit verschwitzten
SportlerInnenkörpern, die nur als Steilvorlagen für den politischen Gegner
dienen könnten. Wichtiger sind: Atomausstieg, Rettungsschirm,
Sicherheitsrat. Man will, momentan zumindest, regieren, nicht posieren.
Aber ganz so einfach funktioniert das nicht. Denn jetzt ist es umgekehrt
mal der Sport, der sich an die Politik ranschmeißt. Kleines Beispiel
gefällig? Nach dem Spiel der Deutschen gegen Nigeria am Donnerstag
verabredeten sich rund 70 WM-Volunteers, meldet das
WM-Organisationskomitee, zu einer „spontanen Grußaktion“ an ihre
Schirmherrin, Familienministerin Kristina Schröder, sowie deren neugeborene
Tochter Lotte Marie. Die Freiwilligen versammelten sich mit OK-Chefin
Steffi Jones zum Gruppenbild und hielten 28 Papierbögen mit je einem
Buchstaben hoch: „Herzlich willkommen, Lotte Marie“ lautete die Botschaft.
Auf dem Foto, das der DFB gestern fröhlich auf seine Website stellte, sieht
man erwachsene, demonstrativ lächelnde Menschen in roten Poloshirts, sie
scheinen glücklich, fast beseelt. Und erst auf den zweiten Blick versteht
man, dass es sich hier nicht um unschuldige Freude über die Geburt des
Kindes handelt, sondern viel mehr um einen subversiven Akt, einen Smartmob
allererster Güte, bei dem die kleine Lotte Marie ganz schamlos als
trojanisches Pferd benutzt wird. Und Frau Schröder fällt prompt darauf rein
und postet die Aktion gleich mal auf Facebook. Man wird sehen, ob die
frisch gebackene Mutter die Letzte sein wird, die sich doch noch ködern
lässt vom Sport. Denn der wirft jetzt die Angel nach der Politik aus.
Doch womöglich sagt diese kleine Anekdote gar nicht so viel über die
deutsche Politik aus, sondern viel mehr über den Frauenfußball und seinen
Status. Der, so scheint es, hat die Anbiederung nötig. Jedenfalls viel
nötiger als die von Männern betriebene Variante. Der Frauenfußball wirbt,
darüber darf auch der große Erfolg, den diese WM bisher hat, nicht
hinwegtäuschen, weiterhin um Aufmerksamkeit. Er ist es, der hier den Glanz
sucht, und sei es nur das fahle Licht, das von der Schirmherrin ausgeht –
die sich nicht einmal blicken lässt. Verständlicherweise, denn sie ist
schließlich gerade Mutter geworden.
Spannend wird es dann aber im nächsten Jahr. Dann ist Europameisterschaft.
Die der Männer. Dann wird man sehen, wer sich in Polen und der Ukraine auf
den Tribünen und in den Umkleidekabinen einfinden wird. Vielleicht ja Frau
Schröder. Und Lotte Marie feiert ihren ersten Geburtstag ganz lauschig im
Kreise der deutschen Nationalmannschaft. Und Mesut Özil bläst die Kerze
aus.
3 Jul 2011
## AUTOREN
(DIR) Dominik Wehgartner
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