# taz.de -- Papst in Freiburg: "Vielleicht irgendwann"
       
       > Gehirnwäsche? Personenkult? Instrumentalisierung? Der Papst hat vor
       > Jugendlichen das Abendgebet in Freiburg gehalten. Was für eine Show!
       
 (IMG) Bild: Wenn einer eine Reise tut ...: Pilger in Freiburg.
       
       FREIBURG taz | Ja, es war eine perfekt inszenierte Show. Ja, sicherlich
       wurden da am Samstagabend auf dem Messegelände nahe Freiburg im Breisgau
       Zehntausende junger Leute der tollen Bilder wegen von einer Kirche auch
       instrumentalisiert. Ja, es ist auch ein bisschen Gehirnwäsche und ein
       seltsamer Personenkult, wenn Papst Benedikt XVI. bejubelt wird, sobald er
       mit dem Papamobil unter den Strahlen der schmeichelhaften Abendsonne in das
       Messegelände hinein gefahren wird. Und dennoch! Es war ein hinreißender
       Abend.
       
       Das lag natürlich an den jungen Leuten, die da versammelt waren: Jasmin,
       Franziska, Sophia und Christin etwa, alle zwischen 15 und 18 Jahre alt,
       alle Messdienerinnen der Gemeinde St. Laurentius in Mannheim. Sie lachen
       die meiste Zeit, tanzen zusammen im Kreis, strahlen sich und den Papst an.
       Was sie am Papst fasziniert?
       
       Eine prustet fast los, eine andere sagt: die roten Schuhe. Dann
       ernsthafter: Es sei vor allem der "Zusammenhalt" untereinander, den sie
       hier feierten, der Glaube auch, klar. Sophia, 17 Jahre alt, sagt: Es sei
       schon "blöd", dass Pfarrer nicht heiraten könnten. Susanne, eine 25-jährige
       Betreuerin der Gruppe, meint: Man habe bei solchen Themen wie der Weihe von
       Frauen in der katholischen Kirche trotz allem Hoffnung, "dass sich da was
       tut", dass endlich die Stimme der Jugend gehört werde, "vielleicht
       irgendwann", sagt sie mit einem Lachen. Denn die Jugend sei doch die
       Zukunft der Kirche.
       
       Was die jungen Leute auf dem Messegelände über die hartnäckigen
       Streitthemen in der Kirche, also unter anderem Frauenordination,
       Zwangszölibat, Empfängnisverhütung und homosexuelle Lebensweise, denken,
       wurde eindrucksvoll demonstriert durch eine kleine Quizshow, die zwei
       Moderatoren auf der Bühne beim stundenlange Warten auf den Papst
       veranstalteten.
       
       ## Ein Meer von roten Ballons
       
       Dabei konnte die Tausende Jugendliche Winkelemente in der Form
       knüppelförmiger Luftballons hoch halten, die sie am Eingang in das
       Messegelände erhalten hatten. Wer einer Aussage zustimmte, musste den
       grünen Knüppel hoch halten, wer sie ablehnte, den roten. Beim Satz
       "Ausgelebte Homosexualität ist Sünde", eine Ansicht des Vatikans, war ein
       Meer von roten Ballons zu sehen.
       
       Ähnlich war es bei fast allen anderen Streitfragen – die katholischen
       Jugendlichen teilen in ihrer übergroßen Mehrheit offensichtlich die
       konservativen Positionen der Amtskirche überhaupt nicht. Aber sie feiern
       den Papst dennoch.
       
       Das kann man als katholische Schizophrenie abtun – oder als eine gewisse
       jugendliche Weisheit, den Pontifex Maximus in Rom einen guten Mann sein zu
       lassen, um dann zu tun, was man vor dem eigenen Gewissen und vor Gott für
       richtig hält. Auch das ist katholisch.
       
       Eine Jugendliche nutzte das stundenlange Warten auf den Papst für eine ganz
       kleine, aber sehr clevere Aktion: Sie wartete, bis die Pressetribüne und
       die Tribüne der Bischöfe am Rande des Feldes gefüllt war. Dann ließ sie
       sich von einem Kumpel auf dessen Schultern heben und hielt eine kleines
       Schild in die Höhe, das sie medienbewusst zuerst lange in Richtung der
       Oberhirten schwenkte, dann in Richtung der Fotografen, damit sie ablichten
       konnten, was ihre Botschaft an die Bischöfe ist: Auf dem Schild stand:
       "Redet mit uns." Kein Fotograf ließ sich dieses Motiv entgehen.
       
       Der Rest war eine große Inszenierung, die die katholische Kirche mit ihrer
       liturgischen Erfahrung aus bald 2.000 Jahren auf die Bühne bringen kann wie
       wohl keine andere Institution auf der Welt: Der Papst entzündete
       Feuerschalen, die Jugendliche aus katholischen Jugendverbänden wie der
       Deutschen Pfadfinderschaft St. Georg nach unten in die Masse trugen.
       
       ## "Total schön"
       
       Mit diesem Feuer wurden dann nach und nach alle Tausende Kerzen entzündet,
       die die Jugendlichen in der Hand hielten, sie gaben sich gegenseitig das
       Feuer und damit das Licht weiter. Dazu meditativer Gesang und Gebete,
       schließlich ein Lichtermeer im Dunkel des Abends. Wow! Was für eine Show!
       
       Der Papst hat natürlich auch noch etwas gesagt. Er wirkte erstmals bei
       dieser Reise gelöst, fast heiter – nicht so verkrampft und in sich gekehrt,
       wie sonst häufig während seines Besuchs in Deutschland. Und er hielt die
       beste Predigt dieser Tage: Nichts Politisches, nichts von größerem
       gesellschaftlichem oder theologischem Belang. Aber eine Predigt, die den
       Ton der Jugendlichen traf, eine einfache Sprache, die klar war und den
       jungen Leuten Mut machte, sie nicht überforderte und nicht unterforderte.
       
       "Wer an Jesus glaubt, hat sicherlich nicht immer Sonnenschein im Leben",
       sagte Benedikt XVI. in Anlehnung an ein Wort im Johannes-Evangelium, "so
       als ob ihm Leiden und Schwierigkeiten erspart bleiben könnten, aber stets
       gibt es da einen hellen Schein, der ihm einen Weg zeigt, der zum Leben in
       Fülle führt."
       
       Nach dem Abendgebet laufen Claudia, Jenny und Sally, drei junge hübsche
       Mädchen in sommerlicher Kleidung durch die Straßen von Freiburg,
       euphorisch, kichernd, sie laufen vor Lebensfreude. "Total schön", sei die
       Vigil gewesen, sagen sie. Ihnen gefällt am Papst, dass er "immer fröhlich"
       sei. Und: "Er will ja nur Gutes." Dann müssen sie ganz schnell fort, die
       Jungens da vorne warten auf sie.
       
       25 Sep 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Philipp Gessler
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Abschluss des Papstbesuchs: Oberhirte fordert mehr Treue zu Rom
       
       Benedikt XVI. beendet seinen Deutschlandbesuch. Zum Ende ist der Gast etwas
       unhöflich geworden gegenüber seinen Schäfchen in Deutschland.
       
 (DIR) Kommentar Papstbesuch: Die Kirche boxt weiter
       
       Die Säkularisierung Deutschlands wird voranschreiten, auch ein noch so
       prächtiger Papstbesuch kann sie nicht aufhalten. So war das Ganze nur ein
       halber Erfolg für den Papst.
       
 (DIR) DIE WAHRHEIT: Dammriss im Dasein
       
       Bei seiner Deutschland-Tour besuchte der Papst auch die Zentrale des
       Hedonismus: den Berliner Dance-Club "Berghain".
       
 (DIR) Kolumne Mit dem Papst im Himmel: Volle Fahrt voraus
       
       Was bedeutet Nähe so nahe am Papst? Dass man selbst als VAMP kein Interview
       mit ihm bekommt, immerhin aber über abgesperrte Straßen eskortiert wird.
       
 (DIR) Papst trifft Protestanten: Schöne Worte, leere Hände
       
       Das Treffen des Papstes mit Vertretern der Evangelischen Kirche im Erfurter
       Augustinerkloster ist historisch, die Ergebnisse sind es nicht. Reformator
       Luther bleibt weiter gebannt.
       
 (DIR) Papst im Berliner Olympiastadion: Bei Justin Bieber ist mehr Ekstase
       
       61.000 feierten mit Bendikt XVI. eine Messe im Olympiastadion. Sakrale
       Momente waren allerdings spärlich. Das Abendmahl wurde von einem
       E-Gitarren-Solo eingeläutet.