# taz.de -- Kolumne Fernsehen: Wie ein junger Gottschalk
       
       > Jürgen von der Lippe ist 63 und könnte mal ein ganz Großer der deutschen
       > Fernsehunterhaltung werden.
       
       Ebenso wie für seine Innovationsfreude, die in meiner letzten Kolumne
       Gegenstand einer Ode war, ist das deutsche Fernsehen ja für seine
       Nachwuchsförderung berühmt. Und so darf, nein, muss, man Sat.1 für den Mut
       beglückwünschen, dem 63 Jahre alten, bislang im WDR-Nachtprogramm
       versteckten Jürgen von der Lippe ("Was liest du?") eine Spielshow zur
       Primetime anzuvertrauen. "Ich liebe Deutschland" heißt das TV-Ereignis, bei
       dem ab heute jeweils zwei Prominententeams ihre patriotische Gesinnung
       unter Beweis stellen müssen.
       
       Hier zeigt sich übrigens auch wieder die geballte Kreativkraft hiesiger
       Produktionen: Promis im Wettstreit - das ist ja mal wieder eine rasend
       originelle Idee! Darauf muss man erst mal kommen!! Und so wirkt es ein
       bisschen naseweis, um nicht zu sagen: altklug, wenn von der Lippe im
       SZ-Interview kritisiert, dass Unterhaltung "heute ein Gremienereignis" sei:
       "Es sitzen 1000 Leute zusammen und rühren einen Brei."
       
       Sein anschließender Verweis darauf, dass Stefan Raab der letzte Moderator
       sei, "der noch machen kann, was er will", steigert die Aussage zur
       Unverschämtheit. Wie undankbar! So lang wie Stefan Raab muss man sich erst
       oben halten, Freundchen, dann kann man Ansprüche stellen!
       
       Wenn es von der Lippe allerdings gelingt, seine nassforschen Aufwallungen
       zu zügeln (und er seine komischen Hemden nochmal überdenkt), dann kann aus
       ihm noch ein ganz Großer der deutschen Fernsehunterhaltung werden. Sein
       erfrischendes Naturell, sein jugendlicher Witz erinnern an den frühen
       Thomas Gottschalk, der bewiesen hat, dass merkwürdige Kostümierungen kein
       Hinderungsgrund für eine steile Fernsehkarriere sein müssen.
       
       Bei der Konkurrenz startet heute "Es kann nur E1NEN geben" mit einem
       gewissen Oliver Geissen, dem neuen Hoffnungsträger von RTL. Da der Kölner
       Sender sich offenbar des Risikos bewusst ist, bei einem solchen
       Renommierprojekt einen weithin unbekannten Moderator einzusetzen, sind -
       durchaus nachvollziehbar - zunächst nur zwei Folgen der Show geplant, in
       der Promis - muss Zufall sein - Schwindler zu enttarnen versuchen. Wer
       jetzt an "Sag die Wahrheit" denkt, beweist damit nur seine Unfähigkeit,
       genau hinzuschauen, Nuancen zu erkennen.
       
       Doch es wäre falsch, hier nur das Privatfernsehen zu preisen. Auch ein
       öffentlich-rechtlicher Sender(verbund) wie die ARD setzt alles daran, nicht
       nur im eigenen Saft zu schmoren. Es ist ein Signal von großer Symbolkraft,
       dass "Duell im Ersten" mit dem Unterhaltungsdino Florian Weber aus dem
       Vorabendprogramm zu verbannen - zugunsten von "Drei bei Kai".
       
       Allein die Entscheidung, diese Quizshow nach dem Newcomer Kai Pflaume zu
       benennen, zeugt davon, dass man im Ersten noch viel vorhat mit dem
       Neuzugang. Gerüchten zufolge soll Pflaume bis Ende des Jahres insgesamt
       fünf Formate moderieren - auch im Hauptabendprogramm.
       
       Wie gesagt, es sind nur Gerüchte. Das kann keiner wollen - auch die ARD
       nicht. Pflaume zu verbrennen, wäre verheerend. Am Ende muss man noch auf
       Nachwuchs aus dem eigenen Haus zurückgreifen.
       
       14 Jul 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) David Denk
       
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