# taz.de -- Spanien-Rundfahrt Vuelta: "Ich hatte keine Ambitionen"
       
       > Die Spanien-Rundfahrt hat einen überraschenden Sieger gefunden. Juan José
       > Cobo musste Depressionen überwinden, bevor er die Vuelta gewinnen konnte.
       
 (IMG) Bild: Nichts zu verlieren, alles gewonnen: Juan Jose Cobo (2. v. r.).
       
       MADRID taz | Es war eine ungewöhnliche Spanien-Rundfahrt, die am Sonntag
       einen seltsamen Sieger fand. Am Ende setzte sich ein an Depressionen
       leidender Radprofi gegen einen Nobody aus dem traditionsreichen
       Radsportland Kenia durch.
       
       Juan José Cobo rollte als Sieger nach Madrid, Zweiter wurde der Exot Chris
       Froome. Aber auch ansonsten war dies eine Vuelta wie keine zuvor: Die
       designierten Favoriten hatten gepatzt, Sprintetappen waren auf ein Minimum
       reduziert, und an die Strecken kamen mehr Leute als gewohnt. Die
       Spanien-Rundfahrt ist aus ihrem Dornröschenschlaf erwacht.
       
       Der Dank dafür gebührt vor allem Cobo. Niemand hatte mit dem Erfolg des
       "Bisons von La Pesa", wie der 30-Jährige wegen seiner etwas gedrungenen
       Gestalt genannt wird, gerechnet. Selbst Eusebio Unzue, im letzten Jahr
       Cobos Teamchef, schien völlig verblüfft von dessen Performance. "Er hat
       niemals zu uns gepasst. Er hat sein Bestes gegeben, aber einfach nicht
       seinen Platz bei uns gefunden", sagte der Boss des spanischen Teams
       Movistar.
       
       "Ich bin überrascht, ihn jetzt auf diesem Niveau zu sehen", plauderte Unzue
       weiter und berichtete von der Anfälligkeit Cobos: "Ich habe in 40 Jahren
       niemals einen Profi gesehen, der in solch schnellen Zyklen von einem sehr
       hohen Niveau zu einem sehr niedrigen Level wechselt." Aus dem Munde des
       Betreuers des hartnäckigen Dopers Alejandro Valverde klingt eine solche
       Überraschung über extreme Leistungsschwankungen natürlich alarmierend.
       
       Im Falle Cobos, bei dem wegen seines Pyrenäensturmritts während der der
       Tour de France 2008 gemeinsam mit den später wegen CERA-Dopings aus dem
       Verkehr gezogenen Riccardo Ricco und Leonardo Piepoli der
       Leistungsbetrugsverdacht seinerseits durchaus vorhanden war, kommt jedoch
       als eine andere - und vielleicht entscheidende - Ursache ins Spiel:
       Depression.
       
       ## "Wenn du alles verlierst, befreit dich das"
       
       Vor anderthalb Jahren habe er sich in sein Zimmer eingeschlossen und es für
       einen Monat nicht verlassen, sagte Cobo am Tage seines historischen
       Triumphes auf der Bergetappe zum Angliru. "Ich wollte niemanden sehen und
       erst recht nicht aufs Rad steigen", blickte er zurück.
       
       Doch immerhin rappelte er sich wieder auf, heuerte bei seinem alten Team
       Geox - ein Nachfolgerennstall von Saunier Duval - an und kam zur Vuelta.
       "Ich hatte keine Ambitionen, haben nicht an den Sieg oder das Klassement
       gedacht", meinte er.
       
       Gerade diese Abwesenheit von Erwartungen könnte zum Leistungssprung des
       bislang nur mit einem Etappensieg bei der Vuelta und dem Gesamtsieg der
       Baskenlandrundfahrt aufgefallenen Profis geführt haben.
       
       "Wenn du alles verlierst, wenn alles von dir abfällt, befreit dich das",
       erklärte er - und holte sich mit dieser Aussage prompt das etwas
       überschwängliche Lob von El País ein: Unbewusst habe Cobo damit ein
       Lehrbuch der Psychologie verfasst, spekulierte die spanische Tageszeitung.
       
       ## Alle aus den Schuhen gefahren
       
       Sei es, wie es sei. Ein nicht wiederzuerkennender Cobo eroberte am
       Königswochenende der Vuelta in den asturischen Bergen das rote Trikot und
       gab es seitdem nicht mehr ab. Er profitierte dabei von einem Hungerast des
       Titelverteidigers Vincenzo Nibali. Der machte in den Folgetagen nicht den
       Anschein, Cobo gefährden zu können. Der Spanier fuhr auch den zweiten
       großen Favoriten Bradley Wiggins aus den Schuhen.
       
       Als einziger ernsthafter Konkurrent stellte sich dessen Adjutant von Team
       Sky, Christopher Froome, heraus. Hätte Sky von Beginn an die Kapitänsfrage
       nicht nach Reputation, sondern aktueller Leistungsstärke entschieden, hätte
       der gebürtige Kenianer möglicherweise nicht mit 13 Sekunden das Nachsehen
       gehabt, sondern sich selbst zum König der Vuelta krönen können.
       
       So erlebte die Spanienrundfahrt zwei Außenseiter, die sich über ihre
       jeweiligen Erfolge herzlich freuten. Die weitgehend erfolglosen Basken
       hielten sich durch den Sieg ihres Stars Igor Anton bei der ersten
       Etappenankunft auf baskischem Boden seit 1978 schadlos. Und mit der
       Integration dieser Region in die Landesrundfahrt ist etwas Balsam auf diese
       dem Franco-Regime geschuldete sportpolitische Wunde gelegt. Friede, Freude
       und Paella essen.
       
       11 Sep 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Tom Mustroph
       
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