# taz.de -- Aufregung um Oettingers Flaggen-Idee: EU-Kommissar auf Halbmast
       
       > Die Äußerung, Schuldensünder sollten an den "Flaggenpranger", fliegt
       > EU-Kommissar Günther Oettinger jetzt um die Ohren. Im EU-Parlament
       > fordert man eine Entschuldigung oder den Rücktritt.
       
 (IMG) Bild: Hat nicht das erste Mal verbal daneben gelangt: EU-Energiekommissar Günther Oettinger.
       
       BRÜSSEL/STRASSBURG dpa | Die Gründungsväter der Europäischen Union wie
       Robert Schuman und Jean Monnet hätten über Günther Oettinger nur den Kopf
       geschüttelt - da sind sich 151 Abgeordnete des Europaparlaments sicher.
       Seine Äußerung über einen "Flaggen-Pranger" für Schuldensünder gilt im
       Parlament als höchst unsolidarisch und uneuropäisch. Von "Sündenfall" und
       milder "Aprilscherz" ist die Rede. Fast jeder fünfte Abgeordnete - von den
       Konservativen bis zu den Linken - hat Oettinger aufgefordert, seine Worte
       zurückzuziehen oder aus der EU-Kommission auszutreten.
       
       Auch wenn das Parlament keinen Kommissar abberufen darf, so ist der Fall
       einmalig. Mit zwei Sätzen setzte sich der 57-Jährige dem Verdacht aus,
       arrogant und uneuropäisch zu sein. "Es gibt ja auch den Vorschlag, die
       Flaggen von Schuldensündern vor den EU-Gebäuden auf Halbmast zu setzen. Das
       wäre zwar nur ein Symbol, hätte aber einen hohen Abschreckungseffekt",
       sagte Oettinger der Bild-Zeitung.
       
       Über solch eine "symbolische Demütigung europäischer Nationen" erregen sich
       nun die EU-Abgeordneten. Dies sei unerhört - "unabhängig davon, ob ihre
       Regierungen Haushalts- oder andere Sünden begangen haben." Das Motto "In
       Vielfalt vereint" müsse in guten wie in schlechten Zeiten gelten - genau
       dies symbolisieren die Seite-an-Seite wehenden Fahnen für "jeden wahren
       Pro-Europäer".
       
       ## Nicht der erste verbale Ausrutscher
       
       Dass Oettinger aus Deutschland stammt, verschärft den Streit. Wegen der
       Euro-Krise liegen die Nerven blank, Kritiker in Brüssel werfen dem
       "Zahlmeister" Deutschland schon seit Monaten vor, arrogant und von oben
       herab gegenüber Schuldensündern wie Griechenland aufzutreten. Manch einer
       erinnert an den von deutschen Medien aufgebrachten Vorschlag, die Griechen
       sollten doch ihre Inseln verkaufen, um Geld einzunehmen.
       
       Nach außen hin versucht die EU-Kommission, die Wogen zu glätten und spricht
       davon, Oettinger habe lediglich seine "persönliche Meinung" geäußert, doch
       innen brodelt es. Man konzentriere sich normalerweise auf "ernst gemeinte
       Vorschläge", sagte der Sprecher von EU-Währungskommissar Olli Rehn.
       
       Es ist keineswegs das erste Mal, dass Oettinger mit einem verbalen
       Ausrutscher für Wirbel sorgt. In Brüsseler Hintergrundrunden nimmt der
       Schwabe auch zu Reizthemen wie Griechenland kein Blatt vor den Mund und
       vertritt sehr dezidierte Meinungen.
       
       Den Zorn kleiner Staaten zog sich der Deutsche zu, als er im Frühjahr
       anregte, die Zahl der Kommissare zu reduzieren. "Weniger, aber
       entschiedener wäre mehr", zitierte das Magazin Focus den CDU-Politiker.
       Schon damals griff er eines der Grundprinzipien der EU an, dass kleine wie
       große Länder nach außen hin das gleiche Gewicht haben - weswegen jedes der
       27 EU-Länder einen eigenen Vertreter in die EU-Kommission entsendet.
       
       Atom-Länder wie Frankreich ärgerten sich im März öffentlich über Oettinger,
       als er nach dem Unfall im japanischen Atomkraftwerk Fukushima mit
       dramatischen Worte sagte: "Man muss befürchten, dass das Ganze in Gottes
       Hand ist und dass sich in den nächsten Stunden weitere katastrophale
       Entwicklungen ergeben können." Dies komme einer Panikmache gleich,
       monierten französische EU-Dipomaten.
       
       ## Für Lacher gut
       
       Dabei galt Oettinger inzwischen als in Brüssel angekommen. In den
       EU-Institutionen gilt er als fleißiger Schnellanalytiker, der sich in sein
       Fachgebiet Energie rasch eingearbeitet hat. Für Kommissionspräsident José
       Manuel Barroso ist er ein wichtiger Fachmann, der die milliardenschweren
       Energieprojekte der EU wie die Pipeline Nabucco vorantreibt. Sein
       Meisterstück gelang Oettinger, als er nach Fukushima den Mitgliedsstaaten
       den Kompromiss abrang, alle Atomkraftwerke einem Stresstest zu unterziehen
       - damit war die EU weltweit Vorreiter.
       
       Doch der Deutsche ist eben auch für Lacher gut. Gleich zu Beginn seiner
       EU-Karriere in Brüssel sorgte Oettinger im Februar 2010 mit seinem
       schwäbelnden Englisch vor laufender Kamera für verdutzte Gesichter. Mit
       seinem holprigen Satz: "In my homeland Baden-Württemberg we are all sitting
       in one boat" (übersetzt: "In meinem Heimatland Baden-Württemberg sitzen wir
       alle in einem Boot") sorgt er noch jetzt im Internet bei einem
       Millionenpublikum für Belustigung.
       
       14 Sep 2011
       
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