# taz.de -- Nach dem Freispruch für Amanda Knox: Freudentränen und "Schande"-Rufe
       
       > Amanda Knox ist nach dem Freispruch auf dem Weg in die USA. Italiens
       > Medien hatten sich von Anfang an mit morbider Lust auf den Fall der
       > Amerikanerin gestürzt.
       
 (IMG) Bild: Kann wieder lächeln: Amanda Knox kurz vor dem Abfug am Flughafen in Fiumicino.
       
       ROM taz | Die Angeklagte brach in Freudentränen aus, ihre Anhänger im Saal
       jubelten, hunderte Menschen auf dem Vorplatz des Gerichts dagegen stimmten
       "Schande, Schande!"-Rufe an, als der Vorsitzende des Schwurgerichts in
       Perugia am Dienstagabend das Urteil im Berufungsverfahren verkündete: Die
       Amerikanerin Amanda Knox und ihr Mitangeklagter Raffaele Sollecito sind
       freigesprochen.
       
       Freigesprochen vom Vorwurf, am 1. November 2007 die britische Studentin
       Meredith Kercher barbarisch ermordet zu haben. Noch in erster Instanz waren
       die beiden zu Haftstrafen von 26 und 25 Jahren verurteilt worden. Als Täter
       sitzt damit jetzt allein der Italoivorer Rudy Guede in Haft. Er war in
       einem verkürzten Verfahren zu 16 Jahren verurteilt worden.
       
       Ein "Engel mit Eisaugen", die US-Studentin Knox als angebliche Täterin,
       eine schöne junge Frau als Opfer, als Set eine WG, in der die beiden mit
       zwei anderen Mädchen zusammenlebten, als Ambiente der Mikrokosmos von
       gerade 20-jährigen Austauschstudenten: Italiens Medien stürzten sich von
       Anfang an mit morbider Lust auf den Fall und machten das beschaulich-schöne
       Perugia kurzerhand zum Sündenbabel, während die großen US-Sender - zur
       Urteilsverkündung am Dienstag waren über 400 Journalisten angereist -
       Amanda als Märtyrerin der italienischen Justiz präsentierten.
       
       In der Tat hatte die Anklage wenige Beweise für ihre These, Kercher sei
       vergewaltigt und dann mit zahlreichen Messerstichen ermordet worden, weil
       sie bei einer Sexorgie mit Guede, Knox und Sollecito nicht habe mittun
       wollen. Noch das Urteil der ersten Instanz hatte detailliert beschrieben,
       wie die drei sich angeblich über ihr Opfer hergemacht hatten und wie Knox
       schließlich die tödlichen Stiche in die Kehle Kerchers ausgeführt habe.
       
       ## Fantasie von Staatsanwälten
       
       Diese Beschreibung entsprang komplett der Fantasie von Staatsanwälten und
       Richtern. So hatte sich schon während der Ermittlung ein blutiger
       Schuhabdruck, der Raffaele Sollecito zugeordnet wurde und als Begründung
       für den Haftbefehl gegen ihn herhielt, als Abdruck Rudy Guedes erwiesen.
       Wirklich gesichert aufgrund zahlreicher Blut- und DNA-Spuren war eben nur
       die Präsenz Rudy Guedes in der Tatnacht am Tatort.
       
       Knox und ihr damaliger Freund, der Italiener Sollecito, waren ins Visier
       der Fahnder geraten, weil sie sich in widersprüchlichen Aussagen über die
       Tatnacht verzettelten. Amanda Knox ging so weit, ihren damaligen
       Arbeitgeber Patrick Lumumba, einen Kneipenwirt aus dem Kongo, als Täter zu
       beschuldigen - sie selbst habe ihn am Tatort gesehen. Lumumba kam nach zwei
       Wochen nur deshalb aus der U-Haft frei, weil ein Professor aus der Schweiz
       den ganzen möglichen Tatzeitraum über mit ihm in einer Kneipe gesessen
       hatte.
       
       Guede wiederum hatte die Tat immer abgestritten und bloß eine "sexuelle
       Annäherung" an das Opfer, Meredith Kercher, zugegeben. Im Haus seien aber
       auch Knox und Sollecito gewesen. Als er, Guede, auf die Toilette gegangen
       sei, habe er Schreie gehört und sei geflohen.
       
       ## Mehr als dürftige DNA-Spuren
       
       Keine Geständnisse, keine verwertbaren Aussagen - am Ende sprachen nur zwei
       mehr als dürftige DNA-Spuren gegen Knox und Sollecito, eine auf einem
       Küchenmesser, eine auf dem Verschluss von Amanda Kerchers BH, der erst 46
       Tage nach dem Mord sichergestellt wurde, obwohl er direkt am Fußende von
       Kerchers Bett lag.
       
       Als jetzt im Berufungsverfahren die Zweitgutachter die DNA-Analysen der
       Staatsanwaltschaft zerpflückten, fiel die Anklage in sich zusammen. Der
       Freispruch vom Dienstag war die logische Konsequenz. Drei Jahre Haft
       erhielt Amanda Knox dennoch: wegen falscher Anschuldigung gegen Patrick
       Lumumba. Die Strafe hat sie mit knapp vier Jahren hinter Gittern schon mehr
       als verbüßt.
       
       Auch vor der letzten Instanz, dem Kassationsgericht in Rom, muss Knox keine
       Angst haben: Nach ihrer Freilassung trat sie am Dienstag umgehend den
       Heimflug in die USA an.
       
       4 Oct 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Michael Braun
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Italien
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