# taz.de -- Aktienhändler über Börsengang von Facebook: "Ich würde keine Aktien kaufen"
       
       > Facebook ist eigentlich eine gute Investition, sagt der Aktienhändler
       > Andreas Herfort. Mit der Dotcom-Blase sei der jetzige Boom nicht zu
       > vergleichen. Doch engagieren will er sich trotzdem nicht
       
 (IMG) Bild: Facebook-Gründer Mark Zuckerberg freut sich: Er plant im ersten Quartal 2012 an die Börse zu gehen.
       
       taz: Herr Herfort*, Facebook soll mit 100 Milliarden Bewertung an den
       Aktienmarkt gebracht werden, viele fühlen sich an die Zeit der Dotcom-Blase
       erinnert. Sie auch? 
       
       Andreas Herfort*: Nein. Die Situation am Markt heute ist eine andere.
       Damals ließ sich jede Garagenfirma mit einer Homepage und ".com" im
       Firmennamen am neuen Markt listen, heute gibt es einen solchen Run auf den
       Markt nicht.
       
       Wie kam es vor über zehn Jahren zur Überbewertung? 
       
       Es gibt da einige Faktoren. Da war eine Internet-Aufbruchstimmung, das
       Gefühl, ein neues Zeitalter hat begonnen. Das ermöglichte es den Anlegern,
       über Onlinebroker kostengünstig am Aktienmarkt zu spekulieren. Davor haben
       die Banken einen Haufen Gebühren genommen, wenn man Käufe oder Verkäufe
       angeordnet hat. Mit dem Netz war der Zugang viel niederschwelliger. Der
       Hype war so groß, dass bei jeder Neuemission die Nachfrage um ein
       Vielfaches höher war als das Angebot an Aktien
       
       Was hatte das für Folgen? 
       
       Anleger haben blind unlimitierte Zeichnungsaufträge ihrer Bank gegeben,
       ohne auch nur die geringste Ahnung zu haben, an was für einem Unternehmen
       sie sich beteiligen. Es war egal, es ist ja sowieso alles gestiegen, und
       Banken haben teilweise großzügig Überziehungskredite für Zeichnungen
       eingeräumt.
       
       Und die Politik griff nicht ein? 
       
       Es gab eine sehr marktfreundliche Politik des billigen Geldes unter
       Clinton. Mit den Zinssenkungen war viel Liquidität im Markt. Und außerdem
       fühlten sich einige Experten befleißigt, die Stimmung weiter anzuheizen,
       angesehene Leute warben für Aktieninvestments. Das ist schon irre, wenn man
       sich die Empfehlungen von damals ansieht, sagen wir von André Kostolany.
       
       Der empfahl zum Beispiel die T-Aktie, die damals als Volksaktie an den
       Markt ging. 
       
       Das war sicherlich ein Knackpunkt. Manfred Krug war fortwährend im
       Fernsehen und hat erzählt, wie großartig das mit der Telekom-Aktie wird.
       Und Leute, die Börsengeschäfte eigentlich für Teufelszeug hielten, begannen
       zu spekulieren. Da fraß die Gier das Hirn. Auf jeder Party hat man seine
       Depots verglichen, jeder wollte dabei sein. So eine "Mein Haus, mein Auto,
       mein Boot"-Einstellung.
       
       Bis der neue Markt einbrach. 
       
       Sobald der Aktienmarkt zum Partygespräch wird, sollte man aussteigen. Die
       Bewertungsmaßstäbe waren damals absurd. Klassische Methoden galten als
       nicht mehr zeitgemäß. Bewertet wurden Dotcom-Unternehmen nach
       Seitenaufrufen oder anderen innovativen Kriterien. Es waren im wahrsten
       Sinne des Wortes Fantasiepreise.
       
       Und Facebook heute? Da werden Nutzer mit pauschal 200 Dollar pro Person
       angesetzt. Tatsächlich erwirtschaften Facebook nur einen Bruchteil. 
       
       Aber Facebook ist ja kein Hinterzimmer-Unternehmen, sondern erwirtschaftet
       tatsächlich Geld. Und der Bekanntheitsgrad ist enorm: Selbst Google hatte
       nicht diese Aufmerksamkeit, als es an die Börse ging. Das kann durchaus zur
       Folge haben, dass die Aktie blind gezeichnet wird. Andererseits können
       Märkte lange Zeit ineffizient arbeiten. Bei Google haben auch viele vorher
       befürchtet, die Aktie sei überbewertet, stattdessen ist sie im Preis
       gestiegen. Ich persönlich würde mir Facebook-Aktien nicht ins Depot legen,
       aber dass eine Facebook-Blase droht, halte ich für unwahrscheinlich.
       
       Gibt es momentan wieder diese überhitzte Stimmung, die vor zehn Jahren die
       Dotcom-Phase begleitet hatte? 
       
       Im Gegenteil. Die Stimmung ist verhalten und unsicher. Keiner weiß genau,
       wie es weitergeht. Das hängt mit der politischen Situation zusammen: die
       Euro-Krise, die horrende Staatsverschuldung der USA und der EU. Man sieht
       das an den steigenden Gold-, Silber- und Rohstoffpreisen und den niedrigen
       Zinsen. Momentan können Banken sich Geld zu null Prozent leihen, damit am
       Markt als sicher qualifizierte Staatsanleihen kaufen und Zinsen kassieren,
       die vom Steuerzahler aufgebracht werden müssen. So was geht nicht ewig gut.
       
       Warum nicht? 
       
       Die eigentlich Blase findet man momentan nicht am Aktienmarkt, sondern bei
       den Staatsanleihen. Und das liegt an dieser verantwortungslosen Politik.
       Selbst Hitler hat nicht so viele Schulden gemacht wie unsere
       Bundesregierung. Die Blase am Anleihemarkt könnte irgendwann platzen, wenn
       Investoren das Vertrauen in die Währung und die Politik verlieren. Das
       passiert jetzt schon: Bill Gross von Pimco, dem größten Anleihe-Investor in
       den USA, hat sämtliche US-Anleihen verkauft. Wenn der Staat keine Abnehmer
       mehr für seine Schuldtitel findet, bleibt als letzter Käufer nur noch die
       Notenbank. Dann werden Schulden mit der Notenpresse bezahlt. Das heißt:
       Inflation.
       
       11 Jul 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Frédéric Valin
       
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