# taz.de -- Kolumne Habseligkeiten: Solidarität mit Schwaben
       
       > Schützt es mich vorm Autoanzündler, dass ich aus NRW komme? Nein, denn
       > der Berliner kennt nur sich selbst. Und auch den mag er nicht besonders.
       
       Anfang letzter Woche wünschte ich mir noch dringend, dass endlich jemand
       ein Auto mit Pyrolysefunktion erfindet. Wir haben so etwas in unserem
       Backofen. Wir müssen ihn nur furchtbar aufheizen, dann fällt der Schmutz in
       sich zusammen und lässt sich ganz einfach wegwischen. Nur leider habe ich
       diese Funktion bei unserem Ofen noch nie benutzt, weil ich bis vor Kurzem
       nicht verstanden hatte, dass wir überhaupt mit ihr gesegnet sind. Mir
       erscheint sie sogar für einen so kleinen und unkomplizierten Raum wie das
       Innere eines Ofens recht überflüssig.
       
       Aber für unser von oben bis unten besudeltes Auto stellte ich mir so etwas
       herrlich vor. Nie wieder würde ich die Reste von Knabbereulen und
       Knusperriegeln, von Brezeln, Brötchen, Reiswaffeln, Bananenscheiben oder
       Apfelspalten, die kleine Hände fallen lassen, mühsam von den Sitzen kratzen
       müssen. Einmal gehörig aufheizen, und selbst die Milchreste vom Cappuccino
       to go am Schaltknüppel wären futsch.
       
       Das, was jetzt noch wie ein rollender Misthaufen erscheint, wäre wieder ein
       honoriges Fahrzeug, mit dem wir auch Fremde mitnehmen könnten, ohne dass
       ihre sauberen Schuhe in unserer Schokoladenpapiersammlung dreckig werden.
       
       Inzwischen aber, und es ist nicht viel Zeit vergangen, wünsche ich mir nur
       eins, nämlich unser Auto möge nicht in Flammen aufgehen, auch nicht zur
       Selbstreinigung, sondern lange halten. Denn: Hier in Berlin werden wieder
       links und rechts von uns alle möglichen Dinge von Vollidioten angezündet,
       es ist zum Wahnsinnig werden. Nachts können wir schon nicht mehr schlafen,
       weil Hubschrauber mit Wärmebildkameras über unserem Viertel kreisen, um die
       Bösewichte zu fangen.
       
       Ein Täter, der sich auf Kinderwagen im Treppenhaus spezialisiert hatte, gab
       als Motiv "Schwabenhass" an. Gut, dachte ich kurz, dass ich aus NRW komme.
       Dann aber schmolz mein Herz bei dem Gedanken an all die liebenswerten
       Schwaben, die ich kenne. Wie kann man solche Menschen hassen?
       
       Auch hört man viel Schlimmes über Berliner Schulen. Wer garantierte mir
       denn, dass diese Pyromanen nicht ständig blau gemacht haben und nun denken,
       der Niederrhein läge in Baden-Württemberg? Der Berliner hält doch selbst
       Jogi Löw und Wolfgang Schäuble für Schwaben, obwohl sie unüberhörbar aus
       Baden stammen! Rheinländer werden mit Ruhrgebietlern verwechselt, Franken
       mit Niederbayern. Der Berliner kennt nur sich selbst, und auch den mag er
       nicht besonders, sonst gingen die Menschen in dieser Stadt freundlicher
       miteinander um.
       
       Damit unser Golf, der Bugaboo und der Chariot-Captain-XL-Fahrradanhänger
       nicht auch als Symbole fieser Spießerlebensweisen in Flammen aufgehen,
       schimpfe ich jetzt nicht mehr, wenn die Kinder ihr Eis auf Sitzgurte
       schmieren oder alte Zeitschriften schreddern. Wenn es nur in all diesen
       Gefährten so dreckig aussieht wie auf der Straße, fallen sie gar nicht mehr
       weiter auf. Mimikry nennt man das. Trotzdem würde ich, falls mir jemand
       einen Baden-Württemberg-Aufkleber schickt, den gerne aufs Rad kleben. Ein
       wenig Solidarität muss nämlich sein.
       
       23 Aug 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Natalie Tenberg
       
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