# taz.de -- Einwanderung 2011: Niederbayern heuert Bulgaren an
> Mit Azubis aus Bulgarien will ein niederbayerischer CSU-Landrat dem
> drohenden Fachkräftemangel in der Region begegnen. Die jungen Ausländer
> sollen hier heimisch werden.
(IMG) Bild: Zu wenig Fachkräfte für die regionale Wirtschaft: Donauhafen von Deggendorf.
DEGGENDORF taz | Vasil Shterionov lächelt zufrieden. Soeben hat er sein
neues Fahrrad bekommen. Jetzt dreht der 21-Jährige in der Tiefgarage unter
dem Landratsamt von Deggendorf die ersten Runden. Der junge Mann mit den
kurzen braunen Haaren ist einer von insgesamt 17 Azubis aus dem
bulgarischen Burgas, die im September im niederbayerischen Deggendorf eine
Lehre beginnen werden.
Der hiesige Landrat hat die Initiative mit der Partnerstadt angestoßen. Er
will dem Mangel an Fachkräften, der sich schon jetzt in seinem Landkreis
bemerkbar macht, entgegenwirken. Er greift auf etwas zurück, was es in
Deutschland formal seit 1973 nicht mehr gibt: Er wirbt Gastarbeiter an.
Dieses Mal freilich ist von Anfang an geplant, dass die Ausländer hier
heimisch werden.
"Man muss sich nur mal anschauen, wie viele Arbeitnehmer hier im Kreis in
den nächsten 15 Jahren in Rente gehen, ohne dass wir Ersatz finden", sagt
Landrat Christian Bernreiter (CSU). Bis 2025 rechnet er mit 5.000 offenen
Stellen. Schon jetzt finden viele niederbayerische Betriebe keine
Auszubildenden mehr. Im Juli 2011 gab es im Kreis Deggendorf rund 700
offene Lehrstellen, aber nur 320 ausbildungswillige Jugendliche. "Wir
müssen jetzt aktiv werden", sagt Landrat Bernreiter, "von allein passiert
da gar nichts."
## Landrat und Unternehmer flogen ans Schwarze Meer
Im Mai 2011 flog er gemeinsam mit Firmenvertretern aus dem Landkreis ans
Schwarze Meer. Vor Ort erklärten sie bulgarischen Absolventen das duale
Ausbildungssystem und warben für die Unternehmen. Mit dabei war auch Stefan
Weinberger, Personalleiter des Bauunternehmens Streicher, mit gut 3.000
Angestellten einer der größten Arbeitgeber der 30.000 Einwohner-Stadt.
Seit Jahren hat das Unternehmen Schwierigkeiten, Nachwuchs für den
Straßenbau zu finden. Verwundert ist Weinberger darüber nicht: "Man muss
man bei Wind und Wetter draußen stehen, die Arbeit ist körperlich
anstrengend und man ist viel unterwegs." Viele deutsche Jugendliche seien
dazu nicht mehr bereit. Im September wird nun einer der Bulgaren in seinem
Betrieb eine Ausbildung zum Straßenbauer beginnen. Die anderen heuern als
zukünftige Maurer, Bäcker, Köche und im Hotelfach an. Die bürokratischen
Dinge waren schnell geregelt. Zwar herrscht in Deutschland für Bulgaren
noch keine Arbeitnehmerfreizügigkeit nach EU-Vorgaben. Da es für die
offenen Stellen aber keine deutschen Bewerber gab, kam grünes Licht von der
Arbeitsagentur.
Da Arbeitskräfte fehlen, schauen sich deutsche Unternehmen derzeit vermehrt
im Ausland nach potentiellen Mitarbeitern um. Die Initiative im
konservativen Niederbayern wird jetzt ausgerechnet von einem CSU-Landrat
angestoßen. Dessen Parteichef, Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer,
wettert immer wieder gegen angeblich integrationsunwillige Ausländer und
fordert einen Zuwanderungsstopp für Türken und Araber. Landrat Bernreiter
allerdings sieht darin keinen Widerspruch zu seinem Vorstoß. Seehofer habe
ihn zu seinem Vorhaben ermutigt, sagt er. "Jeder Ausländer, der uns nützt,
ist uns willkommen."
## Diesesmal sollen die Gastarbeiter bleiben
Im Gegensatz zu den Gastarbeitern der 1950er und 1960er Jahre, von denen
man fälschlich annahm, sie würden in ihre Heimatländer zurückkehren, ist
diesmal von Anfang an klar: Die Bulgaren sollen in Deggendorf bleiben. Das
Landratsamt hat eine Mitarbeiterin abgestellt, die sich um alle notwendigen
Behördengänge kümmert, die Betriebe bezahlen Sprachkurse und Unterkunft und
spendieren jedem Azubi mindestens zwei Heimflüge im Jahr. Der
Kreisjugendring organisiert Ausflugsfahrten an den Wochenenden. Und jeder
bulgarische Azubi bekommt ein gebrauchtes Fahrrad, gespendet von den
Deggendorfer Bürgern. Das Ziel ist klar: Die Jugendlichen sollen sich so
schnell wie möglich integrieren.
Aber nicht von allen werden die neuen Arbeitskräfte willkommen geheißen.
Das Neonazi-Netzwerk "Nationales Bündnis Niederbayern" prophezeit bereits
den nahenden Volkstod: "Wir Nationalisten sind davon überzeugt, dass nicht
der Kampf um die guten Köpfe aus Bulgarien begonnen hat, sondern der Kampf
um den Erhalt unseres deutschen Volkes", heißt es in dessen Onlineforum.
Landrat Bernreiter lässt sich vorsorglich vom Verfassungsschutz beraten,
wie er sich gegen mögliche rechtsradikale Übergriffe schützen kann.
Vasil Shterionov hat davon nichts mitbekommen. Er ist froh, dass er die
Lehrstelle in Deutschland bekommen hat. Zwar hat er in Bulgarien schon eine
Ausbildung zum Koch absolviert. Doch von den umgerechnet 150 Euro
Monatsgehalt, die er dort bekam, habe er nicht gut leben können, sagt er.
Also wird er in den kommenden drei Jahren noch einmal kochen lernen.
Diesmal stehen auch Schweinebraten und Leberkäse auf dem Plan.
15 Aug 2011
## AUTOREN
(DIR) Marlene Halser
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