# taz.de -- Debatte Europapolitik: Weg mit der Währungsunion!
       
       > Als Linker muss man dafür streiten, dass die hoch verschuldeten Länder
       > aus dem Euro aussteigen dürfen. Denn eins ist klar: Nur so können sie
       > sich erholen.
       
       Fordert man als Grüner, Linker oder Sozialdemokrat, dass hoch verschuldete
       Länder wie Griechenland oder Portugal aus der Europäischen Währungsunion
       austreten, gilt man als schlechter Europäer. Warum eigentlich? Die EU
       besteht aus 27 Staaten, 17 Staaten davon bilden die Währungsunion. Wenn
       diese nur noch 13 oder auch nur 10 Länder umfasste, warum würde das die
       europäische Idee gefährden?
       
       Die verständliche Sehnsucht nach einem vereinten politischen Europa blendet
       ökonomische Fakten aus und erweist der europäischen Idee damit einen
       Bärendienst. Denn: Soll die Währungsunion im bisherigen Umfang
       funktionieren, dann müssen jetzt die nationalen Hoheitsrechte in der
       Finanzpolitik auf Europa übertragen werden. Geschieht dies nicht, werden
       die Länder der Währungsunion in einen permanenten Zustand wirtschaftlicher
       Instabilität geraten und damit immer weiter im Schuldensumpf versinken. Das
       Auseinanderbrechen der Währungsunion ist dann nur noch eine Frage der Zeit.
       
       Die Ursache dessen liegt in der Mechanik der festen Wechselkurse. Besteht
       die Aussicht, dass ein Staat seine Schulden bei den Anlegern, die
       Staatsanleihen gekauft haben, nicht mehr bedienen kann, dann setzt
       Kapitalflucht ein - die Anleger fürchten um ihr Geld und ziehen es ab.
       Anders als früher, als jeder Staat noch seine eigene Währung besaß, kann
       heute ein Land diese Kapitalflucht nicht mehr bremsen, indem es seine
       Währung abwertet. Diese Abwertung aber würde die Kapitalflucht zunehmend
       unattraktiver machen. Denn Anleger bekämen beim Verkauf ihrer Wertpapiere
       dafür immer weniger in ausländischer Währung - und das würde im Verlauf
       sogar einen Rückfluss des Kapitals bewirken. Investionen würden in dem
       Schuldenstaat ja wieder billiger und rentabler.
       
       Auch würde eine Abwertung die Wettbewerbsfähigkeit des Landes erhöhen und
       das Wachstum ankurbeln, da Güter und Dienstleistungen im Austausch mit
       andern Ländern billiger würden. Kein noch so umfangreiches, mit
       öffentlichen Mitteln gefördertes Investitionsprogramm kann diesen wirksamen
       Mechanismus ersetzen.
       
       ## Verdächtiger Konsens
       
       Die Antwort der europäischen (und deutschen) Politik auf die Schuldenkrise
       stellt die schlechteste aller Lösungen dar. Sie schafft weder eine zentrale
       europäische Finanzpolitik, noch wird ein Austritt der hoch verschuldeten
       und nicht wettbewerbsfähigen Mitgliedsländer aus der Währungsunion auch nur
       erwogen. Stattdessen sozialisieren die diversen Rettungsschirme die
       Schulden. Schlimmer noch: Sie schaffen Anreize, weiter Schulden zu machen
       und damit die gefährliche Dynamik der starren Wechselkurse zu verstetigen.
       Wer wird schon sparen und seine politischen Ämter riskieren, wenn er die
       Aussicht hat, seine Schulden letztlich erlassen zu bekommen?
       
       Dessen ungeachtet besteht ein übergreifender medialer und politischer
       Konsens, weiterzumachen wie bisher. Man lässt einfach nicht ab von der
       Hoffnung, irgendwie doch noch eine autonome europäische Finanzpolitik
       institutionalisieren zu können. Dabei geraten zwei Fragen aus dem
       Blickfeld. Erstens: Ist das überhaupt möglich? Zweitens: Welches Europa
       entstünde dann?
       
       Eine substanzielle Übertragung von Souveränitätsrechten auf Europa, die
       ausreichend demokratisch legitimiert wäre, ist in absehbarer Zeit nicht zu
       erwarten. Schon die schwierige Geburt des Lissabon-Vertrags, der Brüssel
       weit weniger Kompetenzen übertragen hat, als es eine gemeinsame
       Finanzpolitik verlangen würde, hat gezeigt, wie unrealistisch eine solche
       Annahme ist. Deshalb schaffen die Staats- und Regierungschefs nun Fakten,
       die allerdings europäisches Recht beugen. Die Politik kreiert
       Rettungsschirme, die die Probleme nicht lösen und noch dazu die
       demokratischen Rechte der Schuldner- und Gläubigerstaaten aushöhlen. Für
       die Bürger Deutschlands baut dieses Europa zudem auf einem Wortbruch auf.
       Erinnern wir uns: Es gab das Versprechen, nicht für die Schulden anderer
       Staaten einstehen zu müssen, wenn man die D-Mark aufgibt.
       
       ## Europa gegen die Demokratie
       
       Trotzdem verteidigt eine große Koalition vehement die Beibehaltung der
       Währungsunion. Diese Allianz reicht von Globalisierungskritikern und
       Gewerkschaften über Intellektuelle bis hin zum Finanzkapital und der
       deutschen Großindustrie. So viel Übereinstimmung, so viel Pathos und so
       wenig rationale ökonomische Debatte stimmen misstrauisch. Sicher, auch ein
       Austritt einiger hoch verschuldeter Länder wäre teuer, denn auch er würde
       europäische Solidarität erfordern.
       
       Zum Beispiel müsste die Schuldenlast der Austrittsländer verringert werden,
       und die EU müsste auch dabei helfen, ihr Bankensystem zu stabilisieren.
       Aber im Gegensatz zur aktuell verfolgten Politik würden wenigstens die
       Kernprobleme der starren Wechselkurse gelöst. Die Länder würden wieder
       wettsbewerbsfähig und könnten von den Finanzmärkten nicht mehr so einfach
       in Geiselhaft genommen werden.
       
       Gewichtige gesellschaftliche Gruppen in der EU haben durchaus ein
       gemeinsames Ziel: Sie wollen ein vereintes Europa. Doch ihre Gründe dafür
       sind vollkommen unterschiedlich. Das verhindert eine transparente Debatte.
       Folgendes ist aber trotzdem klar: Erstens ist für die Regierenden ein
       "Weiter so" durchaus rational. Eine Verkleinerung der Währungsunion würde
       das wahre Ausmaß des Scheiterns ihrer Politik offenbaren und damit einer
       Bankrotterklärung gleichkommen. Zweitens könnte die Großindustrie, vor
       allem die deutsche, nicht mehr von den für sie lukrativen, aber
       gesamtwirtschaftlich schädlichen Exportüberschüssen profitieren, wie auch,
       drittens, die Finanzwirtschaft nicht mehr vor Verlusten geschont würde.
       
       Schließlich ist für sehr viele Europabefürworter das unbegrenzte
       Schuldenmachen schlichtweg ein Akt internationaler Solidarität oder auch
       eine Chance, ganz schnell die große Idee eines politischen Europa zu
       verwirklichen. Das wäre jedoch ein Europa der Eliten - gegen die Bürger,
       gegen die Demokratie und gegen die wirtschaftliche Vernunft.
       
       11 Aug 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Thilo Bode
       
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