# taz.de -- Problem Hirnhautentzündung: Antibiotika mit Nebenwirkung
       
       > Schon lange wird vermutet, dass Antibiotika in der Tiermast zu
       > Resistenzen beim Menschen führen. Nun wird dies durch eine Studie einer
       > industriefreundlichen Behörde untermauert.
       
 (IMG) Bild: Die haben Platz. Wenn es eng wird, häufen sich Krankheiten. Dagegen werden Antibiotika eingesetzt.
       
       BERLIN taz | Der Einsatz von Antibiotika in der Tiermast erhöht die Gefahr,
       dass diese wichtigen Medikamente bei Menschen nicht mehr wirken. Das geht
       aus [1][einer neuen Studie] der Europäischen Behörde für
       Lebensmittelsicherheit (Efsa) hervor. Damit bestätigt das
       industriefreundliche Amt eine wesentliche Kritik, die etwa Umweltschützer
       seit Langem gegen medikamentenintensive Tierfabriken ins Feld führen.
       Antibiotika werden eingesetzt, um Infektionskrankheiten in den Ställen
       vorzubeugen oder ausgebrochene Krankheiten zu behandeln.
       
       Die EU-Kommission hatte die Studie in Auftrag gegeben, weil immer mehr
       Bakterienarten gefunden werden, die gegen Antibiotika unempfindlich sind.
       Besonders gravierend ist das im Fall der Wirkstoffgruppe Cephalosporine der
       dritten und vierten Generation, denn laut Weltgesundheitsorganisation
       gehören sie zu den wenigen Präparaten zur Behandlung etwa einer
       bakteriellen Hirnhautentzündung oder einer Salmonellen-Infektion bei
       Kindern. Sollten die Medikamente in Zukunft unwirksam werden, lassen sich
       manche Krankheiten schlechter als bisher behandeln.
       
       Klingt beunruhigend, aber warum werden die Bakterien überhaupt resistent
       gegen die Antibiotika? Eine Ursache ist, dass Menschen mit den Medikamenten
       behandelt werden: Je mehr die Bakterien den Antibiotika ausgesetzt werden,
       desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Keime etwa durch Mutation
       unempfindlich werden. Doch auch Tiere bekommen Antibiotika, und auch hier
       können die Bakterien Resistenzen entwickeln.
       
       ## Hühner am meisten betroffen
       
       Über Produkte von den Tieren – etwa Fleisch – können die Keime auf Menschen
       überspringen. Dieser Pfad lasse sich damit belegen, dass die Keime in den
       Tieren genetisch identisch sind mit denen, die in Menschen nachgewiesen
       wurden, schreiben die Efsa-Wissenschaftler. Außerdem führen sie unter
       anderem eine Studie aus Kanada an: Als dort Geflügelbrütereien in mehreren
       Regionen zur Seuchenvorbeugung nicht mehr Cephalosporine in die Eier
       spritzten, habe es sowohl in Geflügelfleisch als auch bei Menschen weniger
       gegen das Antibiotikum unempfindliche Bakterien gegeben.
       
       Unter allen Tieren, mit denen Lebensmittel produziert werden, wurden
       antibiotikaresistente Bakterienstämme laut Efsa am häufigsten in Hühnern
       gefunden – meistens waren es die Keimarten Salmonellen und Escherichia
       coli, zu denen auch die nach ihrem letzten Ausbruch in Deutschland
       berühmt-berüchtigten Ehec-Erreger gehören.
       
       Warum vor allem Hühner betroffen sind, lässt die Studie offen. Auffällig
       ist allerdings, dass die Anzahl der Tiere in einem Stall hier besonders
       groß ist: 40.000 Hühner in einem Betrieb sind in Deutschland keine
       Seltenheit. Und je mehr Tiere auf engstem Raum zusammenleben, desto
       leichter kann sich ein antibiotikaresistenter Keim ausbreiten.
       
       ## "Zusätzlicher Risikofaktor ist der umfangreiche Tierhandel in den
       EU-Staaten"
       
       "Ein zusätzlicher Risikofaktor ist der umfangreiche Tierhandel in den
       EU-Staaten", heißt es in der Efsa-Studie weiter. Denn mit den
       Tiertransporten quer über den Kontinent reisen auch die unempfindlichen
       Bakterien quer durch Europa.
       
       Die Wissenschaftler weisen in diesem Zusammenhang darauf hin, dass nur zwei
       Unternehmen mehr als 85 Prozent des europäischen Marktes für
       Großelterntiere beherrschen, aus denen Hühner für die Fleischproduktion
       gezüchtet werden. Wenn ein antibiotikaresistenter Keim in einer dieser
       beiden Firmen auftritt, könnte er also schnell auf eine ganze Reihe von
       Betrieben überspringen.
       
       Um die Gefahr in den Griff zu bekommen, empfiehlt die Efsa, dass
       Tierproduzenten weniger Antibiotika benutzen. Besonders effizient wäre es
       den Wissenschaftlern zufolge, Nutztiere überhaupt nicht mehr mit
       Cephalosporinen der dritten und vierten Generation zu behandeln. Als
       Kompromiss, schließen die Experten, könnte die EU den Einsatz dieser
       Medikamente nur unter bestimmten Umständen zulassen.
       
       24 Aug 2011
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://www.efsa.europa.eu/de/press/news/110802a.htm
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jost Maurin
 (DIR) Jost Maurin
       
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