# taz.de -- Neuwiedenthal-Prozess: Mission für die polizeiliche Seite
       
       > Im Prozess um die Schlägerei von Hamburg-Neuwiedenthal glaubt der Anwalt
       > des Angeklagten, dass der Nebenklageanwalt im Auftrag der
       > Polizeigewerkschaft handelt.
       
 (IMG) Bild: Massenschlägerei im Juni 2010: Im Prozess werden am Montag die Plädoyers gehalten.
       
       HAMBURG taz | Der Prozess um die Massenschlägerei in Hamburg-Neuwiedenthal,
       bei der der Polizist Günter J. am 26. Juni 2010 mehrere Augenhöhlenbrüche
       davon getragen hat, geht nach mehr als 30 Verhandlungstagen dem Ende
       entgegen. Seit Dezember 2010 muss sich Amor S. wegen gefährlicher
       Körperverletzung vor dem Hamburger Landgericht verantworten. Die
       Vorsitzende Richterin Birgit Woltas hat für Montag die Plädoyers von
       Staatsanwaltschaft und Nebenklage angekündigt.
       
       Über die Sommerpause hinweg hatte es hinter den Kulissen um einen zentralen
       Aspekt einen heftigen Disput gegeben, der sogar das Oberlandesgericht (OLG)
       beschäftigte. Der Verteidiger von Amor S., Uwe Maeffert, wollte die Akte
       über die Prozesskostenhilfe des Nebenklägers und damaligen
       Polizeieinsatzleiters, Oliver. P. einsehen. Maeffert vermutet, dass P.s
       Nebenklageanwalt Andreas Karow, der am Donnerstag in letzter Minute über
       die Harburger Anzeigen und Nachrichten eine Belohnung von 1.000 Euro für
       Belastungszeugen aussetzte, "übergeordnete Interessen" verfolgt und im
       Auftrag der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) den Prozess geführt hat.
       
       Grund dafür: Die Massenschlägerei hatte damals bundesweit die Diskussion
       nach einer Strafverschärfung bei Gewalt gegen Polizisten angeheizt, bei der
       DPolG-Landeschef Joachim Lenders eine zentrale Rolle eingenommen hatte und
       deshalb ein Interesse an der Verurteilung von Amor S. haben könnte.
       
       Oliver P. gibt zwar an, bei dem Tohuwabohu eine Verletzung am Rücken davon
       getragen zu haben, er hatte sich aber nie in ärztliche Behandlung begeben -
       im Gegenteil, seinen Dienst noch in der Nacht weiter verrichtet.
       
       Vor dem Landgericht überraschte Oliver P. im Beisein seines Rechtsbeistands
       Karow dann mit der Behauptung, Zivilfahnder Jörg Sch. - der einzige Zeuge,
       der Amor S. belastet, jedoch die Aussage verweigert - hätte ihm noch am
       Tatabend Amor S. als Täter genannt. Tatsächlich hatte Oliver P. als
       Einsatzleiter aber keine Fahndung nach S. eingeleitet. Und auch später hat
       er seinen Namen in polizeilichen Vernehmungen nie erwähnt.
       
       Stutzig wurde Maeffert überdies, als in der Juni-Ausgabe der
       DPolG-Zeitschrift Polizeispiegel ein Interview mit Karow erschien, in dem
       der Jurist die Berufsrichterinnen im Verfahren, die erhebliche Zweifel an
       der Polizeiversion hegen, scharf attackiert. Polizeibeamte als Verletzte
       und als Zeugen würden "durch die Organe der Rechtspflege respektlos
       behandelt", kritisierte Karow. Es käme in dem Verfahren "zu einer
       beschämenden Vertauschung von Täter- und Opferrollen", die strafprozessuale
       Welt würde auf den Kopf gestellt. "Ich sehe meinen Auftrag hier, die Dinge
       wieder vom Kopf auf die Füße zu stellen, dafür mache ich zur Zeit gern
       Überstunden."
       
       Das höre sich schon nach einer "Mission für die polizeiliche Seite" an,
       findet Maeffert. Karows "auffälliges Prozessverhalten" und seine
       Parteinahme habe eine "besondere Prägung", die über die
       Interessenvertretung eines einzelnen Beamten hinausgehe - zumal Karow im
       Verlauf des Verfahrens das Mandat für weitere Polizisten als Zeugenbeistand
       übernahm - immer dann, wenn diese in die Bredouille gerieten.
       
       Hellhörig machte Maeffert auch, dass im Polizeispiegel damit geworben wird,
       dass in Ermittlungsverfahren Beamte keine Kostenabwägungen treffen müssten.
       "Für Gewerkschaftsmitglieder bin ich als Spezialist ausnahmsweise bereit,
       zu den gesetzlichen Gebühren zu arbeiten", sagte Karow. Und weiter. "Die
       Gewerkschaft übernimmt die Kosten des Anwalts, egal ob - salopp gesagt -
       gewonnen oder verloren wird."
       
       Wenn Oliver P. jedoch Rechtsschutz von der DPolG erhielte, wäre die
       staatliche Prozesskostenhilfe ein "schlechter Scherz", so Maeffert. Um das
       zu überprüfen, verlangte er Einsicht in die Antragsunterlagen für
       Prozesskostenhilfe. Das hat das Landgericht jedoch mit dem Hinweis auf das
       "informationelle Selbstbestimmungsrecht" abgelehnt. Maeffert hatte
       daraufhin vor dem OLG geklagt. Wer Hartz IV beantrage, müsse seine
       persönlichen Verhältnisse auch offenlegen, argumentierte er. Zwar lehnte
       das OLG seinen Antrag formal als "unzulässig" ab, da das Gericht nicht in
       ein laufendes Verfahren eingreifen wollte. Es verwies aber auf die
       Möglichkeit, dass die Bewertung des Landgerichts fehlerhaft sein und in der
       Revision als Behinderung der Verteidigung gewertet werden könnte. "Das ist
       eine spannende Rechtsfrage", sagt Maeffert, "die ist höchstrichterlich noch
       nie entschieden worden."
       
       26 Aug 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Kai von Appen
       
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