# taz.de -- Stimmen von der Anti-Papst-Demo: "5.000 Euro und halt' die Klappe"
       
       > Benedikt ist in Deutschland, aber die Teilnehmer einer Berliner Demo
       > wollen nicht Papst sein. Teils aus weltanschaulichen, teils aus
       > persönlichen Gründen – wie Missbrauch.
       
 (IMG) Bild: Ist genervt vom Rummel um den Papst und von der "Bild"-Zeitung: Beverly.
       
       BERLIN taz | Die Stahl- und Glasfronten rund um den Potsdamer Platz
       erzählen von einem neuen Berlin, einem Berlin der Zukunft, von oben herab
       auf die Stadt gestanzt. Es wirkt unecht, weil die Zukunft hier keinen
       Anschluss an die Gegenwart, an das lebendige Berlin, findet. Es passt nicht
       in die Zeit.
       
       Und deshalb bot dieser Fleck in Berlin-Mitte die perfekte Kulisse für den
       Protestmarsch, der hier am Donnerstag seinen Anfang nahm. Denn die
       Menschen, die sich allmählich einfanden, wollten gegen einen Mann
       demonstrieren, der so unzeitgemäß ist wie die Straßenzüge um den Potsdamer
       Platz. Auch Papst Benedikt kriegt das Jetzt nicht zu fassen und versucht,
       von oben herab, die Vergangenheit aufzustanzen. So fühlen viele hier.
       
       Zum Beispiel Professor Klaus-Werner Wenzel. Es ist das erste Mal, dass er
       sich gegen die katholische Kirche engagiert, dazu fehlt ihm eigentlich die
       Zeit. Heute aber ist er gekommen, um seine Antipathie zu bekunden. Was den
       Mediziner heute auf die Straße treibt, ist die Haltung des Papstes zum
       Thema Verhütung: "Kondome zu verbieten ist ein Verbrechen, gerade in der
       dritten Welt."
       
       Zwar hat er persönlich keine schlechten Erfahrungen gemacht. Der Kirche
       kann er trotzdem "rein gar nichts Positives abgewinnen". Im Gegenteil:
       Während seiner Arbeit in Krankenhäusern hat er mitbekommen, dass "Leute
       gefeuert wurden, weil sie nicht in der Kirche sind". Einen Nutzen habe die
       Institution "höchstens als Bank für die CDU".
       
       Beverly ist hier, weil sie der "Rummel um den Papst nervt". Die großen
       Konzerne gingen zur Zeit schließlich auch ständig pleite, warum das bei der
       katholischen Kirche niemand akzeptieren wolle, fragt sie sich. Deswegen
       störe sie auch die Bild-Zeitung, die Deutschland glauben machen wolle, dass
       Benedikt in ist. Schließlich sei der Papst so out wie nie zuvor und die
       Kirche eine Organisation von vorgestern.
       
       Was Beverly trotzdem an Religion gefällt: "Das zusammen Leben und Arbeiten
       in Klöstern". Diese positive Facette sei der breiten Masse aber nicht
       zugänglich. Und ihr selbst erst recht nicht. "Daran kann der Papst nichts
       ändern", erklärt sie aber, das läge an den reaktionären Kreisen, die sich
       auf die katholischen Dogmen berufen. Und so lange das Springer-Hochaus
       steht, werden auch die sich nicht ändern, da ist Beverly sich sicher.
       
       Pauline und Leonie haben auch gute Erfahrungen mit der Kirche gemacht,
       Toleranz gäbe es durchaus. Aber auf Benedikt sind sie wütend. Das liege vor
       allem an seiner "homophoben Einstellung", mit der er viel zu viele Menschen
       beeinflusse.
       
       Vor einigen Tagen erst hat eine Katholikin die beiden wüst beschimpft, die
       ältere Frau kam grade aus dem Gottesdienst. Auf offener Straße war das,
       weil die beiden sich lieben und keine Männer. Die katholische Kirche belädt
       sie mit Schuld, obwohl sie nichts falsch gemacht haben. Das tut weh. Nur
       der Papst könne daran etwas ändern, glauben die Mädchen. "Er muss ein
       klares Statement abgeben, deutlich machen, dass Homosexualität okay ist."
       
       Hoffnungen machen sie sich aber keine, das wird nicht passieren, nicht
       jetzt und nicht mit Benedikt. Deswegen solle er lieber mit ihnen ins
       Schwuz, einen schwullesbischen Klub in Kreuzberg kommen, anstatt im
       Bundestag Reden zu schwingen, wo er nicht hingehört.
       
       Norbert hat extra einen Klappstuhl mitgebracht, seit dem frühen Mittag
       sitzt er hier. Gerade hat er sich einen Becher Kaffee über den Bauch
       geschüttet, aber das ist ihm egal. Denn er ist mit einer Botschaft nach
       Berlin gekommen. Gestern Abend mit dem Zug, er lebt ihm Ruhrgebiet. Er
       lebt, aber der Schatten der Vergangenheit umfängt ihn bis heute, ein halbes
       Jahrhundert später.
       
       Als Norbert ein Junge war, wurde er missbraucht. Im Kinderheim Vinzenzwerk
       e.V. war das, gleich bei Münster. Es fing an, als er zehn war, ein
       Priesteranwärter hat sich immer wieder an ihm vergangen. Bis Norbert mit
       zwölf Jahren in ein geschlossenes Erziehungsheim abgeschoben wurde. "Der
       kleine Norbert ist für das weibliche Personal nicht mehr zu handhaben", so
       stehe es in den Akten. Behelligt wurde der Geistliche bis heute nicht,
       dabei sei er immer wieder auffällig geworden.
       
       Oft hat Norbert die Heimleitung zur Rede stellen wollen, man sei aber nie
       auf ihn eingegangen. Zum Schutz der Kinder, wie es hieß. "Wenn der kleine
       Norbert bestraft werden sollte, schrie er wie am Spieße", so zitiert
       Norbert einen Heimbericht von damals.
       
       Auch auf dem Rechtsweg hat er nichts ausrichten können, die
       Staatsanwaltschaft Münster habe ihm nur deutlich gemacht, dass es viel zu
       spät für eine Anzeige sei. "5.000 Euro und halt' die Klappe", so beschreibt
       Norbert seine Erfahrung mit dem deutschen Rechtssystem.
       
       Dabei will er keine Rache und erst recht kein Geld. Er will nur gesehen
       werden, deshalb ist er hier. Denn sein Schmerz verjährt nicht: "Bis heute
       bin ich nicht fähig, Zweisamkeit mit jemandem zu teilen", erzählt er, jeden
       Tag plagen ihn Ängste. Trotzdem glaubt Norbert an Gott: "Irgendwas ist
       hängen geblieben."
       
       22 Sep 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Felix Kartte
       
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