# taz.de -- Faschisten übernehmen Theater in Ungarn: Gegen die Entartung
       
       > Der Bürgermeister von Budapest hat einen Faschisten zum Direktor und
       > einen Antisemiten zum Intendanten des Neuen Theaters ernannt.
       
 (IMG) Bild: Budapester demonstrieren gegen Nazis.
       
       Im Budapester Neuen Theater (Uj Szinház) stehen Alexander Ostrowskis
       Komödie "Der Wald" und Beth Henleys Lustspiel "Verbrecherische Herzen" auf
       dem Spielplan. Das ist den Schaukästen in der Jugendstilfassade zu
       entnehmen. Solch ausländisches Teufelszeug wird künftig nicht mehr zur
       Aufführung kommen.
       
       Vor dem Eingang zieht ein Schauspieler hastig an einer Zigarette. Die
       verrutschte Rokoko-Perücke und das halb geöffnete Hemd verraten, dass er
       eine kurze Pause nutzt. Er gehöre nicht zum Ensemble, beteuert er. Das sei
       gerade auf Gastspiel in der Provinz. Im Theater werde für das Fernsehen
       gedreht. Zum künftigen Direktor könne er nichts sagen. "Die Leute reden
       dies und das", windet er sich.
       
       Die Ernennung von György Dörner zum neuen Direktor des Neuen Theaters ist
       ein Skandal, der derzeit nicht nur die Budapester Kulturszene in Entrüstung
       versetzt. Dörner, bekannt als mittelmäßiger Schauspieler, bekennt sich zur
       extremen Rechten und will das Theater auf seine Linie einschwören. Als
       Intendanten zur Seite hat er den ebenfalls rechtsextremen Dramatiker István
       Csurka.
       
       ## Kein Platz mehr für ausländische Autoren
       
       Bürgermeister István Tarlós von der regierenden rechtspopulistischen
       Fidesz, hat am 3. Oktober gegen die Verlängerung des bisherigen Direktors
       István Mártas optiert und sich gegen die Empfehlung des mit Fachleuten
       besetzten Bestellungsausschusses für den unerfahrenen Dörner entschieden.
       Dieser war im Wahlkampf im vergangenen Jahr aufgefallen, als er auf
       Kundgebungen der faschistischen Jobbik-Partei Gedichte rezitierte. In
       seinem Bewerbungsschreiben hat er angekündigt, er werde das Haus in
       "Heimatfront-Theater" umbenennen. Aus der "entarteten, krankhaften
       liberalen Hegemonie" der ungarischen Theaterszene will er ausscheren.
       Ausländische Autoren, deren Werke jetzt bevorzugt auf dem Spielplan stehen,
       und Avantgardetheater werden keinen Platz mehr auf der Bühne haben.
       
       Für den Soziologieprofessor Pál Tamás ist Dörner "ein Faschist". Für noch
       schlimmer aber hält er die Bestellung des 77-jährigen István Csurka zum
       Intendanten. Er ist der Vorsitzende der antisemitischen Partei MIEP, die
       nicht mehr im Parlament vertreten ist. Die von Csurka herausgegebene
       Wochenzeitung Magyar Fórum strotzt von antisemitischen Ausfälligkeiten. Er
       will seine eigenen Stücke zur Aufführung bringen und ein Drama über die
       Regierung des Sozialdemokraten Ferenc Gyurcsány, für ihn "eine der größten
       nationalen Tragödien", in Auftrag geben.
       
       Proteste bekannter ungarischer Theaterleute blieben nicht aus. Auch die
       Direktorinnen und Direktoren europäischer Bühnen, die mit dem Uj Szinhás
       kooperieren, darunter Gisela Pflugradt-Marteau vom Euro Theater Central
       Bonn, distanzierten sich energisch. Der Soziologe Tamás meint, es sei
       schwierig, in Ungarn niveauvolle Theatermacher zu finden, die nicht dem
       linksliberalen Spektrum angehören. Deswegen sei die von Fidesz auf anderen
       Gebieten mit großer Rasanz vorangetriebene politische Umfärbung in der
       Kultur so schwierig. Für ihn ist die Ernennung von Dörner ein Zugeständnis
       an die erstarkende Jobbik, die in Umfragen bereits deutlich über den 14
       Prozent liegt, die sie letztes Jahr bei den Wahlen bekam.
       
       Das Fidesz-kritische Internet-Portal [1][pusztaranger.hu] mutmaßt hingegen,
       dass Dörners Bestellung vielmehr eine Kampfansage von Premier Viktor Orbán
       an Jobbik sei. Orbán wolle die antisemitische MIEP wiederbeleben und einen
       Teil der rechtsextremen Wähler abwerben. Dörner hat sich in mehreren
       Stellungnahmen zu MIEP und der Regierung von Viktor Orbán bekannt.
       
       Das Uj Szinház ist ein kleines, nicht sonderlich bedeutendes Theater in
       einer Stadt, die sich knapp 30 Bühnen leistet. Der Soziologe Pál Tamás
       meint, die Kritiker der liberalen Tageszeitungen werden es künftig meiden,
       das liberal eingestellte Publikum werde einen weiten Bogen um das
       "Heimatfront-Theater" machen.
       
       13 Oct 2011
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://pusztaranger.hu
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ralf Leonhard
       
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