# taz.de -- Starker Franken in der Schweiz: Auf Krawall gebürstet
       
       > Die Schweizer haben ein Frankenproblem. Sie können zwar billig in
       > Deutschland Autos kaufen oder in die USA zum Shoppen fliegen. Doch die
       > Wirtschaft ächzt unter den Folgen.
       
 (IMG) Bild: Kein selbstverständliches Naturprodukt: der starke Franken.
       
       Die bodenständigen unter den Schweizerinnen und Schweizern - also ziemlich
       viele der rund sieben Millionen - zählen drei Dinge zum Kernbestand der
       "Swissness", wie es neuerdings heißt: Ruhe und Ordnung, "unsere" Berge und
       den Schweizer Franken. Was die Berge betrifft, so spricht der Titel eines
       populären Schweizer Lexikons aus dem Jahr 1975 Klartext: "Die Schweiz - vom
       Bau der Alpen bis zur Frage nach der Zukunft".
       
       Der Franken allerdings ist den vermeintlichen Erbauern der Alpen jetzt zum
       "Frankenproblem" (Neue Zürcher Zeitung) geworden. Er ist im letzten Jahr um
       rund 30 Prozent stärker geworden im Verhältnis zum Euro.
       
       Das freut die Schweizer, die zwischen Bodensee und Basler Rheinknie über
       den Rhein fahren und billig einkaufen, ebenso wie jene, die in die USA
       reisen und mit vollen Koffern zurückkommen. Die Zöllner am Flughafen
       Zürich-Kloten müssen Überstunden machen und erwischen Viele mit Waren im
       Wert von weit über 300 Franken, die abgabenfrei eingeführt werden dürfen.
       Die gewissenhaft prüfenden Zollbeamten sind unerbittlich und wollen
       Shopping-Quittungen sehen. Schlaumeier, die es ohne Quittungen versuchen,
       müssen sich auf lange Wartezeiten einstellen, denn in diesen Fällen wird
       der Warenwert geschätzt - aber nur von den wenigen darauf spezialisierten
       Experten.
       
       ## In der Schweiz probieren, in Deutschland kaufen
       
       Ziemlich allergisch reagieren auch die Schweizer Autohändler auf den hohen
       Frankenkurs. Für einen Wagen der gehobenen Klasse spart der Eidgenosse
       momentan gern 20- bis 40.000 Franken, wenn er ihn in Zürich oder Basel zwar
       Probe fährt, aber in Konstanz oder Weil am Rhein kauft. Auf Krawall
       gebürstet ist die Tourismusbranche, die ebenso Steuererleichterungen
       verlangt wie die gesamte Exportindustrie.
       
       Die Regierung reagierte mit der Ankündigung eines
       Zwei-Milliarden-Stützungsprogramms. Das ist eine Beruhigungspille - im
       Herbst wird in der Schweiz gewählt -, denn mit 2 Milliarden kann man wenig
       ausrichten bei einem Exportvolumen von 300 Milliarden Franken und einem
       Bruttoinlandsprodukt von 500 Milliarden. Schweizer Firmen planen sich
       schadlos zu halten, indem sie ihren Mitarbeitern aus dem Grenzgebiet den
       Lohn nicht mehr in Franken, sondern in Euro auszahlen und damit ihre
       Lohnkosten kalt um 30 Prozent verringern.
       
       Für die Chorsänger der "schweizerischen Stabilitätskultur" (Tobias
       Straumann) gehören solche Praktiken zur "Swissness". Die NZZ hat die Gegner
       bereits im Visier: "Intellektuellenkreise" reden von "Frankenkrise" und
       wollen doch nur "Märkte der strengen Zähmung durch den Staat" unterwerfen,
       weil "der Kapitalismus vor allem den Reichen zur weiteren Bereicherung
       diene".
       
       ## Flucht- und Schwarzgelder in Schweizer Banken
       
       Der starke Franken ist kein Naturprodukt und so wenig ein Eigenbau der
       Schweizer wie angeblich die Berge. Es gibt ihn erst seit dem Ersten und
       Zweiten Weltkrieg. Von beiden Kriegen profitierte der "Finanzplatz
       Schweiz", weil die durch Kriegskredite und -verluste geschwächten Währungen
       und die Spekulanten einen sicheren Hafen suchten. Seit 1918 und verstärkt
       seit 1945 leben Schweizer Banken von Flucht- und Schwarzgeldern.
       
       Die Alberiche von der Zürcher Bahnhofstraße haben zwar in den letzen Jahren
       die eine oder andere Schlappe einstecken müssen - die Skandale um verwaiste
       jüdische Konten, Raubgold und Geldwäscherei für Drogen- und Waffenhändler
       brachten sie um den Rest ihres Ansehens -, aber der jüngste Deal mit den
       deutschen Finanzbehörden tangiert das Geschäftsmodell "Steueroase" nicht:
       Für die schon gehorteten 100 Milliarden Franken von Steuerhinterziehern und
       anderen Kriminellen bezahlen die Schweizer Schäuble eine Ablassgebühr von 2
       Milliarden Franken allemal aus der Portokasse.
       
       Schäubles Vorgänger Peer Steinbrück wollte noch die Kavallerie an die
       Limmat schicken, um Steuergelder einzuziehen, und versetzte das Land in
       Aufregung. Eine späte Retourkutsche der Berner Verkehrsministerin Doris
       Leuthard vom letzten Montag beschäftigte nur die Schweizer Presse. Die
       Schweiz steht wegen des Lärms unter den Einflugschneisen zum Zürcher
       Flughafen seit Jahren in einem Dauerkonflikt mit Baden-Württemberg.
       
       Hier gibt es eine starke Opposition gegen den Schweizer Lärmexport. Die
       Ministerin beleidigte letzte Woche Siegfried Kauder,
       CDU-Bundestagsabgeordneter aus Villingen-Schwenningen und Bruder des
       Fraktionschefs Volker Kauder, indem sie Kauder und die Oppositionen gegen
       den Fluglärm als "Taliban" bezeichnete. In Süddeutschland erregte sie damit
       lauten Protest und entschuldigte sich umgehend für die Wortwahl. Die
       Schweizer Flugwaffe bleibt aber ebenso in den Hangars wie die Berliner
       Kavallerie in den Ställen rund um den Gendarmenmarkt.
       
       30 Aug 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Rudolf Walther
       
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