# taz.de -- Kolumne Der entscheidende Unterschied: Aufruf zum Putsch
       
       > Nicht die Schiedsrichterinnen dieser Weltmeisterschaft sind schuld,
       > sondern ganz andere.
       
       Bevor wir uns zum zwanzigsten Mal über die WM-Schiedsrichterinnen
       echauffieren, gucken wir uns doch mal an, was männliche Pfeifen so alles
       verzapft haben. Da ist zum Beispiel Charles Ariiotima aus Tahiti, der 2004
       bei den Olympischen Sommerspielen von Athen einen
       Elfmeter-Wiederholungs-Rekord aufgestellt hat, gültig übrigens für beide
       Geschlechter.
       
       In der Partie zwischen Tunesien und Serbien-Montenegro ließ er den Elfer
       des Tunesiers Mohamed Jedidi fünfmal wiederholen, ehe der endlich zum 2:1
       traf. Zwei der fünf Fehlversuche konnte der serbische Torwart halten. Der
       Schiri hatte sich immer wieder daran gestört, dass Spieler zu früh in den
       Strafraum gelaufen waren.
       
       Da muss man doch sagen: So schlimm war die gestrenge Frau Melksham aus
       Australien gar nicht. Nur zwei Strafstöße hat sie zurückgepfiffen im
       [1][epischen Wettstreit der Brasilianerinnen mit den US-Girls]. Das ist im
       Grunde läppisch. Außerdem verhielten sich die Spielerinnen in Dresden
       wirklich mustergültig. Keine Rudelbildung. Kein Aufplustern und kein
       Mackertum.
       
       Selbst Hope Solo, der ein großer Moment gestohlen wurde, ruderte nur ein
       bisschen mit dem Armen und bedrängte die Schiedsrichterin allenfalls sanft.
       Bei den Männern hätte es in der gleichen Situation Tumulte gegeben, im
       Publikum großen Aufruhr, jedenfalls mehr als jene Pfiffe, die durchs
       Harbig-Stadion gellten. Aber was will man von Zuschauern erwarten, die
       Plakate mit „Schnetti“ und „Borsti“ aufhängen und die aus Gumtow, Goltern
       oder Heidelsheim anreisen, um das Stadion mit Wohlwollen und
       Eindrittelleidenschaft zu füllen.
       
       Ja, komisch ist das schon: Da können die Schiedsrichterinnen groben Unfug
       anstellen – und die Erregung stockt auf einem Niveau, das einer
       geschichtsträchtigen Fußballschlacht eigentlich nicht würdig ist. Das
       betrifft Publikum – und Spielerinnen. Wollen die es nicht anders? Können
       sie nicht? Ist es eine Frage der Prägung, gar des Testosteronspiegels? Oder
       findet der Putsch gegen den Referee nicht statt, weil man in der Nische des
       Frauenfußballs bisher alles einvernehmlich gelöst hat? Das mag vor 800
       Zuschauern gehen, aber jetzt ist Weltmeisterschaft mit 10 Millionen Leuten
       am Fernseher.
       
       Es muss ja nicht gleich so kommen, dass der Ultrablock Leuchtraketen
       abschießt und den Platz stürmt; dass man sich auf den Rängen schlägt und
       Hundertschaften der Polizei die Lage befrieden müssen. Aber ein bisschen
       mehr Aufruhr darf schon sein, liebe Mädels und Frauenfußballversteher!
       
       11 Jul 2011
       
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