# taz.de -- GLEICHSTELLUNG: Ein bisschen gleicher
       
       > Zehn Jahre nach Einführung der Eingetragenen Lebenspartnerschaften haben
       > Schwule und Lesben noch lange nicht dieselben Rechte wie Heteros
       
 (IMG) Bild: Susanne Gläß und Evelyne Heiz waren die ersten in Bremen, die eine Lebenspartnerschaft eintragen ließen
       
       515 Eingetragene Lebenspartnerschaften: Das ist, rein zahlenmäßig
       betrachtet, Bremens Bilanz seit 2001. Am 1. August ist das Bremische Gesetz
       zur Regelung der Zuständigkeit und des Verfahrens nach dem
       Lebenspartnerschaftsgesetz auf den Tag genau zehn Jahre in Kraft. Und wird
       im Rathaus mit einem Empfang geehrt.
       
       In der Öffentlichkeit ist angesichts solcher Wortungetüme eher von der
       "Homo-Ehe" die Rede. Doch das hört Bernd Thiede von der Beratungsstelle im
       Rat & Tat-Zentrum für Schwule und Lesben nicht so gerne. Suggeriere es doch
       eine Gleichstellung, die es bis heute nicht gebe - vor allem nicht im
       Steuer- und Adoptionsrecht. Sicher, es gab Fortschritte, vielfach auch dank
       der Gerichte: Verpartnerte Homosexuelle können heute erben oder ihre
       Hinterbliebenen versorgen wie verheiratete Heteros, auch bei Bremens
       Beamten wird da heute kein Unterschied mehr gemacht. Und in der
       Landesverfassung steht in Artikel 21: "Die eingetragene Lebenspartnerschaft
       ist der Ehe gleichgestellt", zudem ist da von "Anspruch auf den Schutz" und
       "Förderung des Staates" die Rede. Selbst die Gebühren, die beim Standesamt
       anfallen, wurden einander angeglichen -nach einem taz-Bericht im Jahr 2007
       über ein lesbisches Paar, das sich darüber ärgerte, keine Trauzeuginnen
       haben zu dürfen und mehr zahlen zu müssen als Heteros. Damals kostete in
       Bremen eine Lebenspartnerschaft unter Deutschen 75 Euro, eine vergleichbare
       Ehe aber nur 33 Euro. Heute zahlen beide im Standesamt je 40 Euro. Wer im
       Gobelinzimmer des Rathauses getraut oder verpartnert werden und sich den
       Luxus eines Sektempfanges im Kaminzimmer gönnen will, muss 350 Euro
       ausgeben. Unterschiedslos.
       
       Doch bei der Einkommenssteuer werden verpartnerte Homosexuelle noch immer
       wie Ledige behandelt. Eine Frau, die 3.000 Euro im Monat verdient und mit
       ihrer Partnerin ein gemeinsames Kind zu betreuen hat, zahlt deshalb bei
       gleichen Unterhaltsverpflichtungen monatlich fast 300 Euro mehr Lohnsteuer
       und Solidaritätszuschlag als vergleichbare Eheleute, rechnet der Lesben-
       und Schwulenverband Deutschland (LSVD) vor. "Lebenspartnerschaften werden
       für die Übernahme gegenseitiger Fürsorge vom Staat finanziell bestraft",
       kritisiert der Verband - während selbst kinderlose Ehen vom
       Ehegattensplitting profitieren. Der grüne Sozialstaatsrat Horst Frehe würde
       diese Vergünstigung gerne für alle abschaffen, Reiner Neumann, Vorstand des
       Rat & Tat-Zentrums fordert vor allem eine Gleichstellung ein - egal, ob mit
       oder ohne Ehegattensplitting. Doch zuständig dafür ist der Bund. Andere
       Länder, etwa das katholische geprägte Spanien oder Portugal seien da
       "deutlich weiter", so Neumann - und der völligen Gleichstellung mit der Ehe
       sehr viel näher. Vielleicht helfen aber auch in diesem Fall RichterInnen:
       Seit gut fünf Jahren sind in Karlsruhe Verfassungsbeschwerden in Sachen
       Steuerrecht anhängig, eine Entscheidung könnte noch in diesem Jahr fallen.
       "Das kann im Grunde nur im Sinne der Schwulen und Lesben ausgehen", sagt
       Jörg Wegner, der als Rechtsanwalt wiederholt Lebenspartner vor Gericht
       vertreten hat.
       
       Auch im Adoptionsrecht bestehen Ungleichheiten fort: Die gemeinschaftliche
       Adoption eines fremden Kindes ist für Homosexuelle hierzulande nach wie vor
       unmöglich. Zwar könnte einer der PartnerInnen ein Kind als
       AlleinerziehendeR adoptieren - doch das ist "eher theoretisch", sagt
       Neumann. Der Vorrang gebührt Heterosexuellen.
       
       "Wir fordern den Bundesgesetzgeber auf, diskriminierende Unterschiede zum
       Beispiel im Adoptions- und Steuerrecht abzubauen", sagt Björn Fecker,
       lesben- und schwulenpolitischer Sprecher der Grünen. Über den Bundesrat
       habe Bremen versucht, zu entsprechenden Änderungen zu kommen. "Dies ist am
       Widerstand der CDU gescheitert." Neumann fordert von Bremen neue
       Bundesrats-Initiativen ein, selbst wenn die Erfolgsaussichten "nicht so
       riesig" sein sollten: "Das erzeugt Druck".
       
       Guckt man sich mal an, wo im Lande Bremen sich die Menschen verpartnern,
       dann fällt ein großes Missverhältnis auf: Die mit Abstand meisten
       Lebenspartnerschaften wurden im Standesamt Mitte eingetragen: 437
       insgesamt, 244 unter Schwulen und 193 unter Lesben. Zum Vergleich: Die Zahl
       der Eheschließungen im Lande Bremen liegt seit Jahren jeweils bei etwa
       6.000. In Bremen-Nord hingegen, wo rund 100.000 Menschen leben, kamen in
       all den Jahren gerade mal 33 homosexuelle Paare, in Bremerhaven, das etwas
       mehr EinwohnerInnen hat, waren es auch nur 45, zumeist Männer. Warum das so
       ist, darüber lässt sich aber nur spekulieren.
       
       Auffällig ist auch, dass in den letzten Jahren die Zahl der
       Lebenspartnerschaften deutlich angestiegen ist: Kamen 2008 nur 19 Paare ins
       Standesamt Mitte, so waren es 2009 und 2010 gut dreimal so viele. Und für
       das laufende Jahr deutet sich eine ähnliche Entwicklung an. Hintergrund ist
       vermutlich die Erbschaftssteuerreform von 2008. Seither werden
       LebenspartnerInnen nicht mehr wie Fremde behandelt.
       
       Wie viele Lebenspartnerschaften schon wieder geschieden wurden, ist unklar.
       In Bremen jedenfalls gibt es dazu keine offiziellen Zahlen.2009 waren nach
       Angaben des Statistischen Bundesamtes bundesweit rund 19.000
       gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften eingetragen, davon 12.000
       zwischen Männern. 5.000 Partnerschaften waren zu diesem Zeitpunkt bereits
       wieder geschieden.
       
       Horst Frehe möchten am liebsten ein gemeinsames Gesetz, dass Ehe und
       Lebenspartnerschaft regelt und so für eine "vollkommene Gleichstellung"
       sorgt. Auf Dauer werde man das "nicht verweigern können", sagt Neumann -
       auch wenn es noch weitere zehn Jahre dauern könne. Immerhin: "Die rot-grüne
       Regierung hat umgesetzt, was in ihrer Macht stand", lobt Neumann. Die
       Grünen hatten schon in den Achtzigern die Ehe für Lesben und Schwule
       gefordert.
       
       2000 sah Bürgermeister Hartmut Perschau (CDU) darin noch "einen Angriff auf
       die Ehe als Keimzelle der Gesellschaft". Und im Parlament hielt der
       CDU-Staatsrat Kuno Böse 2001 eine flammende Rede gegen das
       Lebenspartnerschafts-Gesetz, das er selbst einbringen musste. Eine
       Gleichstellung mit der Ehe sei nicht mit dem Grundgesetz vereinbar, so sein
       Credo. Und CDU-Innensenator Ralf Borttscheller hatte 1999 den
       Standesbeamten gar versprochen: Solange er politische Verantwortung trage,
       werde es in Bremen keine "Homo-Ehen" wie in Hamburg geben. Der Staat habe
       "vernünftigerweise kein Interesse daran, Freundschaften zu belohnen". Wenig
       später war Borttscheller nicht mehr im Amt.
       
       1 Aug 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jan Zier
       
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