# taz.de -- Sexspielzeug aus Holz: Die Dildokings vom Odenwald
> Weichmacher in Sexspielzeugen können der Gesundheit schaden. Die Thürys
> setzen da ganz auf Naturprodukte. Sie stellen Holzdildos her. Ein Besuch.
(IMG) Bild: Handmade by nature: Der Slogan erklärt eigentlich schon alles.
HETTINGENBEUERN taz | Da hinten, in Elmar Thürys Scheune, steht sie, die
Vitrine mit dem Sexspielzeug. Im obersten Regal die Holzpilze: fünfzehn
Zentimer hoch, blassbraun, unbehandelt.
Mit den Pilzen hat es angefangen vor fünf Jahren. Elmar Thüry stand an
seiner Drechselbank, als sein Sohn ihn auf die Idee brachte, statt des
üblichen Pilzes doch mal einen Holzdildo zu drechseln. Das erste Exemplar,
genannt "Holzfäller", hat Steffen Thüry dann auf eBay versteigert. Es war
das erste von vielen. Dann kamen die Anfragen. Nach mehr von diesen Dildos
aus Holz.
"Am Anfang haben wir uns noch sehr am Phallus orientiert", erzählt Elmar
Thüry über die erste Zeit, "aber je intensiver wir uns mit den Wünschen der
Kunden auseinandergesetzt haben, desto weiter haben wir uns davon wieder
entfernt." Thüry schaut zur Vitrine. Dort thront "Goliath XXL", der Riese
unter den Dildos, mit 220 Euro das teuerste Modell. Zehn Zentimeter
Durchmesser, dreißig Zentimeter lang, erhältlich in fünfzehn Farben von
naturhell bis opal antik - nichts für Anfänger.
Neben dem "Goliath" wirkt der Kassenschlager, die "Hummel S", fast
verloren: elf Zentimeter Glückseligkeit für 80 Euro. Die "Hummel" ist für
jeden was, denn ihr Fichtenholz, das auch für den Bau von Musikinstrumenten
verwendet wird, überträgt die Vibrationen besonders intensiv. "Natürlich
splittert das nicht!", sagt Elmar Thüry und schüttelt den Kopf.
## TÜV-geprüfte Ware
Anfangs hat sich der gelernte Drucker Thüry kaum getraut, in seiner
Werkstatt ans Telefon zu gehen. Heute erklärt er gern und stolz die
Vorteile seiner Holzdildos. "Vier Monate hat es allein gedauert, bis wir
den richtigen Lack ausgetüftelt hatten", erklärt der 55-Jährige, "extrem
strapazierfähig und frei von Schadstoffen musste er sein."
Letzteres sind sie nachweislich, Thürys "Waldmichlsholdi"-Dildos sind
TÜV-geprüft: ohne Lösemittel, ohne schädlichen UV-Schutz und vor allem ohne
Weichmacher. In Kinderspielzeug sind solche Zusatzstoffe längst verboten.
In Sexspielzeug nicht. Die Grünen hat das geärgert, also stellten sie im
Juni, angeführt von ihrem menschenrechtspolitischen Sprecher Volker Beck,
eine kleine Anfrage an die Bundesregierung. Bisher gebe es keine Gesetze
für die Verwendung von Weichmachern in Sexspielzeugen, sagt Beck der
sonntaz, "das Mindeste, wofür die Bundesregierung sorgen müsste, wären
ordentliche Warnhinweise auf den Verpackungen".
Zwei Wochen später erhielt er Antwort auf seine Anfrage: Bis 2015 sind die
gängigen Weichmacher noch erlaubt, danach unterliegen sie der EU-Verordnung
zur Beschränkung chemischer Stoffe. "Dieser Weg ist etwas sehr müde. Man
packt das nicht wie andere Bereiche an", murrt Volker Beck nun. Es sei
nicht in Ordnung, dass die Verbraucher nicht sehen, was sie da eigentlich
kaufen.
Das finden Thürys auch. In ihrer Scheune im Odenwald erkennt man sofort,
was geboten wird. Holz. Nicht nur die Dildos, Vibratoren und Plugs sind
hier aus Holz. Auch der Verkaufsstand ist es, die Ausstellungstafeln und
die Wandverkleidungen. Die Thürys haben ein Erfolgsrezept. Und an das
glauben sie.
Verlässt man ihre Scheune, steht man draußen vor weiß gestrichenen
Wohnhäusern, vor Fachwerk und Holzbauten im westfränkischen Mittelgebirge.
Hettingenbeuern ist ein Luftkurort im Nirgendwo, ein kleinbürgerliches
Paradies für Wanderer. Die Familie Thüry ist Teil davon. Die gesamte
Familie Thüry. Vater Elmar drechselt, Mutter Maria lackiert. Tochter Jasmin
ist im Endspurt ihrer Ausbildung zur Bürokauffrau und kümmert sich um die
Bestellungen, gerade macht die 21-Jährige erste Erfahrungen an der
Drechselmaschine. Jasmins Freund Memet ist Produktionshelfer. Bruder Daniel
drechselt, und Steffen, der damals den ersten Dildo in Geld verwandelt hat,
regelt die Internetangelegenheiten.
## Orgasmus heißt "Freude"
Nein, familienintern war das nie komisch, solche delikaten Produkte zu
fabrizieren, sagt Elmar Thüry. Sie reden halt viel miteinander. "Das ist
der einzige Weg, wie wir unser angesammeltes Wissen bewahren können." Sie
sprechen ihre ganz eigene Sprache, die sie entwickelt haben: direkt, aber
nie vulgär. Die Geschlechtsteile heißen "Muskulatur", der Orgasmus
"Freude". Auf die Frage, wer neue Modelle denn eigentlich testet, fängt
Herr Thüry an zu lachen. Dann macht er eine Pause. Schließlich erzählt er
davon, wie wichtig das Feedback der Kunden sei.
Gerade spricht er von Hygieneproblemen bei Silikon-Toys und
Harnröhrenvibratoren - einem neuen Trend der Branche -, als seine Frau
Maria in den Raum kommt und eine Raucherpause vorschlägt. Die Familienkatze
schleicht mit aus dem Haus, sie wetzt kurz ihre Krallen und schaut dann
Maria Thüry erwartungsvoll an. Die steht auf dem Bürgersteig, sie hat den
Kopf in den Nacken gelegt und dehnt sich mit weit nach oben gestreckten
Armen. "Irgendwie hab ich Muskelkater und weiß gar nicht wovon."
Vierzehn Stunden dauert ein Tag im Waldmichlsholdi-Betrieb, die Arbeit ist
hart. Große Kisten gelieferter Kondome, Batterien oder Gleitmittel
schleppen, konzentriert über den Dildo gebeugt Lack auftragen und
zwischendurch immer wieder die schmale Treppe zur Werkstatt hinaufklettern.
"Das ist aber eine gesunde Form von Stress, weil jeder hier dasselbe Ziel
hat", sinniert Herr Thüry. "Wir wollen den Menschen ja nur Freude
bereiten."
Zu Beginn wollte Elmar Thüry die Geschäftsidee noch geheimhalten im Ort,
doch "mit dem Impressum im [1][Onlineshop] hat das relativ schnell jemand
herausgefunden. Dann hat es sich natürlich rumgesprochen." Die Skepsis der
Gemeinde mit Gesangs- und Heimatverein hat sich bald gelegt, beim Tag der
offenen Tür vor ein paar Monaten kamen mehr als tausend Leute aus der
Region. Die mitgebrachten Kinder spielten auf dem Hof, während sich die
Erwachsenen drinnen die Ausstellung angucken und einkaufen konnten.
Das Waldmichlsholdi-Prinzip lautet: Handarbeit, Sicherheit, einfache
Bedienung. Der Trend hin zu einem nachhaltigen Lebensstil ist auch im
Odenwald angekommen. "Früher hatten wir hauptsächlich ältere Kunden.
Inzwischen werden sie immer jünger, Material und Verarbeitung rücken in den
Vordergrund", erzählt Elmar Thüry. In fünf Jahren gab es nur eine einzige
Reklamation. Wegen Verformung. "Da muss vorher schon was durchgebrannt
sein", murmelt Elmar Thüry und streicht sanft über die unbearbeiteten
Holzbalken, die noch züchtig in der Ecke des großen, holzstaubbedeckten
Dachstuhls liegen.
21 Aug 2011
## LINKS
(DIR) [1] http://www.waldmichlsholdi.de/
## AUTOREN
(DIR) Jan Pedd
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