# taz.de -- Sonntaz-Gespräch mit Per Olov Enquist: "Ich habe keine Angst vor dem Tod"
       
       > Per Olov Enquist im sonntaz-Gespräch über die Neuauflage seines Romans
       > "Die Ausgelieferten", das Altwerden und die Kunst, kein Alkoholiker mehr
       > zu sein.
       
 (IMG) Bild: Ist mittlerweile ganz nüchtern: Schriftsteller Per Olov Enquist.
       
       Dieser schwedische Autor ist der erfolgreichste seines Landes – jenseits
       des Krimingenres, das von Autoren wie Henning Mankell oder Stieg Larsson
       beherrscht wird: Per Olov Enquist, Jahrgang 1934, hat in zahllosen Romanen
       – auch – die Wirren der europäischen Zivilisierung im blutigen 20.
       Jahrhundert geschildert. Persönlich hat er in dem Buch "Ein anderes Leben"
       in Memoirenform sein Leben ausgebreitet – auch die Zeiten der Qual, seinen
       Kampf gegen seine Alkoholsucht.
       
       Im sonntaz-Gespräch bemerkt er trocken zu seiner inzwischen fast
       zwanzigjährigen Zeit als Nichttrinkender: "Ich benenne mich – ganz
       nüchtern." Alkohol existiert für ihn quasi nicht mehr – gleichwohl in
       seiner Küche eine Flasche Weinbrand steht. Aber aus der nehme sich seine
       Frau hin und wieder nach der Arbeit einen Schluck, er, Enquist selbst,
       interessiere sich dafür nicht. Alkohol passe nicht in seine "Identität",
       wie er sagt, er lasse sich vom Stoff nicht beherrschen. "Ist das eine
       Lüge?" fragt er sich selbst. Und antwortet: "Okay. Dann sage ich, es ist
       völlig okay, wenn ich über meine Identität lüge. Aber es klappt."
       
       Die längst fällige, durch den Hanser-Verlag besorgte Wiederveröffentlichung
       seines vermutlich politischsten Romans, "Die Ausgelieferten", begrüßt er
       heftig. Es war, so sagt er, eine Zeit der Jugendlichkeit – als ihm alle
       Welt in seiner Heimat fast abriet, diese heftige Episode aus der
       schwedischen Geschichte der Nachkriegszeit nachzurecherchieren – und genau
       zu rekonstruieren: Die Auslieferung von 146 lettischen Soldaten, Angehörige
       der Waffen-SS, wenngleich teilweise für diese zwangsrekrutiert, die sich
       über die Ostsee, vor der Roten Armee fliehend, nach Schweden flüchteten.
       
       Schweden, kriegsneutral, hatte viele Flüchtlinge aufgenommen, und sehr
       viele wieder, vor allem Deutsche, nach dem Ende des Nationalsozialismus
       wieder nach Hause geschickt. Aber Menschen aus dem Baltikum fanden Asyl in
       Schweden – nicht jedoch diese 146 Männer. Enquist hat nicht allein in einer
       Fülle von Gesprächen mit der sozialdemokratischen Nomenklatur jener Jahre
       deren Schicksal ermittelt, sondern wollte auch herausfinden, wie es den
       Ausgelieferten in der damaligen Sowjetunion erging.
       
       Dieser Roman ist ein fein recherchiertes Stück Nachkriegsgeschichte Europas
       – und Enquist hat ihn aufgeschrieben.
       
       Im sonntaz-Gespräch sagt er, die Vergangenheit aufzuarbeiten in Lettland,
       Litauen oder in Estland, die Kollaborationen mit den Nationalsozialisten,
       sei nicht seine Aufgabe gewesen, das müssten Autoren und Historiker von
       dort selbst ins Werk setzen. Was ihn damals umtrieb war, über Klischees und
       politische Mutmaßungen hinaus genau zu bleiben.
       
       23 Jul 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jan Feddersen
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Krimis aus Schweden: Tolle neue Verbrechen
       
       Die studierte Politologin Kristina Ohlsson schreibt Krimis voll
       spannungsreicher Tiefe. Soeben ist der dritte Fall der Autorin erschienen.
       
 (DIR) Kinderbuch von Per Olov Enquist: Pipi-Kacka-Witze vom Klo
       
       Ein neues und ein wieder aufgelegtes frühes Buch laden dazu ein, das
       Gesamtwerk des schwedischen Großschriftstellers Per Olov Enquist näher zu
       betrachten.
       
 (DIR) "Ein anderes Leben" von Per Olov Enquist: Schnitte ins Fleisch
       
       Sehr schonungsloser Lebensroman: der große schwedische Erzähler Per Olov
       Enquist und seine Autobiografie "Ein anderes Leben".