# taz.de -- Kampagne gegen Rüpelradler: Gereiztes Klima im Problembezirk
       
       > Im Prenzlauer Berg hängen wieder Protestplakate. Die anonymen Initiatoren
       > prangern darauf aggressives Radfahren an.
       
 (IMG) Bild: Die Besitzer dieser Räder sind nicht gemeint
       
       Martina läuft mit einem Kinderwagen auf der Kastanienallee entlang. Die
       hier jüngst aufgehängten Plakate im Bezirk findet sie berechtigt. Zu sehen
       ist darauf ein Piktogramm mit einem Radfahrer, der statt eines Kopfes eine
       Handgranate auf den Schultern trägt. Betitelt ist die Grafik mit den
       Parolen "Kampf den Kampfradlern" und "Rücksicht statt Vorfahrt". Allzu oft
       werde sie auf den Gehwegen aggressiv von Radfahrern überholt. Passiert sei
       zwar noch nie etwas, eine Belästigung stelle das Verhalten vieler Radler
       trotzdem dar, sagt sie.
       
       Es ist eng auf der Kastanienallee, wo besonders viele der Plakate hängen.
       Wegen Bauarbeiten wurden die Radwege hier auf die Bürgersteige umgeleitet
       oder sie verlaufen in der Mitte zweier Straßenbahnschienen. Thorsten nimmt
       die Plakate gelassen. Er fährt ein sogenanntes Fixie - ein Rad mit starrer
       Narbe, wie es für Bahnrennen vorgesehenen und auf der Straße verboten ist.
       Es hat keine Bremsen. "Konflikte gibt es im Verkehr nun mal überall", sagt
       er. Die versuche man zwar zu vermeiden - das klappe aber nicht immer. Von
       der Imbissbude "Alain Snack" gegenüber vom U-Bahnhof Schönhauser Allee aus
       hat man den Übergang vom Bahnhof zum Einkaufszentrum im Blick. Nur wenige
       Radler halten hier, wenn die Ampel auf Rot steht. Dennoch: "Übertrieben"
       nennt die Mitarbeiterin des Imbiss die plakatierte Kampfansage.
       
       Die Plakate haben in den letzten Tagen bundesweit für Aufsehen gesorgt.
       Selbst Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) hatte sich in die
       Debatte eingeschaltet: "Offensichtlich müssen viele lernen, dass sie nicht
       die Robin Hoods der Straße sind." Gelassener sieht der Pankower
       Bezirkstadtrat für Öffentliche Ordnung, Jens-Holger Kirchner (Grüne), die
       Aktion: "Ich würde das Ganze nicht zu hoch hängen." Es sei jedoch schade,
       dass die Plakate anonym aufgehängt worden seien. Für Lösungsvorschläge sei
       er bei diesem Thema schließlich immer offen.
       
       Der Prenzlauer Berg wird nicht zum ersten Mal von anonymen Plakataktivisten
       heimgesucht. Poster mit der Aufschrift "Wir sind ein Volk! Und ihr seid ein
       anderes. Ostberlin, 9. November 1989" oder "Schwaben raus!" richteten sich
       in der Vergangenheit speziell gegen Zuzügler aus den alten Bundesländern.
       
       Thorsten sagt, es verwundere ihn nicht, dass ausgerechnet hier im Berliner
       Szenebezirk solche Aussagen auftauchten. Andrej Holm, Dozent für Stadt- und
       Regionalsoziologie an der Humboldt-Uni, sieht das ähnlich: "Wir beobachten
       in Gebieten wie dem Prenzlauer Berg eine zunehmende Konkurrenz zwischen
       Gruppen mit unterschiedlichen Lebensstilen und Raumnutzungsansprüchen." Das
       Besondere daran sei, dass diese keinen sozialen Konfliktlinien folgten -
       "die finden statistisch inzwischen eher innerhalb der Mittelklasse statt",
       erklärt Holm.
       
       Auch Martina Schneider, stellvertretende Landesvorsitzende des Allgemeinen
       Deutschen Fahrrad-Clubs in Berlin, sieht die pauschalisierende Darstellung
       der Radfahrer in sozialer Hinsicht problematisch: "Fahrräder sind auch
       Mobilitätsmittel, die sozial unabhängig funktionieren", meint sie. Die
       Plakate würden damit auch sozial schwache Verkehrsteilnehmer, die sich kein
       BVG-Ticket leisten könnten, aus dem Straßenverkehr ausschließen. Vielmehr
       sei es der Prenzlauer Berg, in dem ein generell problematisches Klima
       herrschen würde - Konflikte zwischen Radfahrern und Fußgängern gebe es
       schließlich in der ganzen Stadt. Passend hierzu erinnert Kirchner an die
       Worte des Pankower Bezirksbürgermeisters Matthias Köhne (SPD): "Berlin ist,
       wenn die Schwaben vom Kollwitzplatz gegen soziale Verdrängung
       protestieren."
       
       15 Jul 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Werner Krause
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Fahrrad
       
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