# taz.de -- Generalstreik in Chile: Protest gegen Piñera weitet sich aus
       
       > Die Gewerkschaft rief zu einem zweitägigen Generalstreik gegen die
       > Rechtsregierung auf. Die Regierung sagt, das war ein Flop, die
       > Funktionäre hingegen sind zufrieden.
       
 (IMG) Bild: Wieder waren viele Schüler und Studenten an den Protesten in Chile beteiligt.
       
       PORTO ALEGRE taz | Der Konflikt zwischen Chiles Rechtsregierung und immer
       größeren Teilen der Bevölkerung spitzt sich zu. Höhepunkt ist bislang der
       48-stündige Protest, zu dem jetzt der Gewerkschaftsdachverband CUT
       aufgerufen hatte. Am Dienstagabend wurde der "Generalstreik" mit einem
       landesweiten Töpfe- und Pfannenschlagen eingeläutet. Wieder beteiligten
       sich Zehntausende SchülerInnen und Studierende.
       
       Gemessen an den Erwartungen, die das große Wort vom Generalstreik auslöst,
       konnte sich die Regierung am Mittwoch gelassen geben. Präsident Sebastián
       Piñera lud 15 Twitterer zum Essen und erklärte: "Das Ziel war es, Chile zu
       schaden", doch sei das Leben "ziemlich normal" weitergelaufen. In Santiago
       funktionierte das Bussystem Transsantiago zu 95 Prozent, zu
       Arbeitsniederlegungen in der Privatwirtschaft kam es kaum. Nur 14,3 Prozent
       der öffentlichen Angestellten hätten gestreikt, hieß es aus dem
       Arbeitsministerium. "Ein großer Fehlschlag", frohlockte Vizeinnenminster
       Rodrigo Ulloa.
       
       Der Nationale Verband der Öffentlichen Funktionäre hingegen schätzte die
       Beteiligung auf 80 Prozent. Selten jedenfalls waren die Proteste so
       vielfältig und dezentral wie am Mittwoch: Geschlossene Behörden,
       Menschenketten und unzählige Märsche gab es nicht nur in der Hauptstadt,
       sondern in vielen Landesteilen.
       
       Bereits am Dienstagabend setzte die Polizei im Zentrum Santiagos
       Wasserwerfer ein. In vielen Städten wurden Barrikaden errichtet, vereinzelt
       kam es zu Plünderungen. In der südlichen Hafenstadt Puerto Montt
       protestierten 20.000 Menschen, 70 Schiffe formierten sich zu einer
       Demostration im Hafen. Die Regierung meldete am ersten Streiktag 348
       Festnahmen und 19 verletzte Polizisten. Für Donnerstag waren vier große
       Protestzüge in Santiago geplant.
       
       ## 37 Tage Hungerstreik
       
       Die CUT, in deren Gewerkschaften nur noch ein Zehntel aller abhängig
       Beschäftigten organisiert sind, fordert höhere Unternehmensteuern, neue
       Arbeitsgesetze und mehr Geld für das Bildungs- und Gesundheitswesen. Wie 80
       weitere Organisationen machen sich die Gewerkschafter für eine neue
       Verfassung, ein Ende der neoliberalen Wirtschaftspolitik, der
       Medienkonzentration und der Antiterrorgesetzbegung stark, also jener
       Grundpfeiler, die in der Pinochet-Diktatur (1973-90) eingerammt wurden.
       
       Das unsoziale Bildungswesen, das nur zu einem Viertel vom Staat finanziert
       wird, ist das Paradebeispiel. Am Mittwoch beendeten sechs Schüler nach 37
       Tagen ihren Hungerstreik - "trotz der Gleichgültigkeit der Regierung", wie
       sie sagten. Kostenlos sind in Chile nur die Grundschulen, ab der
       Sekundarstufe können Gebühren verlangt werden. Bildung ist nicht mehr
       Aufgabe des Zentralstaats, sondern der oft klammen Kommunen.
       
       Jeweils 60 Prozent der Schulen und Universitäten sind in privaten Händen.
       Das Studium ist grundsätzlich kostenpflichtig. 70 Prozent der Studierenden
       müssen private oder staatliche Kredite aufnehmen, weshalb viele mit hohen
       Schulden ins Berufsleben starten. Da viele der ärmeren Studierenden zuvor
       die billigeren und schlechter ausgestatteten öffentlichen Schulen besucht
       haben, sind ihre Chancen für eine Aufnahme bei den begehrten staatlichen
       Universitäten geringer. Deshalb müssen sie oft auf die teureren Privatunis
       ausweichen.
       
       Die Vorschläge der Regierung wie eine Aufstockung der staatlich
       garantierten Ausbildungskredite und eine Senkung von deren Zinssätze lehnt
       die Studentensprecherin Camila Vallejo als Kosmetik ab. "Wir wollen dieses
       Bildungssystem nicht verbessern, wir wollen es durch ein anderes ersetzen",
       sagt sie.
       
       25 Aug 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Gerhard Dilger
       
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