# taz.de -- Zertifikate für Agrospit: Kahlschlag-Diesel ist jetzt bio
       
       > Europa regelt, was künftig als Ökosprit anerkannt wird. Und legitimiert
       > damit einen Markt zum Abholzen der tropischen Regenwälder, kritisieren
       > Umweltschützer.
       
 (IMG) Bild: Gerodete Palmölplantage in Indonesien.
       
       Die EU-Kommission hat sieben Zertifikate für Biokraftstoffe anerkannt. Nur
       die Treibstoffe, die eines der Siegel vorweisen können, werden in
       EU-Ländern künftig als umweltverträglich akzeptiert und gefördert.
       
       Die Kriterien stehen schon länger fest: Die Emission von Treibhausgasen
       muss im Vergleich zu Mineralöl im gesamten Produktionsprozess um mindestens
       35 Prozent niedriger liegen. Im Jahr 2017 steigt dieser Wert auf 50
       Prozent. Zudem dürfen die Agrotreibstoffe nicht von Flächen stammen, auf
       denen zuvor eine hohe biologische Vielfalt herrschte. Schutzgebiete sind
       damit tabu, ebenso wie Flächen, die viel Kohlenstoff binden - also Wälder
       oder kohlenstoffreiche Torfgebiete.
       
       In der Praxis dürfte die Umwandlung von Regenwäldern und Torfgebieten in
       Palmöl- oder Zuckerrohrplantagen durch das neue EU-Siegel kaum gebremst
       werden: Die Zertifikate werden nur dort verlangt, wo Bioenergie staatlich
       gefördert wird oder wo man Bioenergie auf nationale Klimaschutzziele
       anrechnet. Abseits dieser Märkte sind Handel und Einsatz von
       "Kahlschlag-Diesel", wie ihn die Organisation "Rettet den Regenwald" nennt,
       weiterhin zulässig.
       
       Zudem wird die indirekte Landnutzungsänderung vollständig ausgeblendet:
       Wird ein Acker, auf dem bisher Nahrungsmittel angebaut wurden, fortan zur
       Spritproduktion genutzt, kann der Treibstoff das Ökolabel der EU problemlos
       bekommen - unabhängig davon, ob im Gegenzug auf anderer Fläche Regenwald
       abgeholzt wird, um neue Ackerflächen für den Anbau der nun fehlenden
       Lebensmittel zu schaffen. "Die europäische Gesetzgebung geht an der
       Realität vorbei", klagt Gesche Jürgens, Waldexpertin der Umweltorganisation
       Greenpeace. Denn berücksichtige man die indirekten Landnutzungsänderungen,
       seien pflanzliche Treibstoffe klimaschädlicher als fossile Kraftstoffe.
       "Agrosprit ist der falsche Weg", sagt Jürgens, "nötig sind verbrauchsärmere
       Autos und alternative Verkehrskonzepte."
       
       Eine neue Greenpeace-Studie zeigt die heutige Dimension des Problems. Die
       Umweltschützer hatten Sprit von 92 europäischen Tankstellen in neun Ländern
       analysiert. Der beigemischte Biodiesel enthält bis zu einem Drittel Palmöl.
       Autofahrer würden so beim Tanken zur Zerstörung der letzten Urwälder
       beitragen, schreibt Greenpeace - weil die Öle von bisherigen Äckern
       stammten, würden in Indonesien und Brasilien nun Urwälder für den
       Lebensmittelanbau gerodet. Deutschland lag mit je 8 Prozent Palm- und
       Sojaöl im Mittelfeld.
       
       19 Jul 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Bernward Janzing
       
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