# taz.de -- Trotz Schäden an Embryonen: Regierung hält an giftigem Pestizid fest
       
       > Wissenschaftler wollen Risiken des weltweit am häufigsten eingesetzten
       > Unkrautvernichters belegt haben. Das Agrarministerium hält die Versuche
       > für unrealistisch.
       
 (IMG) Bild: Schöne Pflanzen und keine lästigen Schädlinge - dank Pestizideinsatz.
       
       BERLIN taz | Die Bundesregierung hält die Zulassung des weltweit am meisten
       verkauften Unkrautvernichtungsmittels Glyphosat trotz neuer Hinweise auf
       mögliche Gefahren für gerechtfertigt. Die Untersuchungen, die Risiken etwa
       für Embryonen nahelegen, würden von unrealistischen Bedingungen ausgehen,
       heißt es in einer der taz vorliegenden Antwort des Agrarministeriums auf
       eine Kleine Anfrage des Grünen-Bundestagsabgeordneten Harald Ebner.
       
       Der Streit über Glyphosat ist vor allem deshalb relevant, weil die meisten
       gentechnisch veränderten Pflanzen gegen diese Chemikalie widerstandsfähig
       gemacht wurden. Würde die EU Glyphosat verbieten, wären damit praktisch
       auch die Pflanzen verboten. Deshalb haben vor allem die Grünen in den
       vergangenen Wochen auf Studien beispielsweise des argentinischen
       Medizinprofessors Andrés Carrasco am Forschungsinstitut Conicet in Buenos
       Aires hingewiesen. Er hatte Frosch- und Hühnerembryonen dem Pestizid
       ausgesetzt und danach Missbildungen festgestellt.
       
       Doch nach Meinung der Bundesregierung, die im Auftrag der EU Daten über
       Glyphosat sammelt, ist das kein Beweis dafür, dass die Chemikalie
       gesundheitsschädlich ist. Denn die Argentinier hatten die Tierembryonen
       direkt in ein Glyphosat-getränktes Bad getaucht oder ihnen die Substanz
       gespritzt - die schützende Plazenta wurde also umgangen. Das
       Agrarministerium schreibt deshalb, die Versuche hätten unter "extrem
       unphysiologischen Bedingungen" stattgefunden. Die Studien berücksichtigten
       auch nicht, dass Säugetiere Stoffe anders verarbeiten als Reptilien und
       Vögel.
       
       Die Regierung versucht auch den Vorwurf zu entkräften, sie wisse schon seit
       Jahren von besorgniserregenden Studien über Glyphosat. Zwar sei in diesen
       Untersuchungen "über vereinzelte Befunde am Herzen berichtet" worden - aber
       nur "nach Verabreichung von unrealistisch hohen Dosierungen".
       
       ## Keine Gefahr für den Menschen
       
       Positiver bewertet die Regierung Analysen des französischen
       Molekularbiologen Gilles-Eric Séralini. Er hatte menschliche Zellen
       Glyphosat ausgesetzt. Viele starben ab. Das ist auch für das
       Agrarministerium ein Hinweis auf "toxische Wirkungen" von
       Glyphosat-haltigen Mitteln - auch wenn das Problem offenbar nicht von dem
       Wirkstoff, sondern von Beistoffen wie dem Netzmittel Tallowamin verursacht
       worden seien. Doch aus "Erfahrungen am Menschen auf Basis des
       jahrzehntelangen Einsatzes glyphosathaltiger Herbizide oder aus
       epidemiologischen Studien" ergäben sich keine Hinweise auf Gefahr für
       Menschen.
       
       Für den Grünen Ebner ist klar, "dass die Bundesregierung das
       Vorsorgeprinzip bei Glyphosat und Tallowaminen in eklatanter Weise
       vernachlässigt". Nachgewiesen sei, dass Glyphosat zu etwa 15 Prozent die
       menschliche Plazentaschranke überwinde und so direkt auf den Embryo wirken
       könne. Die Behörden müssten alle Pestizide, die Glyphosat und Tallowamine
       enthalten, vorläufig verbieten.
       
       6 Oct 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jost Maurin
       
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