# taz.de -- Specials-Konzert in Berlin: Pork-Pie-Hütchen und Anzug
       
       > Wer 1981 zu jung war für ihre Deutschland-Tour, durfte tanzen: Die
       > britischen Ska-Heroen The Specials spielten in Berlin. Alle waren beseelt
       > - naja, fast alle.
       
 (IMG) Bild: Der Sänger Terry Hall und der Musiker Lynval Golding von The Specials in der Columbiahalle in Berlin.
       
       "If you were 12 in 1979", schreibt der britische Comedian und Moderator
       Mark Lamarr, "The Specials were easy peasy lemon squeezy the greatest band
       on the planet." Wer sie weiland gesehen hat, bevor sie sich zwei Jahre
       später auflösten, ist ein zu beneidender verdammter Glückspilz. Wir
       anderen, die wir in lahmarschigen Kleinstädten wohnten, die bei der
       Specials-Deutschland-Tour 1981 wie gewohnt übersehen wurden oder die wir -
       selbst als GroßstädterInnen - schlichtweg zu jung dafür waren, trugen bis
       letzten Dienstag allein die Sehnsucht in uns.
       
       Geschürt wurde sie durch unglaubliche Meisterwerke von Alben - "The
       Specials" und "More Specials" -, durch Singles wie "Rude Boys outta jail"
       oder das hochpolitische "Ghost Town", die wir sammelten und pflegten (und
       heute für teures Geld einem "MoonStomp79" bei eBay vor der Nase
       wegschnappen müssten), und durch die wenigen Live-Bits, deren wir habhaft
       werden konnten. In der fantastischen Musikdokumentation "Dance Craze" von
       1981, die das gesamte britische Ska-Phänomen in 85 vitale, brodelnde und
       mitreißende Minuten stopft, kriegt man eine Ahnung davon, wie überwältigend
       ein Specials-Live-Gig in Originalbesetzung war.
       
       Mit dem permanent tanzenden Shouter Neville Staple, dem über die Bühne
       flitzenden Rhythmusgitarristen Lynval Golding, der sensationellen
       Rhythmusgruppe John Bradbury und Horace Panter, dem furiosen Gitarristen
       Roddy Radiation, dem vorderzahnlosen Bandgründer und Alleinherrscher Jerry
       Dammers, und dem schüchternen, ernsten, reizend linkischen Sänger Terry
       Hall mit seinen kajalverschmierten Coventry-Augen.
       
       ## Zu Tränen gerührt
       
       Am Dienstag, in der lange ausverkauften Columbiahalle, waren wir demzufolge
       zu Tränen gerührt. Wir hatten uns in Two Tone schick gemacht, die heuer
       auch echten Glatzen poliert, hatten alte Bekannte angerufen, Babysitter
       bestellt, manche von uns haben Arbeitsreisen unterbrochen oder
       Geburtstagspartys verschoben.
       
       Dass Jerry Dammers, der Hauptsongschreiber der Specials und immer noch
       umtriebige Produzent, sich im Streit dagegen ausgesprochen hatte, bei der
       seit zwei Jahren laufenden Jubiläumstour mitzumachen, haben wir
       hingenommen. Der Tour-Keyboarder trägt Pork-Pie-Hütchen und Anzug, spielt
       eine alte Yamaha-Orgel und skankt um die Wette. Die anderen hopsen und
       shouten, trommeln und grooven, spielen "Monkey Man" und "A message to you
       rudy", "Pears Café" und "Stereotypes", "Youre wondering now", das
       antirassistische "It doesnt make it allright", "Too much too young" und
       "Man at C&A", das einzige Specials-Stück, bei dem Terry Hall, der später zu
       Genüge zeigte, wie gut er das eigentlich kann, als Koautor fungierte. Der
       Sound war tadellos. Die Band hatte Bock. Die Halle hüpfte, sang und
       schwitzte wie ein Rude Boy/Girl.
       
       Aber was ist bloß los mit Terry? JedeR im Publikum, auf der Bühne, sogar im
       Security-Graben davor schien besser gelaunt als er. Terry Hall, von jeher
       als moderat muffelig bekannt, sah aus wie der verächtliche, genervte Peter
       Sellers in "Lolita". Dabei klang seine charakteristische Stimme wie früher,
       trotz beginnender britischer Hängebäckchen und trotz Kettenrauchen, einem
       seiner wenigen verbliebenen Laster: "Ich trinke seit zehn Jahren keinen
       Alkohol mehr", hatte er vorher dem Deutschlandfunk erzählt und über seine
       Antidepressionsmedikation gesprochen, die angeblich hervorragend
       funktioniert. Vielleicht hatte er einfach eine Tablette vergessen? Die
       einzige Ansage, die Terry Hall zwischen den Songs machte, war ein
       geblafftes "Der nächste Song heißt: Wieso gehe ich überhaupt zum
       Soundcheck?", als Reaktion auf einen anscheinend schlechten Monitorsound.
       
       Aber wir ließen nicht zu, dass uns das störte. Denn wir lassen uns das
       Singen nicht verbieten! Wir tanzten sogar zur Fred-Perry-Aftershow-Party
       weiter, auf der die Band selbst auflegen sollte. Es standen dann zwar nur
       Roddy Radiation und die Bläsersektion in der Nähe des Original-Ska-DJs
       herum, aber immerhin. Und ganz ehrlich: Wahrscheinlich hätte Terry ohnehin
       nur Depri-Mucke aufgelegt.
       
       21 Sep 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jenni Zylka
 (DIR) Jenni Zylka
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Ska
       
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