# taz.de -- Indonesisches Gericht mach Opfer zum Täter: Keine Rechte für religiöse Minderheiten
       
       > Das Urteil gegen die Mörder von drei Angehörigen der Ahmadiyya- Gemeinde
       > in Indonesien fällt milde aus. Nun wird ein Ahmadi zu sechs Monaten Haft
       > verurteilt.
       
 (IMG) Bild: Deden Darmawan Sudjana bei seiner Verhandlung vor dem Gericht in Serang.
       
       JAKARTA taz | "Ungerechtigkeit für alle" - titelte die englischsprachige
       indonesische Tageszeitung Jakarta Post zutreffend, nachdem am Montag Deden
       Darmawan Sudjana zu sechs Monaten Haft verurteilt worden war. Das Mitglied
       der Ahmadiyya-Gemeinde hatte Anfang Februar versucht, im westjavanischen
       Cikeusik einen mörderischen Angriff eines Mobs zu verhindern, bei dem drei
       Ahmadis brutal erschlagen wurden. Deden selbst wurde dabei schwer verletzt.
       
       In den Augen der zuständigen Richter war Deden jedoch nicht Opfer, sondern
       Täter. Er wurde am Montag wegen Körperverletzung verurteilt, obwohl dieser
       Tatbestand in der Anklageschrift gar nicht enthalten war. Zudem habe er die
       Anordnungen der Polizei nicht befolgt und den Ort des Geschehens nicht
       rechtzeitig verlassen, so die Begründung des Urteils. Die Angreifer zu
       stoppen sei schließlich Polizeiaufgabe gewesen.
       
       Wie die Polizei an jenem Tag ihren Aufgaben eben nicht nachkam, kann sich
       jeder auf YouTube ansehen. Die Beamten schauten untätig zu, während ein
       wütender Mob über die Ahmadis herfiel. Doch wer Schuld hatte und wer nicht,
       stellte Polizeipräsident Timur Pradopo schon wenige Tage nach dem brutalen
       Angriff während einer Anhörung vor dem Parlament fest.
       
       Deden, der damals in Jakarta Sicherheitschef der Ahmadiyya war, habe in
       Cikeusik ein Haus der Gemeinde besetzt, da er befürchtete, es würde
       geplündert, wenn keiner dort sei. Das habe die Gewalt ausgelöst. Mit
       anderen Worten: Deden war allein schuldig, weil er anwesend war.
       
       ## Unruhestiftung, Zerstörung, Misshandlung
       
       Die Richter, die Ende Juli über die Angreifer auf die Ahmadis zu richten
       hatten, sind dieser Logik offenbar gefolgt. Die zwölf Angeklagten erhielten
       Haftstrafen von drei bis sechs Monaten - wegen Unruhestiftung, Zerstörung
       von Eigentum und Misshandlung, nicht jedoch wegen Mord oder Totschlag.
       Menschenrechtsorganisationen übten starke Kritik an den Urteilen.
       
       Dass jene, die für den Tod von drei Ahmadis verantwortlich sind, zu drei
       bis sechs Monaten Haft verurteilt werden und das Opfer Deden nun zu sechs
       Monaten, "zeigt, dass die Ahmadiyya nicht nur von islamischen militanten
       Mobs eine unglaubliche Diskriminierung erfährt, sondern auch von der
       indonesischen Justiz", kommentierte Elaine Pearso von Human Rights Watch.
       
       Ahmadis sehen nicht Mohammed, sondern den Gründer ihrer Sekte, Mirza Ghulam
       Ahmad, als letzten Propheten an. 2005 hatte Indonesiens Rat der
       Muslimgelehrten eine Fatwa erlassen, nach der die Lehren der Ahmadiyya vom
       Koran abwichen. 2008 untersagte die Regierung den Ahmadis die öffentliche
       Ausübung ihrer Religion. 2010 forderte Religionsminister Suryadharma Ali
       sogar das vollständige Verbot der Ahmadiyya. Während Ali beteuert, dies
       geschehe nur zu ihrem "Schutz", sehen Kritiker darin eine Einladung zur
       Gewalt gegen Mitglieder dieser religiösen Minderheit.
       
       ## "Wir dürfen das nicht ignorieren"
       
       Genau vor einem Jahr, am 17. August 2010, dem indonesischen
       Nationalfeiertag, hatte Präsident Susilo Bambang Yudhoyono in seiner Rede
       an die Nation gesagt: "Ich möchte betonen, wie wichtig es ist, die
       Brüderlichkeit, Harmonie und Toleranz unserer Nation zu erhalten.
       Tagtäglich ereignen sich immer wieder Dinge, die dem Gebot von Harmonie,
       Toleranz und gegenseitigem Respekt widersprechen. Wir dürfen das nicht
       ignorieren."
       
       Dass Indonesiens Richter aus Opfern Täter machen, kann nach Meinung einer
       Kommentatorin des Jakarta Globe nur bedeuten, dass offenbar niemand dem
       Präsidenten zugehört habe.
       
       Nicht nur die Ahmadiyya, sondern auch andere religiöse Minderheiten stehen
       in Indonesien im Visier gewaltbereiter Gruppen. Die Zahl der religiös
       motivierten gewaltsamen Übergriffe hat in der jüngsten Vergangenheit
       dramatisch zugenommen. So zählt das Setara-Institut für Demokratie und
       Frieden im Jahr 2010 mehr als 216 Fälle, in denen die Religionsfreiheit
       verletzt wurde. Am 7. Juli drückte das Europaparlament in einer Resolution
       seine große Sorge über die Gewalt gegen religiöse Minderheiten in
       Indonesien aus und forderte dazu auf, die zum Missbrauch einladenden
       Blasphemie-Gesetze zu ändern.
       
       16 Aug 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Anett Keller
       
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