# taz.de -- Anwohner bepflanzen den Bundesplatz: Der Platz ist tot, es lebe der Platz
> Eine Initiative von AnwohnerInnen will den Wilmersdorfer Bundesplatz für
> die Öffentlichkeit zurückerobern. Den Auftakt macht eine kollektive
> Pflanzaktion.
(IMG) Bild: Pflanzen statt Kälte: Engagierte am Samstag in Mazahn
Ein Sonnabend, Ende September. Rund 25 AnwohnerInnen des Wilmersdorfer
Bundesplatzes, bewaffnet mit Handschuhen, Schäufelchen und Grabegabeln,
bepflanzen seit Stunden einen Streifen Erde an der Unterführung der
Bundesallee mit tausend Stauden. Die Blüten der Silberkerzen leuchten schon
weißlich, im Winter werden Christrosen knospen. Nach den Plänen des
Landschaftsplaners Wilfried Tigges und der Gartenarchitektin Monika Kerko
soll sich das Blühen durchs ganze Jahr ziehen.
Vorausgegangen sind ähnliche Freiwilligenaktionen: Mitglieder der
Initiative Bundesplatz e. V. haben bis in die Nacht hinein Gestrüpp
gerodet, 25 Müllsäcke mit Flaschen und Spritzen gefüllt, Boden
aufgeschüttet. Sie wollen ein Zeichen setzen. Denn seit den 60ern ist der
"Bundesplatz" ein Unplatz. In behördlichen Dokumenten figuriert er als
namenlose "Straßenrandbegrünung" entlang einer Betonschlucht. In die senkt
sich der Verkehr auf der Bundesallee ab, um in einer Unterführung zu
verschwinden.
Dabei war dies, bis 1950 unter dem Namen Kaiserplatz, einmal einer der
prächtigsten Plätze Berlins mit Springbrunnen und der Statue einer Winzerin
von Friedrich Drake, der auch die "Goldelse" auf der Siegessäule schuf. Nur
sie überdauerte als Kopie, verdeckt von einer Mauer. In den 60er Jahren
importierte man aus den USA das Ideal der autogerechten Stadt. Die
Bundesallee als Nord-Süd-Tangente wurde stark verbreitert und streckenweise
in den Untergrund verlegt.
Seither verbindet der "Platz" seine Anwohner nicht mehr, er trennt sie. Die
kleinen östlich gelegenen Geschäfte, der Metzger, der Gemüseladen, verloren
ihre Laufkundschaft und gingen ein. Die ältesten AnwohnerInnen schaffen es
nicht mehr bis zu den weit entfernten Zebrastreifen und bleiben auf ihrem
"Ufer".
"Wir wollen kein reiner Verschönerungsverein sein", sagt der
Unternehmensberater Wolfgang Severin, Vorsitzender der Initiative
Bundesplatz, die derzeit 138 Mitglieder aus allen politischen Lagern zählt.
Der Verein will den gesellschaftlichen Diskurs um den Platz fördern. Die
Initiative hatte von einem Projekt zur Reurbanisierung großer
Ausfallstraßen an den städtebaulichen Seminaren der TU Berlin und der
Bauhaus-Universität Weimar erfahren. Deren Studenten führten dann 2010/11
Erhebungen vor Ort und Brainstorming mit den AnwohnerInnen durch. Das
Ergebnis: zehn Entwürfe zur Umgestaltung des Platzes. Drei Forderungen hat
die BVV Wilmersdorf bereits gebilligt. Die bescheidenste: Zebrastreifen,
die auf die neu geschaffene Anlage führen.
Bei der Pflanzaktion hat sich eine junge Frau mit ihrer Hacke in eine
zurückgebliebene Strauchwurzel verkrallt. Bettina Kappeler beschreibt ihren
Beruf als "irgendwas im Office-Management", die Gartenarbeit ist für sie
"noch gesünder als Sport". Die Frage, ob eine Aufwertung des Platzes einmal
die Mieten in die Höhe treiben könnte, interessiert sie nicht die Bohne:
"Das hier ist schlicht ein Unding. Ich kann es einfach nicht ertragen, wenn
eine Grünfläche verrottet."
26 Sep 2011
## AUTOREN
(DIR) Barbara Kerneck
## TAGS
(DIR) Naturschutz
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