# taz.de -- die wahrheit: Happy feet, unhappy fish
       
       > Neues aus Neuseeland: Eine denkwürdige Woche. Am Sonntag feierten oder
       > besser betrauerten wir das erste Jahr in einer Erdbebenzone...
       
       Eine denkwürdige Woche. Am Sonntag feierten oder besser betrauerten wir das
       erste Jahr in einer Erdbebenzone. Damals, am 4. September 2010, wurden wir
       um 4.35 Uhr von einem furchtbaren Getöse aus unseren Betten geschmissen und
       wussten noch nicht, dass das erst der Auftakt war. Jetzt aber schnell zu
       den guten Nachrichten, bevor alle katastrophenmüde werden und uns niemand
       mehr besuchen kommt: Am Freitag beginnt die Rugby-Weltmeisterschaft, hurra!
       In Aotearoa herbeigesehnt wie einst in Bethlehem die Ankunft Christi. Oder
       ein neues Apple-Handy in New York.
       
       Aber die eigentliche Sensation passierte am Montag: Happy Feet rutschte mit
       seinen glücklichen Füßen voran ins Meer. Nach der Aufpäppelung im Zoo von
       Wellington wurde unserem berühmtesten Pinguin in der subantarktischen See
       die Freiheit geschenkt. Eine Sonde wird ihn bis zur nächsten Mauser
       begleiten. Falls ihn vorher kein Hai frisst.
       
       Wer Happy Feet nicht kennt, hat wahrscheinlich auch Knut, den Eisbären,
       verpasst, und das will schon was heißen. Man konnte dem Vogel die letzten
       Wochen nicht entkommen. Der dicke Königspinguin war an der Küste
       Neuseelands gestrandet, über 3.000 Kilometer von seiner kalten Heimat
       entfernt. Statt Schnee zur Abkühlung schluckte er Sand und drohte zu
       verenden. Ein Rätsel der Natur: Wie konnte er so weit schwimmen? Hatte er
       sich verirrt? Seine Retter tauften ihn "Happy Feet" nach dem
       Zeichentrickfilm. "Forrest Gump" hätte vielleicht besser gepasst: Schwimm,
       Forrest, schwimm!
       
       Und er schwamm. Was darauf schließen lässt, dass das Tier wahrscheinlich
       einen genetischen Schaden hat, da sein Orientierungssinn so erbärmlich
       versagte. Ob es nach darwinistischem Prinzip sinnvoll ist, einen Pinguin
       mit defekter DNS zurück in seine Kolonie zu entsenden, sollen die Forscher
       entscheiden. Ob es jedoch sinnvoll war, rund 30.000 Dollar in die Pflege
       und in etliche Operationen für ein einziges Tier zu pumpen, wird nun rund
       um den Globus diskutiert.
       
       Nicht dass die halbe Million Königspinguine am Südpol vom Aussterben
       bedroht sind. Bedroht dagegen ist die Zahl der Neuseelandtouristen in
       diesem Erdbebenjahr, und da ist jede Investition in tierliebe Publicity nur
       recht. Bei den tatsächlich gefährdeten Insekten-, Motten- oder
       Reptiliensorten funktioniert so ein Medienhype ohne putziges Disney-Vorbild
       leider nur schlecht.
       
       Dumm ist auch, dass Neuseelands Sorge um Flora und Fauna am Polarkreis
       endet. Denn die Kiwis fischen fröhlich in einem der letzten unberührten
       Gewässer der Welt und ziehen jedes Jahr Tonnen an antarktischem Seehecht
       aus dem Meer, der sich im Jahr für umgerechnet 10 Millionen Euro als
       "Toothfisch" in amerikanischen Edelrestaurants verkaufen lässt. Warum also,
       wie 25 andere Nationen, eine Konvention unterzeichnen, die die 650.000
       Quadratmeter der Ross-See zur Marineschutzzone erklären würde? Falls es
       Happy Feet dorthin nach Hause schafft, ist er dann gar nicht mehr so happy,
       weil ihm irgendwann das fischige Futter ausgeht.
       
       8 Sep 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Anke Richter
       
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