# taz.de -- Streit der Woche: Braucht Deutschland eine Siesta?
       
       > Eine ausgiebige Mittagspause kombiniert mit einem Schläfchen entspricht
       > unserem Biorhythmus. Sollten wir dem nicht Rechnung tragen?
       
       Wenn im deutschen Hochsommer die Sonne ihren höchsten Stand erreicht, fühlt
       man sich wie in Spanien. „Ein Glück“, denkt der eisschleckende
       Freibadgänger. „Ein Pech“, denkt dagegen der Bürodeutsche, der bis in den
       späten Nachmittag hinein den Schweiß seiner Kollegen ertragen muss und
       heimlich die Südländer beneidet, die um diese Tageszeit traditionell das
       anscheinend Richtige tun und ihre Siesta halten. Wie verlockend ist dem
       Deutschen doch der Gedanke an ausgestorbene Gassen in mediterranen
       Gefilden, in denen nichts zu vernehmen ist als ein vereinzeltes Schnarchen.
       
       Das ist zumindest das Klischee, das wir von unseren südlichen Miteuropäern
       haben. Wird es zu heiß, legt man sich in die Hängematte und schlummert, bis
       es wieder angenehm ist. Die Realität sieht mittlerweile jedoch anders aus.
       Immer mehr Spanier müssen sich dem nordeuropäischen Arbeitsrhythmus
       anpassen und bis zum Feierabend durcharbeiten. Dagegen regt sich
       Widerstand. Der „Verein der Freunde der Siesta“ zum Beispiel kämpft für die
       traditionelle dreistündige Mittagspause. „Die Siesta ist eine gesunde
       Gewohnheit, die die Batterien wieder auflädt", sagt Andres Lemes, einer der
       vereinten Siesta-Freunde. Im vergangenen Jahr hatte der Verein eine
       Siesta-Meisterschaft in einem Madrider Einkaufszentrum veranstaltet. Der
       Puls wurde kontrolliert, um sicherzustellen, dass die Teilnehmer wirklich
       schliefen. Bewertet wurde die Liegeposition und die Lautstärke des
       Schnarchens - der Gewinner brachte es auf 70 Dezibel.
       
       Auch die Wissenschaft gibt den Pro-Siesta-Anhängern Recht. Zahlreiche
       wissenschaftliche Untersuchungen belegen: Der Mensch kann das Formtief, das
       ihn unweigerlich nach dem Mittagessen befällt, am besten durch ein
       gepflegtes Mittagsschläfchen umgehen. Schuld daran ist der menschliche
       Biorhythmus, der förmlich nach zwei statt nur einer Schlafpause pro Tag
       schreit. Auch deutsche Firmen passen sich diesem Phänomen zunehmend an. Als
       die Stadtverwaltung von Vechta im Jahr 2000 begann, den regenerativen
       Schlaf ihrer Mitarbeiter zu fördern, stand sie noch alleine da,
       mittlerweile stellen auch große Konzerne wie BASF, Opel oder Lufthansa
       ihren Mitarbeitern Räume zur Verfügung, in denen sie sich hinlegen und
       schlafen können.
       
       Wer jetzt sagt, die Deutschen sollen sich bloß nicht an den vermeintlich
       faulen Südeuropäern orientieren, dem sei gesagt, dass der gepflegte
       Mittagsschlaf auch bei den als fleißig geltenden Ostasiaten verbreitet ist.
       In Japan, wo der Inemuri, der Schlaf in der Öffentlichkeit, sogar während
       Arbeitskonferenzen zelebriert wird, ist es schon länger üblich, dass Firmen
       ihren Angestellten Plätze zum Schlafen anbieten. Auch in China und in
       Taiwan ist es verbreitet, dass nach dem Mittagessen erstmal die Lichter
       ausgehen und man nichts macht, als sich zu erholen.
       
       Was meinen Sie? Sollten wir an Nachmittagen die Aktenordner mit der
       Hängematte tauschen oder weiterhin in einem Rutsch bis zum Feierabend
       durcharbeiten? Anders gefragt: Braucht Deutschland eine Siesta?
       
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       12 Jul 2011
       
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