# taz.de -- Fußball-Erstligisten: Jetzt geht wieder alles von vorne los
       
       > Wie steht es, kurz vor Saisonbeginn, um die vier Nord-Clubs Werder
       > Bremen, den HSV, Hannover 96 und den VfB Wolfsburg? Ein Überblick.
       
 (IMG) Bild: So sieht es aus, das amtlich abgesegnete Spielgerät. Nun gilt's, erfolgreich damit umzugehen.
       
       Werder Bremen: Schlagzeilen im Sommerloch 
       
       Es gibt keinen vergleichbaren Fall, dass eine Mannschaft so belastet in die
       Saison geht", sagt Werder Bremens Edel-Fan Rudolf Hickel. "Es scheint ja
       fast vorprogrammiert, dass die Saison wieder nicht gut wird", sagt der
       Ökonom.
       
       Leere Kassen, Ränkespiele zwischen Aufsichtsrat und Geschäftsführung, eine
       dauerverletzte Abwehrkette, die weiche Leiste des Hoffnungsträgers Ekici,
       Abwanderungsgedanken bei Wiese, Marin und Pizarro: Die Depression, die
       Werder im letzten Jahr schleichend befiel, ist durch den erfolgreichen
       Abstiegskampf nicht verflogen, sondern chronisch geworden.
       
       All das regelt der Verein nicht in der jahrzehntelang geübten Ruhe und
       Gelassenheit. Sondern er liefert die Schlagzeilen fürs Sommerloch, für die
       früher Schalke oder der HSV zuständig waren. Die Äußerungen von
       Aufsichtsratschef Willi Lemke, Trainer Thomas Schaaf und Geschäftsführer
       Klaus Allofs lesen sich teilweise so, als würden jetzt schon "Schwarze
       Peter" für den Fall verteilt, dass wieder nur Mittelmaß drin ist.
       
       Die schwache Außendarstellung nutzt Ex-Präsident Jürgen L. Born, um alte
       Rechnungen mit Lemke zu begleichen. "Das ist kein Hauskrach, das ist eine
       griechische Tragödie", sorgt sich nicht nur Hickel.
       
       Dabei zeigt der neue Kader, dass mit dem versprochenen sportlichen Umbruch
       ernst gemacht wird: Mit Papastathopoulos, Schmitz und Trybull wurden gute
       junge Leute verpflichtet, Ekici könnte Werders Spielmachertradition
       fortsetzen, die talentierten Eigengewächse Trinks und Thy trumpfen in der
       Vorbereitung auf.
       
       Wenn dazu Wesley und Arnautovic endlich ihr Leistungsvermögen abrufen,
       Mertesacker und Pizarro bald wieder fit sind und von weiteren schweren
       Verletzungen verschont bleiben, könnte der 13. Platz aus der Vorsaison ein
       einmaliger Ausrutscher bleiben.
       
       Das sind allerdings ein paar Wenns zu viel für eine Mannschaft, die
       unbedingt einen europäischen Wettbewerb erreichen muss, um bezahlbar zu
       bleiben. Misslingt das, sind Ende der Saison nicht nur Mertesacker, Wiese,
       Marin und Pizarro weg, sondern auch Schaaf und Allofs, deren Verträge
       auslaufen. Kommt Werder aber wieder unter die ersten fünf, sollten alle
       Unkenrufer Thomas Schaaf persönlich auf den Trainerolymp tragen.
       
       Unklare Verhältnisse beim HSV 
       
       Dies ist nur ein Zwischenbericht, denn noch ist beim Hamburger SV vieles
       unklar. Etwa wer in der Innenverteidigung spielt, da Jeffrey Bruma, 19
       Jahre, ausgeliehen vom FC Chelsea, an der Achillessehne verletzt ist. Links
       ist Dennis Aogo gesetzt, er hat Marcell Jansen verdrängt, rechts spielt
       Dennis Diekmeier, der Guy Demel verdrängt hat. Es kann sein, dass Demel und
       Jansen den Verein verlassen. Sie haben Zeit bei Ende August.
       
       Unklar ist auch, wer das defensive Mittelfeld bildet: Spielt Bruma neben
       seinem Kumpel Michael Mancienne, 23, ausgebildet beim FC Chelsea,
       Vierjahresvertrag beim HSV, rückt Heiko Westermann ins Mittelfeld. Und
       schiebt dort entweder David Jarolim aus dem Team, einen der wenigen älteren
       Spieler, der nach dem Umbruch noch da ist (was nicht alle Beobachter
       verstehen), oder Gojko Kacar.
       
       Klar scheint, dass HSV-Trainer Michael Oenning zwei defensive
       Mittelfeldspieler haben will, drei offensive davor und einen Stürmer. Links
       im Mittelfeld Eljero Elia, rechts Gökhan Töre, 19, geboren in Köln,
       ausgebildet beim FC Chelsea, Dreijahresvertrag beim HSV. Romeo Castelen ist
       noch nicht fit, Jacopo Sala, 19, verletzt.
       
       Oenning brachte im zentralen offensiven Mittelfeld Änis Ben-Hatira, der HSV
       sucht noch einen Spieler für diese Position und würde gerne Per Skjelbred
       holen, 24, derzeit noch bei Rosenborg Trondheim. Und noch lieber Nicklas
       Bendtner, 23, Däne, vom FC Arsenal an den FC Birmingham ausgeliehen.
       
       Früher, als der HSV Geld hatte, fehlte das Know-how, heute ist mit
       Sportchef Frank Arnesen Know-how da - aber kein Geld. Um Meister zu werden,
       muss alles passen.
       
       In den Vorbereitungsspielen stürmte Son Heung-min, 19, der, wie in der
       vergangenen Saison, eine gute Frühform hatte. Mladen Petric ist noch nicht
       fit, Paolo Guerrero kickte, ziemlich erfolgreich, bei der Copa América für
       Peru: am Samstag gegen Venezuela um Platz drei. Es ist nicht klar, wer im
       Tor steht, denn Jaroslav Drobny fiel aus und Tom Mickel hielt gut.
       
       So ist unklar, ob es eine schwere Saison wird. Manche sprechen von einer
       "Wundertüte" und das erste Spiel ist auswärts gegen Dortmund.
       
       Allerbeste Ausgangslage für Hannover 96 
       
       Er kann nicht anders. Das Lächeln von Präsident Martin Kind bleibt ein
       kontrolliertes. Auf Hannover 96 wartet eine schöne Saison mit DFB-Pokal,
       Bundesliga und Europa League zugleich. Dass für den Ligaalltag schon mehr
       als 23.500 Dauerkarten verkauft worden sind, krönt den überragenden 4.
       Tabellenplatz der vergangenen Spielzeit.
       
       Trotzdem setzt Kind, im richtigen Leben ein erfolgreicher Kaufmann, gleich
       die nächsten Ziele: "Wir haben noch einen langen Weg vor uns", sagt der
       67-Jährige, der Hannover 96 trotz finanziell eher bescheidener
       Möglichkeiten auf Dauer zu einer Marke des bezahlten Fußballs machen will.
       
       19 Jahre Abstinenz im internationalen Geschäft machen neugierig. Die
       Vorfreude der Fans auf die Auslosung des 96-Gegners in der Europa League am
       5. August ist mindestens so groß wie der Heißhunger auf die neue Saison.
       
       Trainer Mirko Slomka darf bei dem Versuch, dem Höhenflug in der Tabelle
       keinen Absturz folgen zu lassen, auf erstaunlich Solides zurückgreifen. Vom
       Erfolgsteam der "Roten" ist mit Florian Fromlowitz (MSV Duisburg) nur der
       Ersatztorhüter verloren gegangen. Und mit dem Norweger Henning Hauger
       (Stabeak IF), Artur Sobiech (Polonia Warschau) sowie dem früheren
       Nationalspieler Christian Pander (Schalke 04) als wichtigsten Neuzugängen
       hat Geschäftsführer Jörg Schmadtke seine defensive Personalpolitik
       fortgesetzt. Vom wenigen Geld möglichst nichts auszugeben, das bleibt die
       Maxime von 96-Boss Kind, die zuletzt mit unverschämt viel Erfolg belohnt
       wurde.
       
       Auch die Stimmung in der Mannschaft könnte kaum besser sein. Der Friede
       zwischen Slomka und Schmadtke, diesen völlig grundverschiedenen Typen,
       hält.
       
       Man kann sich über die Ausgangsposition von Hannover 96 freuen - oder sie
       als Anlass zur Sorge nehmen. Am kommenden Sonntag geht es in der 1. Runde
       des DFB-Pokals zum Fünftligisten Anker Wismar. Wer Spiele wie diese, in
       denen der Favorit nur verlieren kann, souverän gewinnt, ist für die Saison
       wirklich gut gerüstet. Wer dagegen glaubt, als Emporkömmling der Bundesliga
       und Teil der Europa League sei man etwas Besonderes, gerät schnell ins
       Stolpern.
       
       Slomkas wichtigste Aufgabe bleibt daher: Er muss verhindern, dass sich
       seine stolzen Hannoveraner in Selbstgefälligkeit verlieren.
       
       VfL Wolfsburg: Neuaufbau mit fleißigen Kräften 
       
       Es kommt tatsächlich vor, dass der Manager und Geschäftsführer Felix Magath
       dem Trainer Felix Magath Vorschriften macht. Bei Christian Träsch etwa, dem
       jüngsten Neuzugang des VfL Wolfsburg, war es dem Alleinherrscher des
       ambitionierten Fußball-Bundesligisten äußerst wichtig, dass nicht mehr als
       zehn Millionen Euro Ablösesumme an den VfB Stuttgart überwiesen werden.
       Acht Millionen werden es wohl geworden sein. Was sich vernünftig anhört,
       ist Teil einer neuen Salami-Taktik, die ein wenig nach Bescheidenheit
       duften soll.
       
       Denn natürlich hat der vermögende VfL wieder tüchtig eingekauft. Aber
       zweistellige Buchungsposten will Magath erst dann wieder absegnen, wenn er
       sich seines größten Kostenfaktors entledigt hat: Der Brasilianer Diego ist
       nach diversen Eskapaden nicht mehr erwünscht. Doch erst, wenn sich ein
       Verein gefunden hat, der mehr als 10 Millionen Euro für den Großverdiener
       überweist, will Magath sich einen neuen Spielmacher gönnen.
       
       Dass Diego also weiterhin in Wolfsburg trainiert, aber nicht mehr zum
       Einsatz kommt, ist Teil einer kuriosen Personalpolitik: Magath ist bereit,
       an einem Profi, der seine Kollegen im entscheidenden Saisonspiel
       mimosenhaft im Stich gelassen hatte, ein Exempel zu statuieren. Zur Not
       werde man, da bleibt der VfL-Boss seiner Linie treu, den Ungeliebten eben
       behalten - und einfach nicht mehr einsetzen.
       
       Was Magath bei einem Verein versucht, der trotz immens hoher Investitionen
       um ein Haar abgestiegen wäre, ist ein Neuaufbau mit fleißigen Kräften: Vor
       Träsch hatte der VfL schon Patrick Ochs, Marco Russ (beide Eintracht
       Frankfurt) und Hasan Salihamidzic (Juventus Turin) verpflichtet.
       
       Für diese Profis gilt wie für Torjäger Srdjan Lakic, den Magaths Vorgänger
       Dieter Hoeneß dem 1. FC Kaiserlautern abgekauft hatte: Sie zählen zur
       Kategorie strebsam, lauffreudig und teamorientiert.
       
       Damit wieder ein Kollektiv entsteht, mit dem sich die "Wölfe"-Fans
       identifizieren, verlangt Magath absolute Unterordnung. "Der Trainer will,
       dass wir nicht an uns, sondern nur an die Mannschaft denken", sagt der
       Japaner Makoto Hasebe, der als Mittelfeldspieler und Fleißbiene gerade
       einen neuen Dreijahresvertrag bekam.
       
       Star in Wolfsburg sind das Team - und Magath. Seinem Scheitern bei Schalke
       04 will der 57-Jährige eine neue Wolfsburger Erfolgsgeschichte folgen
       lassen. Dass mehrere einstellige Ablösesummen zusammengerechnet zweistellig
       sind, wird dabei helfen.
       
       24 Jul 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) R. Lorenzen
 (DIR) Chr. Otto
 (DIR) R. Repplinger
       
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