# taz.de -- Kommentar Frauenfußball-WM: Ist doch super, oder?
       
       > Fußball soll schön sein? Unfug. Es geht um den Wettbewerb. Und der muss
       > knallen.
       
 (IMG) Bild: Der entscheidende, beglückende Moment: 0,2 Sekunden vor dem Ausgleichstreffer durch Wambach
       
       Kurz nach Ludwigslust auf der ICE-Strecke von Hamburg nach Berlin meckert
       er den Schaffner an. Sei es nicht sonst üblich, dass die Bahn die Resultate
       der WM per Zugmikrofon mitteilt? Warum denn ausgerechnet das Viertelfinale
       USA – Brasilien nicht?
       
       Der Zugchef reagierte, erstaunlich genug, mit einer halb gemurmelten
       Entschuldigung, man sei abgelenkt gewesen durch eine defekte Waggonheizung.
       Offenbar jedoch ist das Publikum dieser WM, und zwar unabhängig von
       Erwägungen, das Interesse ohne die deutschen Kickerinnen zu verlieren,
       angefixt von dieser Sorte Fußball: von Entscheidungen, bei denen am Ende
       eine Elf verloren hat und die andere gewonnen.
       
       So haben es auch die Dresdner Stadionzuschauer empfunden, so wird es an den
       Bildschirmen empfunden worden sein: Abby Wambach gegen Marta, die Amis
       gegen die Brasilianerinnen – was war das für ein tolles Spiel! In Wahrheit,
       gemessen an den Kriterien der Schönheit, war es ein wenigstens halblausiges
       Spiel. Irgendwie kullerten dauernd selbst kurze Pässe zur falschen, weil
       gegnerischen Spielerin, landeten reihenhaushohe Flanken im Aus und drohte
       die Schiedsrichterin durch ihr erratisches Pfeifen die Partie zu zerstören.
       
       In Erinnerung wird jedoch anderes bleiben, nicht die ästhetische Qualität
       der Begegnung. In den vergangenen gut zwei Jahrzehnten heißt es in
       nachgerade allen grundsätzlicheren Betrachtungen zum Fußball, auf Schönheit
       komme es an. Welch Missverständnis!
       
       Beim Fußball, beim Sport überhaupt geht es ausschließlich um Tabellen,
       Rangfolgen, Ergebnisse – und beim Fußball eben um Tore. Die handwerkliche
       Güte von Kombinationen oder etwa die Raffinesse von an einer Mauer
       vorbeigezwirbelten Schüssen aufs Tor: Das sind beim Fußball keine Werte an
       sich, sondern Variablen. Wenns dem Torerfolg dient, wenn es dazu beiträgt,
       am Ende das eine Tor mehr zu haben als die anderen!
       
       Insofern war das Spiel der USA gegen Brasilien eines der besten der
       vergangenen Jahre. Wie bei jedem Turnier, der Männer oder Frauen, gilt auch
       bei diesem der Frauen in Deutschland: Der Modus, dass nach einem Spiel die
       Elf der Unterlegenen nach Hause fahren muss, garantiert das, was jene, die
       zuschauen, am liebsten haben. Spannung nämlich – und stetig von der
       Hoffnung genährt, dieser elektrisierende Zustand werde einschließlich eines
       Elferschießens aufrechterhalten.
       
       Bei der Partie der Deutschen erloschen alle Wünsche auf Erlösung mit dem
       Schlusspfiff. Es wollte nicht nur kein Tor fallen, es waren auch keine
       Chancen zu erkennen. Anders im Spiel am Sonntagabend: Wambach erfüllte das
       Sehnen des Stadionvolks, das auf den Ausgleich zum 2:2 hoffte. Der Treffer
       der nachgerade orgiastisch sich freuenden Torschützin fiel so knapp vor dem
       Schlusspfiff, war so perfekt in die Inszenierung der Zeit gelegt, dass auf
       den Rängen der Rudolf-Harbig-Arena so etwas wie Euphorie fühlbar wurde.
       
       In diesem Jubel war endlich alle pädagogische Last von dieser WM genommen:
       Frauenfußball – super, oder? In diesem Treffer, der aus einer zerfahrenen
       Semifinalbegegnung eine packende Erzählung machte, weil alle Spielerinnen
       sichtlich den Eindruck machten, als sei ihnen nichts gleichgültig, und die
       Amerikanerinnen wirklich ihre Angriffslust lebten, lag das Geheimnis des
       Fußballs selbst enthalten.
       
       Es geht nicht um Männer und oder Frauen. Es braucht nicht den gutwilligen
       Ton der FrauenfußballbeförderInnen. Es geht nicht um Schönheit, Kraft und
       Athletik. Sondern um das eine Tor mehr.
       
       11 Jul 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jan Feddersen
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