# taz.de -- Katastrophenschutz: Strahlender Untergang
       
       > Bei Störfällen in den Meilern an der Elbe ist Schleswig-Holstein hilflos:
       > Die Deiche sind laut Regierung nicht für starke Sturmfluten ausgelegt.
       
 (IMG) Bild: "Gefährdung vitaler Funktionen ausgeschlossen": Das Atomkraftwerk Krümmel steht im Trockenen
       
       HAMBURG taz | Zum Glück hat die Elbe ja zwei Ufer. Und die Deiche auf der
       niedersächsischen Seite vor Lüneburg sind nur 9,56 Meter hoch, auf der
       nördlichen Seite vor dem Atomkraftwerk Krümmel jedoch 9,70 Meter, teilt die
       Landesregierung Schleswig-Holstein in ihrer Antwort auf eine Große Anfrage
       der grünen Landtagsfraktion mit. Deshalb könne "eine Überflutung des
       Kernkraftwerksgeländes und die Gefährdung vitaler Funktionen aus
       topographischen Gründen ausgeschlossen werden", so die Auskunft.
       
       "Das ist fast schon zynisch", kommentiert der grüne Landtagsabgeordnete
       Bernd Voß. Wenn Niedersachsen die Deiche in der Elbmarsch erhöhe, müsste
       Schleswig-Holstein eigentlich ebenfalls aufstocken: "Das ist Politik bis
       zum Tellerrand", sagt Voß.
       
       36 Seiten lang gibt das federführende Innenministerium in Kiel in der
       Drucksache 17/1843 detaillierte Antworten zur Katastrophenschutzplanung bei
       atomaren Unfällen in Schleswig-Holstein. So ist zu erfahren, dass bei der
       Unteren Katastrophenschutzbehörde des Kreises Steinburg, in dem das
       Atomkraftwerk Brokdorf liegt, exakt "63.410 Päckchen à 20 Tabletten"
       Kaliumjodidtabletten "disloziert vorrätig" seien. Diese sollen im Falle
       eines Atomunfalles menschliche Schilddrüsen vor radioaktivem Jod schützen.
       Ausführliche Informationen "auch zu Nebenwirkungen" seien "auf der Webseite
       [1][www.jodblockade.de] zusammengestellt". Wie die Bevölkerung an die
       Medizin kommt, ist indes unklar. "Bei Hochwasser müssen sie wohl zur
       Ausgabestelle schwimmen", vermutet Voss.
       
       Besonders hohe Risiken sieht er bei den Atommeilern Brunsbüttel und
       Brokdorf kurz vor der Elbmündung. Dort sehen die Szenarien laut
       Landesregierung "Windgeschwindigkeiten von 24 m/s und einen Wellenauflauf
       von 1,0 m" vor. Das entspricht Windstärke 9 - "eine steife Brise, mehr
       nicht", sagt Voss, der als Landwirt in der Wilstermarsch bei Brokdorf schon
       ganz andere Sturmfluten erlebt hat. Selbst wenn Deiche und zusätzliche
       Hochwasserschutzwände das Reaktorgelände schützten, würde bei einem
       Deichbruch in der Nähe "die Marsch volllaufen und das Wasser von hinten
       kommen".
       
       Und das ist besonders heikel, weil das Industriegebiet Brunsbüttel mehrere
       Chemiefabriken und eine Sondermüllverbrennungsanlage beheimatet. Wenn
       Hochwasser dort toxische Stoffe freisetzen sollte, könnte sich ein
       unberechenbarer Giftcocktail in der Marsch ansammeln. "Für solche komplexen
       Szenarien aber gibt es keine Planungen", konstatiert Voss. Dabei habe der
       GAU im japanischen Fukushima, Anlass für den grünen Fragenkatalog, deutlich
       gemacht, "dass gerade die Verkettung mehrerer Umstände zur atomaren
       Katastrophe führen kann".
       
       Und dies könne eben auch bei Reaktoren passieren, die nicht in Betrieb
       sind. Die Meiler Brunsbüttel und Krümmel stehen nach einer Pannenserie seit
       über vier Jahren still und sollen nach dem Atomausstiegsbeschluss von
       Bundestag und Bundesrat vom Juni nie wieder ans Netz gehen. Gleichwohl
       strahlen sie noch Jahrhunderte lang weiter, zudem gibt es auf den
       Betriebsgeländen atomare Zwischenlager mit abgebrannten Brennstäben. Das
       mache deutlich, "wie unverantwortbar hoch die Risiken der Atomenergie
       sind", sagt Voss. Deshalb dürfte seiner Ansicht nach Brokdorf, das erst am
       Sonntag nach langen Reparaturen wieder ans Netz ging, nicht weiterbetrieben
       werden.
       
       "Der Katastrophenschutz ist vollkommen unzureichend", befindet Voss. Eine
       Überschwemmung der Marschen an der Unterelbe sei "nicht zu bewältigen".
       Keineswegs gehe es den Grünen darum, "Panik zu machen", versichert der
       Landtagsabgeordnete: "Aber nach Fukushima gehört der Katastrophenschutz auf
       den Prüfstand."
       
       Und deshalb wollen die Grünen weiter bohren: "Wir bereiten detaillierte
       Nachfragen vor", kündigt Voss an: "Mit diesen Antworten können wir uns
       nicht zufrieden geben."
       
       5 Oct 2011
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://www.jodblockade.de
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Sven-Michael Veit
       
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