# taz.de -- taz-RedakteurInnen bereuen: Die Geschichte, die ich schrieb
       
       > aber es lieber hätte sein lassen sollen. Es gibt im Laufe eines
       > AutorInnenlebens Texte, die man nach bestem Wissen und Gewissen
       > recherchiert und aufschreibt. Und es trotz aller Mühe hinterher bereut.
       > Zwei Erfahrungen.
       
 (IMG) Bild: Nervennahrung: Wenn's stressig wird, greifen RedakteurInnen gerne in die Kiste.
       
       Leichte Beute 
       
       Ja, Kultursenatorin Dana Horáková war so schlimm. Aber muss man das bei
       jeder Winz-Verfehlung wieder schreiben? Da kann man jetzt natürlich viel
       drüber lamentieren, grübeln, rechten: Ob man in all den Jahren Böses
       geschrieben hat. Ja, hat man ganz bestimmt, selten mit Vorsatz, manchmal
       aber auch das. Oft aber war es schlicht die journalistische Lust am
       Draufhauen, die einen trieb, mainstreamig außerdem, ungefährlich und
       letztlich ein bisschen feige: Einen ohnehin Unbeliebten zu schmähen ist
       letztlich wenig originell.
       
       So geschehen mit Dana Horáková, Hamburgs Kultursenatorin von 2002 bis 2004,
       die ich damals mehr als einmal anging. Oft geschah das zu Recht, zeigte sie
       doch wenig Gespür für die Szene, sagte Galeristen unumwunden, dass sie sie
       niemals zu Gesicht bekommen würden. Frauenprojekte und
       Geschichtswerkstätten suchte sie wegzusparen, um stattdessen ein
       Mohammed-Atta-Museum in Harburg eröffnen. Außerdem war sie für uns tazzler
       natürlich eine 1a-Feindin, von der Bild-Kolumnistin zur Kultursenatorin
       avanciert, das allerletzte Aufgebot des ratlosen Ole von Beust.
       
       Und trotzdem: Ich würde das in der Intensität und Penetranz nicht wieder
       tun. Würde ein bisschen Maß halten, nicht bei jeder Kleinst-Verfehlung eine
       Kolumne schreiben, und sei es noch so lustig, im Kollegium darüber zu
       witzeln.
       
       Denn Dana Horáková hatte nicht nur dieses Gesicht. Sie war auch eine, die
       vor der Ausweisung aus Tschechien im Samisdat-Selbstverlag Schriften von
       Dissidenten edierte, damals in den Siebzigern. Eine, die den erzwungenen
       Wegzug von dort nie verwand und darob in einer Talkshow einmal in Tränen
       ausbrach.
       
       Nun kann man sagen, das war unprofessionell - so tat es die Journaille
       damals - oder aber: entwaffnend natürlich. Menschelnd, auch wenn ihre
       Untergebenen dies selten spürten. Aber im Keller ihres Privathauses
       nördlich von Hamburg hat sie jahrlang eine Leihbibliothek für die Kinder
       der Nachbarn und überhaupt ein offenes Haus gehabt. Kompensiert das eine
       unprofessionell-hartleibige Amtsführung, bei der es um weit mehr Geld und
       Schutzbefohlene ging? Sicherlich nicht. Aber ist der Journalist berechtigt,
       einen so offensichtlich überforderten Politiker wieder und wieder zu
       geißeln? Juristisch zweifellos. Ethisch aber - eventuell nicht. PETRA
       SCHELLEN
       
       Keinerlei Zweifel 
       
       Der Skandal kam auf dem Silbertablett: Die eigens gebildete Oldenburger
       "Antirepressionsgruppe" hatte ein Dossier erstellt, voller Fotos prügelnder
       Polizisten und "Gedächtnisprotokolle" verletzter Demonstranten. So etwas
       gibt es öfters, doch diesmal knallte die Sache richtig: Polizisten einer
       Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit (BFE) sollten zwei linke
       Demonstranten, eine junge Frau und einen Mann am Rande einer Neonazidemo
       2008 in Oldenburg absichtlich mit Messern verletzt haben. Einfach so! Die
       Antifa erwartete "lückenlose Aufklärung!".
       
       Die Polizei war in der Defensive: Der Vorwurf könne unmöglich wahr sein,
       weil die Beamten im Einsatz gar keine Messer hätten, sagte der Sprecher. Am
       nächsten Tag füllte die Story trotzdem die Seite 1 der taz nord. Als das
       Innenministerium dann einräumte, dass die BFEs sogar zwei Messer im Einsatz
       bei sich tragen, boten die Erklärungsnöte von Justiz und Polizei Stoff für
       mehr. Das Opfer hielt telefonisch vom Krankenhausbett aus vehement an der
       Geschichte fest. Sie habe "jetzt wahnsinnige Angst vor der Polizei", sagte
       sie mit fester Stimme. "Absolut glaubwürdig," befand ihr Anwalt, ein
       Linken-Landtagsabgeordneter. Der Skandal hielt sich im Blatt. "Kann man ihr
       glauben?", fragte der Chef. Ich hatte keine Zweifel.
       
       Doch schließlich überführten externe Ermittler der Polizei die Frau, sich
       die Stiche selbst zugefügt zu haben. Sie war psychotisch, das andere Opfer
       alkoholkrank. Sie hatten sich die Sache ausgedacht - vermutlich aus
       Polizeihass und Geltungssucht. Als der Anwalt dazu eine Erklärung von der
       mittlerweile abgetauchten Frau beschaffen sollte, klang er müde: "Tun Sie
       allen einen Gefallen und lassen es auf sich beruhen. Die Frau ist gestraft
       genug." Das sahen selbst Staatsanwaltschaft und Polizei so: Nachdem die
       Frau sich entschuldigt hatte, war "die Sache von uns aus in Ordnung."
       Kontakte mit der Oldenburger Justiz bereiten mir seither dennoch
       Unwohlsein." CHRISTIAN JAKOB
       
       12 Oct 2011
       
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