# taz.de -- Nach Sozialprotesten in Burkina Faso: Zwei Hühner mehr im Monat
       
       > Als ein Schüler in einem Krankenhaus starb, brach ein Aufstand los. Die
       > schuldigen Polizisten erhalten jetzt hohe Haftstrafen. Nicht alle
       > Ursachen der Proteste sind beseitigt.
       
 (IMG) Bild: Nur der Reis ist billiger geworden in Burkina Faso.
       
       OUAGADOUGOU taz | Gemüse ist nicht das Problem. Okraschoten wachsen am Zaun
       des Schulgeländes. Den Randstreifen hat er von Unrat befreit, die
       geschenkten Samen vor dem Regen ausgesät. Salifs Problem sind vielmehr die
       Hühner. Er wollte zwei, um mit seiner Familie das Ende des Ramadan zu
       feiern. Kosten: 5.000 CFA-Franc, rund 7 Euro.
       
       Ein Hammel war bei monatlich 35.000 CFA-Franc Einkommen und einem
       Hammelpreis von 40.000 nicht drin. Als Arbeiter im Privatsektor ist die
       Börse des dreifachen Vaters auch nach den Unruhen in Burkina Faso nicht
       praller als vorher. Nur der Reis ist billiger.
       
       Andere konnten dagegen profitieren: Mehr Geld gibt es seit den Unruhen für
       Beamte, Soldaten, Polizisten, Kaufleute. Salifs Nachbarin arbeitet im
       öffentlichen Dienst und zahlt nun 10 Prozent weniger Einkommensteuer als
       früher. Das trägt ihr zwei Hühner mehr im Monat ein.
       
       Die Aufstände hatten das scheinbar so friedliche Burkina Faso im Frühjahr
       erschüttert: nach Schülerprotesten lynchte ein Mob einen Polizisten,
       Soldaten randalierten gegen die Bestrafung eines Kameraden, bei Banken und
       Parlament zersplitterten Scheiben. Öffentliche Gebäude und die Zentrale der
       Regierungspartei wurden angezündet. Gewalttätige Proteste gab es auch von
       Präsidentengarde, Elitepolizisten, Gendarmerie. Ein Querschläger tötete ein
       Mädchen. Kaufleute demonstrierten gegen Plünderungen, Verbraucher gegen die
       Teuerung, Lehrer für mehr Gehalt, Finanzbeamte für einen höheren
       Prämientopf.
       
       Hintergrund des Unmuts war die allgemeine Unzufriedenheit, die
       Perspektivlosigkeit der Jugend, die Bereicherung einzelner Familien und die
       Aussicht darauf, dass Präsident Blaise Compaoré über seine bisherigen knapp
       24 Amtsjahre hinaus auch im Jahr 2015 wiedergewählt werden möchte. Auf den
       fahrenden Protestzug sprangen Uniformträger, die mit erhobenen Waffen
       versprochene Zulagen einforderten.
       
       ## Auslöser war eine Ohrfeige
       
       Compaoré tauchte zuerst ab. Dann ließ er eine Ausgangssperre verkünden,
       tauschte die Regierung aus, machte den Soldaten Zusagen, senkte Steuern und
       ernannte sich selbst zum Verteidigungsminister. Schließlich befahl er
       seiner Garde, auf aufständische Soldaten zu schießen. Allmählich wurde es
       ruhig.
       
       Unmittelbarer Auslöser der Unruhen war im Februar eine Ohrfeige gewesen.
       Zwei 28-jährige Polizeibeamte in der Stadt Koudougou wurden gegenüber dem
       Gymnasiasten Justin Zongo handgreiflich. Der Schüler wurde in eine Zelle
       gesperrt und verhört. Der Vorgesetzte der Polizisten vernachlässigte
       Beschwerden des Jungen. Der starb am 20. Februar, wahrscheinlich an einer
       Gehirnblutung. Die offizielle, später in Zweifel gezogene Todesursache
       lautete Meningitis. Eine Autopsie erfolgte nicht.
       
       Jetzt verurteilte ein Gericht die drei Polizisten wegen der Schläge mit
       Todesfolge zu zehn beziehungsweise acht Jahren Gefängnis. Das Verfahren
       dauerte nur zwei Tage.
       
       Das Urteil wird im Gespräch unterschiedlich bewertet. "Die Regierung will
       die Akte schließen", sagt eine Frau. "Gerechte Justiz oder Staatsräson?",
       fragt ein Journalist. Ein junger Mann sorgt sich um den korrekten Umgang
       mit den aufständischen Militärs. Rund 170 von ihnen sollen in Ouagadougous
       Gefängnis Maco sitzen. "Ob das mit der Besuchserlaubnis für Angehörige
       wirklich klappt?", grübelt eine Dame und fürchtet, die Gefangenen könnten
       liquidiert werden.
       
       Die unabhängige Zeitung L'Evénement zitiert den Verteidiger der
       verurteilten Polizisten. "Meine Mandanten können die Opferlämmer des
       Ramadan sein. Aber das bringt den Frieden im Land nicht zurück."
       
       1 Sep 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Marianne Lange
       
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