# taz.de -- Hungerstreik in Indien: Modi fastet für die Führung
       
       > Gujarats Regierungschef Narendra Modi ging in einen dreitägigen
       > Hungerstreik. Er untermauert damit seinen Führungsanspruch bei den
       > Hindu-Nationalisten.
       
 (IMG) Bild: Meisterlich inszeniert: Narendra Modi (mitte) beginnt seinen Hungerstreik.
       
       AHMEDABAD taz | Drei Tage währte die Wallfahrt für Indiens umstrittensten
       Politiker: Arme Bauern und Hirten, feine Ärzte und Anwälte, junge Studenten
       - alle kamen, um sich in die Menschenschlangen vor der Universitätshalle
       von Ahmedabad einzureihen. Ahmedabad ist die größte Stadt von Gujarat, dem
       Bundesstaat mit dem größten Wirtschaftswachstum.
       
       Die 5.000 Plastikstühle in der Halle waren in den drei Tagen immer besetzt.
       Die meisten Wallfahrer konnten deshalb nur wie in einem indischen Tempel in
       der Schlange durch die Halle drängen, ohne je einen freien Stuhl zu finden.
       Doch sie bewahrten Geduld, bis sie vorn ankamen und vor ihrem politischen
       Idol Narendra Modi standen.
       
       Der saß auf einen Sessel, der wie ein Thron über der Menge zu schweben
       schien. Seine Anhänger winkten, riefen ihm zu oder sangen Lieder, als sie
       vor ihn traten. Modi winkte zurück und lächelte. Dann drängten schon die
       Nächsten nach. So ging das drei Tage lang, bis nach Angaben der
       Veranstalter eine halbe Million Menschen gekommen waren.
       
       Modi regiert seit zehn Jahren als Ministerpräsident von Gujarat, das über
       60 Millionen Einwohner hat. Er gewann dort 2002 und 2007 die Wahlen. Das
       Spektakel der letzten Tage diente ihm nun, um seine Anwartschaft auf die
       Oppositionsführung bei den nächsten nationalen Parlamentswahlen 2014 zu
       verkünden. "Ich fühle die Macht des Volkes. Jetzt heißt es, weiterzugehen
       und nicht stehen zu bleiben. Führung beruht auf Taten", sagte Modi am
       Montagabend zum Abschluss seiner als öffentliches Fasten inszenierten Show.
       
       ## Für Gewalt bekannt
       
       Hinter ihm auf der Bühne prangte eine Porträt des Republikgründers Mahatma
       Gandhi, der aus Gujarat stammte und das öffentliche Fasten in Indien als
       politische Aktion einführte. Erst kürzlich hatte der Sozialaktivist Anna
       Hazare mit einem solchen Hungerstreik eine landesweite
       Anti-Korruptions-Bewegung initiiert. Dem Modell folgte auch Modi, der
       jedoch für Gewalttaten und nicht etwa für Gandhis Gewaltfreiheit bekannt
       ist.
       
       Seinen zweifelhaften Ruhm als starker Mann erlangte Modi im Februar 2002.
       Seine hinduistische Bharatiya-Janata-Partei (BJP) regierte damals in Delhi
       und setzte ihn in einer Krisensituation als neuen Regierungschef von
       Gujarat ein. Dort bekam er es gleich mit gewalttätigen Ausschreitungen
       zwischen der zu knapp 90 Prozent hinduistischen Bevölkerung und der
       muslimischen Minderheit (10 Prozent) zu tun. Doch statt die Gewalt auf der
       Straße mit der Polizei zu bekämpfen, ließ Modi ihr nach Einschätzung der
       meisten unabhängigen Beobachter freien Lauf. Das Ergebnis war ein Massaker.
       Über tausend Muslime wurden umgebracht.
       
       Seither aber gab es in Gujarat keine Verurteilungen der Täter, keine
       Aufklärung, keine Wiedergutmachung. Im Gegenteil: Die Opfer des Massakers,
       die am Sonntag gegen Modis Fasten demonstrieren wollten, wurden für kurze
       Zeit festgenommen, ihr Protest verboten.
       
       Modi aber hatte sein Fasten unter das Motto "Harmonie" gestellt und sprach
       davon, für alle Bürger da zu sein, nicht für Minderheit oder Mehrheit. Er
       wollte damit sein Image als Übeltäter abstreifen. Ob ihm das gelang?
       
       Er habe seit dem Februar 2002 zehn Jahre ohne weitere Zwischenfälle
       erfolgreich regiert, betonten seine Fürsprecher. Er habe nichts gelernt,
       sagen seine Gegner - und verwiesen auf eine Episode: Modi hatte es am
       Sonntag abgelehnt, die Kopfbedeckung eines Muslims zu tragen. Zuvor hatte
       er sich Turbane aller Art von seinen Anhängern aufsetzen lassen.
       
       20 Sep 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Georg Blume
       
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