# taz.de -- Rechtsextreme Gewalt: Drohanruf und Stahlkugel
       
       > In Bückeburg kommt es immer wieder zu Übergriffen gegen antifaschistische
       > Jugendliche. Von der Polizei versprechen sich die Opfer nichts.
       
 (IMG) Bild: Alle Jahre wieder: Wenn Neonazis in Bad Nenndorf trauermarschieren, kommen die Gegner des Spuks auch aus dem nahen Bückeburg.
       
       BÜCKEBURG taz | Am Samstag werden sie wieder dabei sein: Wenn die
       rechtsextremen "Freien Kameradschaften" im nahe gelegenen Bad Nenndorf
       ihren "Trauermarsch" abhalten, will auch die Bückeburger "Schülerinitiative
       gegen Rechts" dagegen protestieren. "Trotz und, na ja, auch wegen der
       Sachen hier", sagt Martin.
       
       Unaufgeregt erzählen Betroffene vom Alltag in der Kleinstadt 50 Kilometer
       westlich von Hannover: Seit Monaten greifen Neonazis aus dem Umfeld der
       "Autonomen Nationalisten Bückeburg" anders denkende Jugendliche und
       Erwachsene an - von verbaler Bedrohung über körperliche Verletzungen bis
       hin zu zerschossenen Fensterscheiben und beschädigten Autos.
       
       ## Auf den Kopf eingetreten
       
       Auch Martin wurde bereits zusammengetreten, erlitt einen Nasenbeinbruch und
       verlor Zähne. Am 10. Dezember 2010, erzählt er, sei er mit drei Freunden
       nachts unterwegs gewesen. In der Bahnhofstraße seien sie auf vier Neonazis
       gestoßen und von ihnen attackiert worden. "Ich rutschte auf dem Schnee aus,
       lag am Boden, da traten die eben auf meinen Kopf ein", berichtet der
       20-Jährige. Leise schiebt er nach: "Ich dachte, das war es jetzt." Zur
       Polizei seien sie nach dem Vorfall nicht gegangen - da hätte doch eh nur
       Aussage gegen Aussage gestanden, schätzt Martins Freund Paco.
       
       Silvester 2010 wurde erstmals Pacos Wohnung in der Bückeburger Innenstadt
       Ziel eines Angriffs: Unbekannte beschädigten mit Bierflaschen die Fenster
       im ersten Stock. In derselben Nacht wurde ein Jugendlicher durch eine
       Attacke mit Schlagring und Schlagstöcken erheblich verletzt. Nach Pacos
       Umzug wurde seine neue Wohnung im Juli dann wieder angegriffen. "Wir waren
       noch wach, hatten Licht an, als eine Stahlkugel in die Scheibe knallte",
       sagt der 20-Jährige. Bis heute stecke die Stahlkugel im Fensterglas. "Da
       war ein lautes Bämm", erzählt Nicole, 20, die mit Paco zusammenwohnt. Sie
       sei fassungslos gewesen, als die Polizei nach möglichen Gründen für einen
       Angriff gefragt habe.
       
       ## "So ne Art Psychoterror"
       
       Bei ihr hätten die Neonazis "so ne Art Psychoterror probiert", sagt die
       19-jährige Klara. Nachts, wenn sie im Elternhaus allein war, habe jemand
       angerufen und mit verzerrter Stimme behauptet, er sehe genau, in welchem
       Zimmer sie sich gerade aufhalte. Auch sei ihr gedroht worden: "Pass auf,
       dass du nicht bald unter der Erde liegst", erzählt sie. Im Online-Netzwerk
       Facebook sei verbreitet worden, sie habe mit Nazis geschlafen.
       
       Am Bahnhof, erzählt Marie, seien Ende Mai drei Freunde von rund zehn
       Vermummten angegriffen worden. Sie selbst erhielt per Post eine
       "Todesanzeige" geschickt. "Hier kennt halt jeder jeden irgendwie", sagt die
       18-Jährige. "Wir wissen ja auch, wo die Nazis wohnen, zur Schule gehen".
       
       Bückeburgs Bürgermeister Reiner Brombach sind die Vorfälle bekannt. "Wir
       dachten erst, es gebe bei uns keine Szene, Polizei und Staatsschutz wussten
       anfänglich nichts", sagt der Sozialdemokrat. Recherchen hätten das Bild
       einer durchaus vorhandenen, sehr jugendlich geprägten rechtsextremen Szene
       ergeben. "Ideologisch gefestigt ist das aber nicht." Arbeitskreise seien
       gegründet worden. Es hätten sich auch Eltern gemeldet, "deren Kinder in den
       rechtsextremen Sympathisantenkreis geraten waren", sagt Brombach.
       
       ## Gut vernetzte Szene
       
       "Die wissen, warum sie uns angreifen", sagt Martin. Die örtliche
       Neonazi-Szene mit rund 30 festen Anhängern und mindestens noch mal so
       vielen "Freunden", so Nicole, sei fest ins Kameradschaftsnetzwerk
       eingebunden. Beste Beziehungen hätten sie etwa zu Marcus Winter. Der
       vorbestrafte Neonazi verantwortet den Nenndorfer "Trauermarsch" mit. "Klar
       gehen wir gegen den Marsch auf die Straße", sagt Paco. "Wir lassen uns
       nicht einschüchtern." Aber Martin sagt auch: "Wir sehen zu, dass abends
       keiner alleine nach Hause geht."
       
       4 Aug 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Andreas Speit
       
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